Das Ingenieursstudium - ein Martyrium ?!



  • chrische5 schrieb:

    Eindeutig geht es auch darum zu zeigen, dass man so etwas durchstehen kann. Die Prüfungen, die Konzentration über mehrere Jahr, als das zählt auch.

    dann dürfte keine firma an genies interessiert sein, denen alles leicht fällt und die schnell fertig sind.
    ich halte diese ausdauergeschichte nur für ein einen mythos, ähnlichem dem, dass man für das leben lerne und nicht für die schule. es ist teil des zweckoptimismus, den die haben, die nur einen schlechten abschluss vorweisen können.



  • besserwisser schrieb:

    dann dürfte keine firma an genies interessiert sein, denen alles leicht fällt und die schnell fertig sind.

    Jetzt kommt bestimmt gleich irgendeiner daher und sagt, dass das ja auch so ist.



  • Hallo

    besserwisser schrieb:

    dann dürfte keine firma an genies interessiert sein, denen alles leicht fällt und die schnell fertig sind.
    ich halte diese ausdauergeschichte nur für ein einen mythos, ähnlichem dem, dass man für das leben lerne und nicht für die schule. es ist teil des zweckoptimismus, den die haben, die nur einen schlechten abschluss vorweisen können.

    So ein Quatsch. Natürlich ist eine Firma auch an fachlich gut ausgebildeten Leuten interessiert und wenn man jemand kennt, der schnell lernt, um so besser. Wenn ich aber weiß, dass jemand während seiner Ausbildung kaum Dinge gelernt haben kann, die in der Firma gemacht werden, dann ist es schon schön, wenn jemand Durchhaltevermögen hat. Das Eine schließt doch das Andere nicht aus.

    chrische



  • Also, es geht doch für Firmen darum, möglichst passende Bewerber rauszusuchen. Im hochqualifizierten Bereich sind das intelligente, fleißige, kreative, kompetente Leute. Wie bringt man Leute dazu, zu zeigen, wie sehr sie die Eigenschaften erfüllen? Es ist (offensichtlich) ziemlich schwierig, das einfach so mit Einstellungstests festzustellen, besonders wenn man die Wahrscheinlichkeiten, jemand falschen zu nehmen, klein halten will (weil so ein Fehltritt für die Firma teuer ist).

    Also benutzt man Vorselektionen.

    Nur die Leute, die sich für intelligent, fleißig, kreativ oder kompetent halten, fangen überhaupt erst mal ein Studium an. Es ist schon mal viel günstiger, nur Bewerber aus dieser Gruppe zu akzeptieren.
    Die Note, die dann hinterher auf deinem Abschluß steht, sagt im wesentlichen, wie gut deine Selbstsicht (intelligent, fleißig, ...) mit der Aussenansicht der Hochschulleitung übereinstimmt und das ist natürlich auch ein sehr wichtiges Signal, aber eben nicht das einzige.

    Aber: wenn es einfache, billige und gute Tests gäbe, die gut geeigneten Kandidaten von den schlechten zu trennen, dann wäre ein Studienabschluß wesentlich weniger interessant.

    Oder auch andersrum: stell dir eine Welt vor, in der ein Hochschulbesuch jeden Besucher 100.000€/Jahr kostet. Und das kann/will sich niemand leisten und es würden andere Kriterien zur Unterscheidung gefunden werden.

    Es gibt übrigens andere Modelle, wo sich die Leute selbst vorsortieren. Beispiel: nehmen wir an, Du bekommst zwei Jobs angeboten, mit der ziemlich gleichen Aufgabe. Bei dem einen bekommst Du 40.000€/a mit wenig Aufschägen, wenn Du gut und wenig Abschlägen, wenn Du schlecht bist. Bei dem zweiten Job bekommst Du 20.000€ regulär, aber wenn Du eine sehr gute Leistung bringst, dann bekommst Du eine Prämie von 80.000€ extra (=100.000€/a).

    Erwartung? Die Bewerber, die sich für wahnsinnig gut halten, werden den zweiten Job nehmen, die, die sich für weniger gut halten, nehmen den ersten Job. Landen manche in der falschen Kategorie? Sicher, aber es ist besser, als zufällig zu wählen, weil Fehleinschätzungen der einzelnen Bewerber ziemlich hart bestraft werden. Aber der Jobanbieter beschäftigt eben auch Leute, die vermutlich schlecht sind.



  • Daniel E. schrieb:

    Nur die Leute, die sich für intelligent, fleißig, kreativ oder kompetent halten, fangen überhaupt erst mal ein Studium an.

    das mag für einen teil stimmen, es gibt aber auch viele, die von den eltern oder sonstigen personen durch eine zu große erwartungshaltung dazu "gezwungen" werden.



  • Dann müssen sie aber die Voraussetzungen ebenso erfüllen und trotzdem beweisen, dass sie in der Lage sind zu lernen, wobei sie dabei natürlich Vorteile durch Pappie haben, der beim lernen helfen kann.



  • dreaddy schrieb:

    Dann müssen sie aber die Voraussetzungen ebenso erfüllen und trotzdem beweisen, dass sie in der Lage sind zu lernen, wobei sie dabei natürlich Vorteile durch Pappie haben, der beim lernen helfen kann.

    nein, eben nicht. genau solchen verblödeten eltern verdanken wir massenweise inkompetente, unfähige leute, in irgendwelchen berufen, die eingentlich überhaupt keinen bock darauf haben. ein ehemaliger mitschüler von mir sollte medizin studieren, weil papa arzt ist. zum glück hat er's nach 6 wochen hingeschmissen.
    🙂



  • Mich würde mal interessieren was für ein Ingenieurstudium du überhaupt machst. Das Wort Ingenieur ist doch ziemlich allgemein, da gibt es doch etliche Kategorien( Elektrotechnik, Maschienenbau usw). Zum Thema auswendiglernen. Keiner kann mir erzählen, dass wenn er einmal etwas gelernt hat, er es nach paar Monaten komplett wieder vergessen hat. Man hat es zwar nicht mehr sofort griffbereit im Kopf, aber wenn man es einmal kurz wiederholt merkt man, dass man sich schnell wieder erinnert. Ich denke auch, dass ich gar nichts mehr aus dem Lateinunterricht weiß, aber wenn ich einmal kurz in eine Grammatik gucke, kommt mir doch alles sehr bekannt vor und die Erinnerungen werden wach. Außerdem bin ich der Meinung man sollte immer auch (umfangreiches) faktisches Wissen zu seinem Fach besitzen. Wenn es nur um das Verstehen gehen würde, würde es ja reichen wenn einfach alle Logik bzw. Mathematik studieren würden. Aber man braucht auch Fakten oder Werte worauf man sein Wissen anwenden kann.

    Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich es dir nicht glaube, dass eine Person dein Studium schaffen würde, indem sie einfach auswendig lernt ohne es zu Verstehen. Nehmen wir einfach man die Thermodynamik. Die haben glaube ich fast alle Ingenieure.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Thermodynamik
    Um eine Aufgabe der Thermodynamik zu lösen, muss man die Integralrechnung beherschen und um den Limes wissen. Diese kann man nicht duch auswendiglernen verstehen.

    Ganz ehrlich, wenn Personen in deinem Studiengang das Fach schaffen würdeohne es zu verstehen, würde ich ganz schnell die Uni wechseln, weil dann wäre sie einfach schlecht. Aber das kann ja alleine deswegen nicht sein, weil alle Ingenieure haben ja Mathematikvorlesungen und die kann man nicht ohne Verständnis schaffen. Wenn doch wechsle die Uni.



  • Hallo

    Es gibt einfach keine besseren Argumente als Selbsterlebtes (teilweise einmal) zu Generalisieren 🙄 . Da fehlen mir immer die Worte, wie man so blöd sein kann.

    chrische



  • chrische5 schrieb:

    Es gibt einfach keine besseren Argumente als Selbsterlebtes (teilweise einmal) zu Generalisieren 🙄 . Da fehlen mir immer die Worte, wie man so blöd sein kann.

    👍



  • ich erzähl mal selbsterlebtes aus meinem studium (informatik):
    wir haben vorlesungen gehabt, prüfungen geschrieben und das gelernte nie weider gebraucht. ich akzeptier jede fach, das ein basisfach ist, auf dem dann aufgebaut wird, doch hatten wir solche fächer nicht. es war ein lernen für die prüfung und dann vergessen. deshalb haben auch viele ohne jegliches verständis jetzt ihre akademischen grade bekommen.

    ist das an anderen unis wirklich so gravierend anders?

    @chrische5
    an wievielen unis hast du das gleiche studiert? da du ja meinst, dass man von sich auf andere nicht schließen darf, musst du ja mehr als nur eien erfahrung gemacht haben. wenn nicht, schließt du ja genauso von dir auf andere.



  • Hallo

    Ich habe bisher nur an einer Uni studiert und das wird die nächste Zeit auch so bleiben. Ich habe auch nie etwas über meine Uni gesagt, sondern über die Bewertung des Studiums nach dessen Abschluss. Da stützen sich meine Aussage auf Erfahrung, Logik und Vermutung.

    chrische



  • Ist selbst erlebtes nicht die Basis für Erfahrung ? 😃



  • besserwisser schrieb:

    ich erzähl mal selbsterlebtes aus meinem studium (informatik):
    wir haben vorlesungen gehabt, prüfungen geschrieben und das gelernte nie weider gebraucht. ich akzeptier jede fach, das ein basisfach ist, auf dem dann aufgebaut wird, doch hatten wir solche fächer nicht. es war ein lernen für die prüfung und dann vergessen.

    [...]

    ist das an anderen unis wirklich so gravierend anders?

    Was Du da skizziert hast, ist eine Eigenart der Informatik. Die Informatik ist einfach noch zu jung, als dass sie genug verzahnt ist, um starke Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Teilbereichen im Studium zu haben. Da müssen vermutlich noch ein paar Jahrzehnte vergehen, bis sich das Studium der Informatik wirklich nur auf die Kernaspekte der Disziplin beschränkt, die dann zusammen ein Ganzes bilden und nicht nur ganz lose miteinander verbundene Teile.

    Ich habe hier den direkten Vergleich von Informatik und Physik, wobei die Physik zugegebenermaßen keine Ingenieursdisziplin ist. In der Physik brauchst Du alles was Du lernst in nahezu allen Teilbereichen der Physik. In der Informatik benötigt man hingegen nahezu nichts in anderen Teilbereichen. Änderungen diesbezüglich kann man aber durchaus beobachten. Wenn Du zum Beispiel den Bereich der Bildverarbeitung anguckst, dann stellst Du fest, dass hier in den letzten Jahren eine zunehmende Mathematisierung der Disziplin stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Für dieses Teilgebiet der Informatik brauchst Du immer mehr Mathematik. Ähnlich sieht es mit dem Einfluss anderer Teilbereiche der Informatik auf die Bildverarbeitung aus. Es entstehen immer mehr Kontaktpunkte, die zu starken Abhängigkeiten führen werden. Ich gehe davon aus, dass eine derartige Entwicklung nicht nur in der Bildverarbeitung zu sehen ist, sondern in der Informatik insgesamt.

    Da die meisten Ingenieursstudien deutlich älter als die Informatik sind, ist eigentlich davon auszugehen, dass im Allgemeinen stärkere Abhängigkeiten unter den jeweiligen Teilbereichen existieren.



  • Gregor@Uni schrieb:

    In der Informatik benötigt man hingegen nahezu nichts in anderen Teilbereichen. Änderungen diesbezüglich kann man aber durchaus beobachten. Wenn Du zum Beispiel den Bereich der Bildverarbeitung anguckst, dann stellst Du fest, dass hier in den letzten Jahren eine zunehmende Mathematisierung der Disziplin stattgefunden hat.

    Inwiefern ist das ein Beispiel für deine Behauptung? Mathematik ist kein Teilbereich der Informatik. (Davon, ob Bildverarbeitung ein Teilgebiet der Informatik ist, will ich jetzt gar nicht anfangen.)

    Da die meisten Ingenieursstudien deutlich älter als die Informatik sind, ist eigentlich davon auszugehen, dass im Allgemeinen stärkere Abhängigkeiten unter den jeweiligen Teilbereichen existieren.

    Die Informatik weiß doch nichtmal, ob sie überhaupt eine Ingenieurswissenschaft sein will.



  • Bashar schrieb:

    Inwiefern ist das ein Beispiel für deine Behauptung? Mathematik ist kein Teilbereich der Informatik. (Davon, ob Bildverarbeitung ein Teilgebiet der Informatik ist, will ich jetzt gar nicht anfangen.)

    Ok, ok. Du hast natürlich Recht. Das Beipsiel ist zweifelhaft. Denoch ist es zumindest dann zutreffend, wenn man sich anschaut, was ein Informatikstudent im Studium lernt. Mathematik gehört zur Grundausbildung jedes Informatikers. In den meisten Kernbereichen der Informatik findet die Mathematik allerdings relativ wenig Anwendung. Oder wo wendet man viel Mathematik an, wenn es beispielsweise um Softwaretechnik geht? Oder im Bereich der technischen Informatik? Selbst die Theoretische Informatik benötigt überwiegend nur eine sehr kleine Teilmenge dessen, was man an Mathematik im Informatikstudium lernt. Es gibt aber Bereiche der Informatik, in denen die Relevanz der Mathematik deutlich zunimmt.

    Wenn man sich die Bildverarbeitung anschaut, dann kommen aber natürlich auch mehr und mehr Einflüsse aus einem höheren Level der Verarbeitung. Wenn man sich mit Bildinterpretation beschäftigt, dann will man erreichen, dass der Rechner automatisch erkennt was ein Bild oder eine Bildfolge zeigt. Und zwar in einem Maß, das weit über einfache Objekterkennung hinausgeht. Wenn Du zum Beispiel eine Überwachungskamera hast, dann soll der Rechner automatisch erkennen, ob gerade ein Raub oder ähnliches beobachtet wird. Wenn man soetwas machen möchte, dann muss man Werkzeuge der künstlichen Intelligenz nutzen. Da kommen dann also Logiken und so weiter und so fort zum Einsatz. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis eine Low-Level Objekterkennung auch von den Ergebnissen der Verarbeitung auf diesem höheren Level beeinflusst wird. Nämlich indem der Low-Level Verarbeitung gesagt wird "Es macht keinen Sinn, wenn das Objekt, was Du da gerade erkannt hast, in dieser Szene ist. Überprüf mal ob das nicht auch ein XYZ sein könnte." Insofern wirst Du auch eine Zunahme von KI-Techniken bzw. Techniken der Theoretischen Informatik in der Bildverarbeitung sehen. Das ist zugegebenermaßen auch ein sehr spezielles Beispiel, aber dummerweise fehlt mir bezüglich der meisten Teilbereiche der Informatik ein tieferer Einblick, so dass es für mich sehr aufwändig wäre, weitere Beispiele aus anderen Teilbereichen zu konstruieren.

    Aber generell ist es logisch, wenn hier etwas zusammenwächst. Man muss sich doch nur mal die Hintergründe der Leute ansehen, die sich mit Informatik beschäftigen. Die meisten Professoren, die ich im Studium hatte, waren Quereinsteiger. Weil es zu deren Zeit noch kein Informatikstudium gab. Inzwischen kommen aber immer mehr Leute, die das volle Informatikprogramm kennen und entsprechend auch viel eher Verbindungen zwischen den Teilgebieten herstellen.

    Bashar schrieb:

    Die Informatik weiß doch nichtmal, ob sie überhaupt eine Ingenieurswissenschaft sein will.

    Die Frage, was Informatik eigentlich ist und ob die Bildverarbeitung ein Teilgebiet der Informatik ist, ist ja eher philosophischer Natur. Ich weiß nicht, was Dein Gegenvorschlag ist. Vielleicht die Idee einer Strukturwissenschaft? In dem Fall stellst Du Dich direkt neben Dijkstra und reduzierst die Informatik auf die Theoretische Informatik, also einen Teilbereich, der im Studium vielleicht ein Viertel der Vorlesungen ausmacht. Ich glaube nicht, dass das der Informatik gerecht wird. Ein Großteil der Informatik ist darauf ausgerichtet, den Leuten beizubringen, wie man komplexe Projekte beherrscht. Zum Beispiel in der Softwaretechnik. Wie realisiere ich eigentlich ein größeres Softwareprojekt? Ähnliche Fragestellungen tauchen auch im Bereich der Technischen Informatik auf. Wie realisiere ich ein Eingebettetes System? Auf was muss ich da achten? Solche Fragestellungen sind IMHO ein ganz eindeutiges Indiz, das auf einen ingenieurscharakter der Disziplin hinweist.

    Ok, aber Du hast natürlich Recht, dass die Informatik selbst nicht weiß, was sie eigentlich ist und was sie sein will. Mein Punkt ist, dass das eigentlich kein Zustand ist, der dauerhaft bestand haben kann. Deshalb muss sich auch das Informatikstudium ändern. Entweder die unterschiedlichen Teilbereiche wachsen zusammen, oder sie entfernen sich voneinander. Wenn es ein Teilgebiet auf Dauer nicht schafft, eine starke Verzahnung zum Rest der Informatik herzustellen, dann wird es IMHO irgendwann aus dem Studienplan fliegen.

    Ist in der Physik übrigens auch so: Guck Dir da mal die Allgemeine Relativitätstheorie an. Naiv betrachtet würde man erstmal denken, dass die doch ein zentraler Bestandteil der Physik sein sollte. Im Standardprogramm des Studiums kommt sie aber nicht vor. Und zwar vermutlich aus folgendem Grund: Was man in der Allgemeinen Relativitätstheorie lernt, hat keine Anwendungen in den anderen Bereichen der Physik. Die Allgemeine Relativitätstheorie ist irrelevant für Laserphysik, für Atom- und Molekülphysik, für Plasmaphysik, für Teilchenphysik, für Kernphysik, für Magnetismus, für einfach alles jenseits von ganz großen Längenskalen.

    BTW: Mir ist aus Deinem Beitrag oben nicht ganz klar geworden, ob Du generell gegenteiliger Meinung bist oder ob Du meine Aussage nur etwas hinterfagen wolltest. Hast Du eine gegenteilige Sichtweise?



  • Gregor schrieb:

    Die Frage, was Informatik eigentlich ist und ob die Bildverarbeitung ein Teilgebiet der Informatik ist, ist ja eher philosophischer Natur. Ich weiß nicht, was Dein Gegenvorschlag ist. Vielleicht die Idee einer Strukturwissenschaft? In dem Fall stellst Du Dich direkt neben Dijkstra und reduzierst die Informatik auf die Theoretische Informatik, also einen Teilbereich, der im Studium vielleicht ein Viertel der Vorlesungen ausmacht. Ich glaube nicht, dass das der Informatik gerecht wird. Ein Großteil der Informatik ist darauf ausgerichtet, den Leuten beizubringen, wie man komplexe Projekte beherrscht. Zum Beispiel in der Softwaretechnik. Wie realisiere ich eigentlich ein größeres Softwareprojekt? Ähnliche Fragestellungen tauchen auch im Bereich der Technischen Informatik auf. Wie realisiere ich ein Eingebettetes System? Auf was muss ich da achten? Solche Fragestellungen sind IMHO ein ganz eindeutiges Indiz, das auf einen ingenieurscharakter der Disziplin hinweist.

    Du hast vielleicht den letzten Thread zu dem Thema verpasst ("Wo bleiben die ganzen schlechten Informatik-Absolventen" oder so), indem bis zum Schluss nicht klar war, wodurch sich eigentlich ein schlechter Informatiker auszeichnet. Viele Beteiligte sind anscheinend der Meinung, dass der ingenieursmäßige Anteil der Informatik optional ist.
    Ich selbst sehe in der Informatik aber auch einen ganz wichtigen Bereich, der in den üblichen Ingenieurswissenschaften völlig fehlt. Lösungen für Probleme werden von Menschen konstruiert, aber nur in der Informatik beschäftigt man sich in nennenswertem Umfang damit, diesen Konstruktionsprozess effektiv zu gestalten, indem man z.B. Programmiersprachen und -paradigmen und Vorgehensmodelle erfindet. Als Außenstehender kann man sich das vielleicht gar nicht vorstellen, aber Informatik befasst sich zu einem Großteil auch mit den Grenzen des menschlichen Geistes.
    Dagegen fehlt in der Informatik die sonst in jeder Ingenieursdisziplin vorkommende Auseinandersetzung mit physikalischen Problemen. Das gibt es allenfalls in der technischen Informatik, an der Schnittstelle zur Elektrotechnik.

    Ok, aber Du hast natürlich Recht, dass die Informatik selbst nicht weiß, was sie eigentlich ist und was sie sein will. Mein Punkt ist, dass das eigentlich kein Zustand ist, der dauerhaft bestand haben kann. Deshalb muss sich auch das Informatikstudium ändern. Entweder die unterschiedlichen Teilbereiche wachsen zusammen, oder sie entfernen sich voneinander. Wenn es ein Teilgebiet auf Dauer nicht schafft, eine starke Verzahnung zum Rest der Informatik herzustellen, dann wird es IMHO irgendwann aus dem Studienplan fliegen.

    Die Teilbereiche der Informatik ("computer science") können sich eigentlich nur auseinander entwickeln, da die gemeinsame Klammer, der Einsatz von Computern, in der heutigen Zeit allgegenwärtig ist. Dabei wird man sich auf das Wesentliche besinnen, so dass Randbereiche der Informatik abwandern und Kerngebiete an Zusammenhalt gewinnen.

    Ist in der Physik übrigens auch so: Guck Dir da mal die Allgemeine Relativitätstheorie an. Naiv betrachtet würde man erstmal denken, dass die doch ein zentraler Bestandteil der Physik sein sollte.

    Ehrlich gesagt würde ich denken, dass ein Physikstudent die ART einfach so kennen sollte. Immerhin ist es eine der beiden großen physikalischen Theorien, die im 20. Jh. das gängige Weltbild vollkommen auf den Kopf gestellt haben. Aber warum sollte es in der Physik anders sein als in anderen Fächern, natürlich schaut man da auch auf die Anwendungen.



  • Die gesamte Diskussion erledigt sich von allein. Erst muss man eine gewählte Ausbildung (kann ein Studium sein) zum Abschluss bringen und dann muss man in der Praxis mit seinem Wissen und Können sich beweisen, also Geld verdienen. Ein Spezialist für das Behalten auswendig gelernter Dinge kommt nach dem Abschluss der Ausbildung wahrscheinlich nicht sehr weit!


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