[Teilchenphysik] Existiert das Higgs-Boson?


  • Mod

    Fishermans Friend schrieb:

    Was ist ein 5-Sigma-Signal?

    Das kommt aus der Fehlerrechnung, dort gibt man die Deutlichkeit eines Ergebnisses in Einheiten der Standardabweichung an. 5 Sigma heißt, dass man einen Wert hat, der um (mehr als) 5x die Breite des mittleren Messfehlers vom Nullergebnis abweicht. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, in einem Universum ohne ein Higgsteilchen trotzdem (durch sich addierende, zufällige Messfehler) auf dieses Ergebnis zu kommen, beträgt
    1-\text{erf}\left(\frac{5}{\sqrt{2}} \right)\approx 5.7 × 10^{-7}



  • Ich gratuliere daher mal Peter Higgs und den Leuten vom CERN für die Entdeckung und den Nachweis des Higgs Teilchen.



  • [quote="Bashar"]

    Prof84 schrieb:

    Aber wie immer sollte man erst mal die Verifizierung der Eergebnisse abwarten.

    Wie würde man das machen? Man wird wohl kaum einen zweiten LHC irgendwo aufstellen deswegen 😉 /quote]

    In der Regel wird das so gemacht, daß andere Teilchenbeschleuniger z.B. in den USA usw. bestätigen. Da ist die Entwicklung und der Ausbau an den Teilchenbeschleunigern ja auch nicht still.



  • sdf_ausgeloggt schrieb:

    [...]
    In der Regel wird das so gemacht, daß andere Teilchenbeschleuniger z.B. in den USA usw. bestätigen. Da ist die Entwicklung und der Ausbau an den Teilchenbeschleunigern ja auch nicht still.

    Weiter oben wurde schon gesagt, dass es zur Zeit keinen anderen Beschleuniger (mehr) gibt, der in diesem Energiebereich bestätigen könnte.
    Und jetzt nachdem der Higgs-Entdeckungsbonus vergeben ist, werden die Geldmittel im Bereich Beschleuniger wohl eher rückläufig sein.



  • SeppJ schrieb:

    5 Sigma heißt, dass man einen Wert hat, der um (mehr als) 5x die Breite des mittleren Messfehlers vom Nullergebnis abweicht.

    Was ist ein Nullergebnis? 😕

    Ich kappiers nicht.
    Innerhalb von 2-Sigma liegen 95% aller Messwerte einer Normalverteilung.
    Innerhalb von 3-Sigma sind es 99%.
    Würde man sich nicht wünschen, dass man einen möglichst kleinen Sigma-Bereich hat? Also dass alle real gemessenen Werte sich so nah wie möglich um den Mittelwert verteilen?


  • Mod

    Fishermans Friend schrieb:

    SeppJ schrieb:

    5 Sigma heißt, dass man einen Wert hat, der um (mehr als) 5x die Breite des mittleren Messfehlers vom Nullergebnis abweicht.

    Was ist ein Nullergebnis? 😕

    Ich kappiers nicht.
    Innerhalb von 2-Sigma liegen 95% aller Messwerte einer Normalverteilung.
    Innerhalb von 3-Sigma sind es 99%.
    Würde man sich nicht wünschen, dass man einen möglichst kleinen Sigma-Bereich hat? Also dass alle real gemessenen Werte sich so nah wie möglich um den Mittelwert verteilen?

    Du misst etwas, sagen wir den Wert X. Du weißt, du hast einen Standardfehler von sigma gemacht. Du weißt nun, dass mit 95% Wahrscheinlichkeit der echte Wert irgendwo zwischen X-2*sigma und X+2*sigma liegt. Wenn der Wert Y um mehr als 5 sigma von X entfernt ist, dann weißt du mit 99.9999427% Sicherheit, dass Y nicht der wahre Wert ist.

    Hier ist Y "Das Higgs-Boson existiert nicht".



  • Gib doch einfach den Link an:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Standardabweichung



  • Sigma ist einfach der Wendepunkt in der Gaußkurve.

    Was sagt eigentlich Peter Higgs dazu? Ist das wirklich "sein" Teilchen, das da gefunden wurde?



  • Erhard Henkes schrieb:

    Was sagt eigentlich Peter Higgs dazu? Ist das wirklich "sein" Teilchen, das da gefunden wurde?

    http://video.golem.de/wissenschaft/8568/peter-higgs-und-andere-physiker-ueber-das-higgs-boson.html



  • http://press.web.cern.ch/press-releases/2013/03/new-results-indicate-particle-discovered-cern-higgs-boson
    Tja, jetzt wäre die letzte Verteiligungslinie Karl Popper:
    "Sofern sich Wissenschaft auf die Wirklichkeit beziehen, müssen sie falzifierbar sein."
    http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus

    Aber wahrscheinlich habe ich die Wette verloren und die Bedeutung für die Supersymmetrie ist extrem. Schön das man noch überrascht werden kann. 🙂



  • Prof84 schrieb:

    Aber wahrscheinlich habe ich die Wette verloren und die Bedeutung für die Supersymmetrie ist extrem. Schön das man noch überrascht werden kann. 🙂

    Was hattest Du gewettet?

    Die Bedeutung für die Supersymmetrie von allem, was bisher am LHC gefunden wurde, ist glaube ich nicht sehr groß. Supersymmetrie gibt es im Zsammenhang mit jeder Menge (künstlichen) Zusatzannahmen, die dazu führen, dass man Superpartner von irgendwelchen Teilchen bei relativ geringen Energien finden sollte, die mit dem LHC erreichbar sind. Bisher hat man da nichts gefunden. Das heißt aber letztendlich nur, dass man sich vielleicht von einigen dieser Zusattzannahmen trennen muss. Es heißt nicht, dass Supersymmetrie insgesamt nicht in der Natur vorkommt. Was Supersymmetrie betrifft, darf man also weiterhin gespannt sein. Vielleicht ergibt sich neues, wenn der LHC in 2 Jahren seine Arbeit wieder aufnimmt und dann mit einer höheren Energie betrieben wird.

    EDIT: Eine interessante Meldung aus dem Bereich der fundamentalen Physik in letzter Zeit ist übrigens, dass das Universum weniger Dunkle Energie als gedacht hat. Zumindest deuten die Messungen des Planck-Experiments daruf hin:

    http://www.sciencedaily.com/releases/2013/03/130321084221.htm


  • Mod

    Gregor schrieb:

    Vielleicht ergibt sich neues, wenn der LHC in 2 Jahren seine Arbeit wieder aufnimmt und dann mit einer höheren Energie betrieben wird.

    Wäre das nicht-Finden anderer Teilchen außer dem Higgs nicht praktisch das Ende der Hochenergiephysik? Wenn Supersymmetrie gelten sollte (oder meinetwegen auch eines der anderen Modelle), aber nicht die Annahmen, die nötig wären, um neue Teilchen mit dem LHC zu sehen, dann könnten die supersymmetrischen Teilchen doch praktisch überall sein. Also irgendwo zwischen LHC-Energie und Unendlich. Das heißt, ein LHC2 wäre bloß das Stochern im Nebel mit einer Stecknadel in einem unendlich großen Raum. Da wird es schwer, Finanzierung zu finden, denn spektakuläre Erfolge wären bloß Glückstreffer (beim LHC wusste man im Voraus, entweder findet man das Higgs oder man widerlegt das Standardmodell). Der nächste Beschleuniger, den sich zu bauen lohnen würde, müsste dann schon Energien messen, bei denen man etwas spannendes Erwarten könnte, zum Beispiel bei der Planck-Energie. So ein Beschleuniger wird wohl noch eine Weile ("niemals" ist so ein starkes Wort) auf sich warten lassen.

    tldr: Wenn nur und nur das Higgs gefunden wird, würde dies für lange Zeit das Standardmodell als Standardmodell 🕶 der experimentellen Hochenergiephysik erzwingen!?



  • @SeppJ: Bevor die LHC-Messungen kamen, wurden in einigen Blogs, die sich mit der Materie beschäftigen, ganz ähnliche Szenarien skizziert und die Leute dort sind dann auch zu einem ähnlichen Ergebnis wie Du gekommen. Was wir momentan haben ist ein Albtraumszenario für die Hochenergiephysik. Man kann nur hoffen, dass im 2. LHC-Lauf noch etwas interessantes entdeckt wird.

    Was die Finanzierung von Nachfolgeprojekten zum LHC betrifft, würde ich trotzdem keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich weiß nicht, wie man typischerweise das Geld für derartige Großprojekte organisiert. Aber es haben bei weitem nicht alle Großprojekte dieser Art ein derart klares Ziel wie der LHC.

    Allerdings ist es auch klar, dass der LHC schon sehr teuer war (auf Wikipedia steht etwas von 3 Mrd. € ohne die Detektoren). Nachfolgeprojekte die einem mehr Perspektiven bieten, werden da vermutlich auch nicht unbedingt günstiger sein, eher teurer. Insofern wird man da so oder so an ein Limit stoßen, unabhängig davon, was am LHC gefunden wird. Vielleicht kriegt man Großprojekte bis 10 Mrd. € oder so finanziert, wesentlich mehr wird aber nicht drin sein. Die Wissenschaft besteht aus mehr als nur der Teilchenphysik und was die Teilchenphysik kriegt, kriegen andere Wissenschaften nicht.



  • Gregor schrieb:

    Prof84 schrieb:

    Aber wahrscheinlich habe ich die Wette verloren und die Bedeutung für die Supersymmetrie ist extrem. Schön das man noch überrascht werden kann. 🙂

    Was hattest Du gewettet?

    Die Bedeutung für die Supersymmetrie von allem, was bisher am LHC gefunden wurde, ist glaube ich nicht sehr groß. Supersymmetrie gibt es im Zsammenhang mit jeder Menge (künstlichen) Zusatzannahmen, die dazu führen, dass man Superpartner von irgendwelchen Teilchen bei relativ geringen Energien finden sollte, die mit dem LHC erreichbar sind. Bisher hat man da nichts gefunden. Das heißt aber letztendlich nur, dass man sich vielleicht von einigen dieser Zusattzannahmen trennen muss. Es heißt nicht, dass Supersymmetrie insgesamt nicht in der Natur vorkommt. Was Supersymmetrie betrifft, darf man also weiterhin gespannt sein. Vielleicht ergibt sich neues, wenn der LHC in 2 Jahren seine Arbeit wieder aufnimmt und dann mit einer höheren Energie betrieben wird.

    Ich habe gegen die Existenz eines Higgs-Boson gesetzt.
    Die Supersymmeterie, defininert als Satz vorgerangene Theorie, wird sich sicher nicht halten lassen - d'accord. Aber das grundlegende Konzept der Supersymmetrichen Teilchen ist wohl bestätigt worden.



  • SeppJ schrieb:

    Gregor schrieb:

    Vielleicht ergibt sich neues, wenn der LHC in 2 Jahren seine Arbeit wieder aufnimmt und dann mit einer höheren Energie betrieben wird.

    Wäre das nicht-Finden anderer Teilchen außer dem Higgs nicht praktisch das Ende der Hochenergiephysik? Wenn Supersymmetrie gelten sollte (oder meinetwegen auch eines der anderen Modelle), aber nicht die Annahmen, die nötig wären, um neue Teilchen mit dem LHC zu sehen, dann könnten die supersymmetrischen Teilchen doch praktisch überall sein. Also irgendwo zwischen LHC-Energie und Unendlich. Das heißt, ein LHC2 wäre bloß das Stochern im Nebel mit einer Stecknadel in einem unendlich großen Raum. Da wird es schwer, Finanzierung zu finden, denn spektakuläre Erfolge wären bloß Glückstreffer (beim LHC wusste man im Voraus, entweder findet man das Higgs oder man widerlegt das Standardmodell). Der nächste Beschleuniger, den sich zu bauen lohnen würde, müsste dann schon Energien messen, bei denen man etwas spannendes Erwarten könnte, zum Beispiel bei der Planck-Energie. So ein Beschleuniger wird wohl noch eine Weile ("niemals" ist so ein starkes Wort) auf sich warten lassen.

    tldr: Wenn nur und nur das Higgs gefunden wird, würde dies für lange Zeit das Standardmodell als Standardmodell 🕶 der experimentellen Hochenergiephysik erzwingen!?

    Ja, so weit würde ich nicht gehen, denn erst muss der "theoretische Tierfilm" über die Higgs-Wechselwirkung entstehen. D.h. die Suche nach neuen Teilchen in TeV oder GeV nach Verfalls- und Wechselwirkungsteichen neuer Natur oder neue Theorien ist vorprogrammiert. Wir haben nur das Einschußloch gefunden ...
    Was ist wenn das Teilchen gar nicht die von Higgs prognostizierte Wechselwirkung zeigt? - Aber das in diesen Bereich was gefunden wurde, stimmt einen optimistisch.



  • Gregor schrieb:

    ...

    Was die Finanzierung von Nachfolgeprojekten zum LHC betrifft, würde ich trotzdem keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich weiß nicht, wie man typischerweise das Geld für derartige Großprojekte organisiert. Aber es haben bei weitem nicht alle Großprojekte dieser Art ein derart klares Ziel wie der LHC.

    Allerdings ist es auch klar, dass der LHC schon sehr teuer war (auf Wikipedia steht etwas von 3 Mrd. € ohne die Detektoren).

    ...

    3 Mrd. oder 32 Cent pro EU-Bürger pro Jahr....



  • Verrechne ich mich oder hast Du Dich vertan? 9 Milliarden EU-Bürger?

    Edit: Achso... auf die voraussichtliche Verwendungszeit gerechnet *ditsch*



  • Decimad schrieb:

    Verrechne ich mich oder hast Du Dich vertan? 9 Milliarden EU-Bürger?

    Edit: Achso... auf die voraussichtliche Verwendungszeit gerechnet *ditsch*

    Gebaut (und ich nehme mal an gezahlt) wird seit 94, also 19 Jahre. 500 Millionen EU-Bürger.





  • Wenn ich in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis mit dem Chemie-Nobelpreis vergleiche, dann bin ich mir nicht so sicher, was ich vom Nobelpreis für das Higgs halten soll...

    Nach meinem Verständnis ist das Higgs-Teilchen das Ende einer Reise. Bei dieser Reise ging es um die Entwicklung des Standardmodells der Teilchenphysik. Das Higgs-Boson war hierbei das letzte Teilchen, das in diesem Baukasten noch gefehlt hat. Jetzt ist alles da, was man in diesem Zusammenhang vorhergesagt hat. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen in diesem Zusammenhang sind schon viele Jahre alt. Es wird zwar jetzt noch ein paar Veröffentlichungen geben, in denen die Eigenschaften des Higgs genau untersucht werden, aber ich sehe die Perspektive nicht. Man hat sich vom LHC erhofft, dass man etwas findet, das auf neue Physik jenseits des Standardmodells hinweist. Das hat man aber zumindest bisher noch nicht. Wenn sich das in der nächsten Betriebsphase des LHCs bei höheren Teilchenstrahlenergien nicht ändert, dann könnte die Teilchenphysik mittelfristig in eine echte Krise geraten. Insofern wirkt der Nobelpreis für das Higgs-Teilchen auf mich ein wenig so wie das letzte Aufbäumen bevor es abwärts geht. Allerdings stehe ich außerhalb dieser Community, so dass es sein kann, dass ich hier eine falsche Wahrnehmung habe. Vielleicht ist hier im Forum ja jemand, der mehr Einblick in dieses Teilgebiet der Physik hat und dazu ein bisschen was sagen kann.

    In der Chemie wurde hingegen die Entwicklung eines Trends ausgezeichnet, der diese Wissenschaft (und auch andere Wissenschaften) strukturell verändert: Das Aufkommen von Simulationen. Dieser Trend ist schon sehr relevant geworden, nimmt aber immer noch enorm an Fahrt auf. Man hat dort ein Werkzeug bekommen, das einem ganz neue Zugänge zur Untersuchung chemischer Vorgänge ermöglicht.


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