Was wird aus Ägypten?



  • man kann es in etwa abschätzen

    Kann man nicht. 😉



  • die religiösen Fanatiker werden an Einfluss gewinnen.



  • Was heißt eigentlich "besser" im Zusammenhang dieser Umfrage. Ich meine, das Regime in Ägypten ist totalitär, also nicht besonders gut für die dort lebende Bevölkerung. Andererseits ist Ägypten unter diesem Regime ein stabilisierender Faktor in der Nahost-Region. Das ist ja eigentlich das Problem, das viele westliche Politiker mit dieser Situation haben, deshalb äußern sie sich so zögerlich. Man ist mit diesem Regime ganz gut ausgekommen und hat jetzt Angst, dass dort Leute an die Macht kommen, mit denen man ein weitaus schlechteres Verhältnis hat. Und man hat Angst, dass es in der Region über kurz oder lang zum Krieg kommt.

    Ich kenne mich bezüglich Ägypten nicht aus und weiß nicht, wer nach Mubarak an die Macht kommen kann. Aber ich bin mir sicher, dass es relativ schwierig sein wird, dort eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu erreichen, auch wenn man die momentanen Proteste als Demokratiebewegung wertet. Es ist alles andere als klar, dass die Profiteure des Wandels die gleichen sind, die ihn herbeiführen.

    Insofern sehe ich mich eigentlich nicht in der Lage, diese Umfrage zu beantworten. Da kann sich alles mögliche entwickeln.

    Was ich im Zusammenhang der Proteste in Ägypten aber wieder einmal feststelle ist, wie schlecht eigentlich die deutschen Nachrichtensender sind. Auf CNN ist ein Großteil des Programms den dortigen Entwicklungen gewidmet, auch Al Jazeera bietet fast die ganze Zeit Live-Übertragungen in diesem Zusammenhang. Und was bringen die deutschen Nachrichtensender? Reportagen übers Garnelenfischen und Eilmeldungen im Ticker über die neuesten Bundesligaergebnisse. Die Geschehnisse in Ägypten sind dort praktisch nur auf ein Thema der Hauptnachrichtensendungen beschränkt. Warum nehme ich die Relevanz der Geschehnisse in Ägypten als so viel größer wahr, als die deutschen Nachrichtensender. Ich meine, eigentlich wird dort Geschichte geschrieben. Dort steht ein Volk auf und versucht, seinen Unterdrücker aus dem Amt zu jagen.

    Im Zusammenhang mit Ägypten finde ich auch interessant, wie dort vom Regime versucht wird, die volle Kontrolle über alle Informationsflüsse zu behalten. Man schaltet das Internet und die Handynetze ab, geht gegen Journalisten vor, entzieht bestimmten Fernsehsendern die Sendeerlaubnis und so weiter. Was für einen Einfluss hat das auf die dortigen Entwicklungen? Kann man so tatsächlich Informationen vom Volk fern halten? Wie wirkt sich das auf die dortige Wirtschaft aus? Die Handlungsweisen totalitärer Regime bezüglich der Kontrolle von Informationsflüssen werden ja immer extremer. Wie wird sich das in Zukunft entwickeln?



  • Wieso ist wirtschaftliche Ausbeutung das Problem? Das Problem ist das Fehlen von wirtschaftlichen Aktivitäten! In D gibt es viele älterer Menschen mit Berufserfahrung und Elan um Unternehmen auf die Beine zu stellen und wenige Junge die hier sofort einen Arbeitsplatz finden. In Ägypten ist es wegen der Bevölkerungsentwicklung genau anders rum. Das ist das Problem.
    Du willst das der christliche Westen Ägypten aufkauft? Ich glaube nicht das die Ägypter das im großen Stil wollen. Und wenn eine populistisch-religiöse Regierung an die Macht gewählt wird möchte ich nicht als Ausländer in Ägypten investiert sein.
    Das wichtigste ist das die Ägypter ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Von außen einem anderen Kulturkreis etwas aufzuzwingen könnte sehr risikoreich und ressourcenintensiv sein.

    Momentan sind diese Länder in einer dikatatorischen Phase. Der Regierungs/Richtungswechsel erfordert immer eine Revolution. Der nächste Schritt ist die Installation von einer Art Demokratie mit freier Presse die den Regierungswechsel institutionalisiert und somit reibungsloser möglich macht. Jede Regierung wird von einer politisierten Öffentlichkeit bewertet ggf abgewählt. Der Westen sollte nur in äußersten Ausnahmenfällen eingreifen.



  • nachtfeuer schrieb:

    Der Westen müsste also auch wichtige Schritte unternehmen, wenn er es wirklich ernst meint: gezielte Investitionsspritzen, überall im Lande, die auch unten ankommen. Das dürfte aber nicht so einfach sein, erstens, z.B. wegen bestehender Lobbygruppen und korrupten Strukturen der einen Seite und der sich spreizenden Arm/Reich-Schere auf der anderen (westl.) Seite.

    👎 "Am westlichen Wesen soll die Welt genesen?" Nenene. Die Ägypter können ihre Probleme viel besser in den Griff bekommen und der Westen hat nicht die Weisheit für sich gepachtet. "Der Westen" sollte nur aufhören alle mögliche Diktaturen zu unterstützen. Sei es auch nur das wir Hilfslieferungen überall hinkarren. Die Ägypter fordern doch Änderungen, weil es ihnen wirtschaftlich so schlecht geht und nicht weil sie keine demokratischen Strukturen haben...

    Und schau dir nur die westlichen Vorzeigeprojekte an: Irak und Afghanistan.

    nachtfeuer schrieb:

    Die Ägypter demonstrieren nicht nur für sich, in gewisser Weise demonstrieren sie für alle Menschen auf dieser angeblich kapitalzivilisierten/beraubten Welt.

    Äh... nein. Die Ägypter demonstrieren für sich.

    Gregor schrieb:

    Andererseits ist Ägypten unter diesem Regime ein stabilisierender Faktor in der Nahost-Region. Das ist ja eigentlich das Problem, das viele westliche Politiker mit dieser Situation haben, deshalb äußern sie sich so zögerlich. Man ist mit diesem Regime ganz gut ausgekommen und hat jetzt Angst, dass dort Leute an die Macht kommen, mit denen man ein weitaus schlechteres Verhältnis hat. Und man hat Angst, dass es in der Region über kurz oder lang zum Krieg kommt.

    Das ist halt der Fehler der westlichen Politik gewesen. Man hat die Leute ja in die Hände der radikalen Islamisten gedrängt, weil man eben die ganzen Diktaturen unterstützt hat.

    Gregor schrieb:

    Ich kenne mich bezüglich Ägypten nicht aus und weiß nicht, wer nach Mubarak an die Macht kommen kann. Aber ich bin mir sicher, dass es relativ schwierig sein wird, dort eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu erreichen, auch wenn man die momentanen Proteste als Demokratiebewegung wertet. Es ist alles andere als klar, dass die Profiteure des Wandels die gleichen sind, die ihn herbeiführen.

    Ja ja "Demokratiebewegung". Eine Demokratie nach westlichem Vorbild wird es da ganz sicher nicht geben.

    Gregor schrieb:

    Was für einen Einfluss hat das auf die dortigen Entwicklungen? Kann man so tatsächlich Informationen vom Volk fern halten? Wie wirkt sich das auf die dortige Wirtschaft aus? Die Handlungsweisen totalitärer Regime bezüglich der Kontrolle von Informationsflüssen werden ja immer extremer. Wie wird sich das in Zukunft entwickeln?

    Ich glaube nicht, dass die ägyptische Gesellschaft so technologisiert ist, dass man damit die Stimmung im eigenen Volk beeinflussen kann. Es ging denke ich vorallem darum, dass man den Informationsfluss nach draußen stoppen kann. Wenn man die Demonstration zusammen knüppeln will, dann ist es nicht sehr förderlich, wenn da ein AlJazeera Livestream überträgt.



  • Achso: Mubarak wird auf jeden Fall gehen. Das ist spätestens klar, seit dem die Armee nicht seinen Befehlen folgt und sich mehr als eigener Machtapparat positioniert hat. Das sind ja grundlegende Diktatorregeln: Sobald man den Rückhalt in der Armee verloren hat und die Armee zu mächtig wird, ist man erledigt. Selbst wenn er die aktuellen Proteste übersteht, dann ist es ja einfach nur noch eine Frage bis ein paar junge Generäle die neue Machtsituation ausnutzen.


  • Mod

    Nach einer Revolution gibt es noch zwei stabile Organisationen: Militär und Kirche.

    Daher zwei Szenarien:

    1. Militärdiktatur

    Das Militär übernimmt die Macht und setzt die Diktatur mit anderen Mitteln fort.

    1. Islamisierung

    Es werden Wahlen angesetzt, gefördert durch EU und USA. Hoher Druck auf die Geschwindigkeit, daher ist der islamische Block die einzige Organisation, die landesweit Kandidaten beibringen kann. Bei den Wahlen werden auf Anhieb 40% erreicht. Danach mittelfristig Übergang Richtung Iran mit Zwischenstufe Türkei.

    Eine andere Variante sehe ich nicht.

    Es ist auch historisch gesehen wahrscheinlich. Nach Revolutionen gab es oft kurze freie Phasen, etc, aber die eigentlichen Ziele der Revolution wurden erst mit vielen Jahrzehnten Verzögerung erreicht.



  • Marc++us schrieb:

    Das Militär übernimmt die Macht und setzt die Diktatur mit anderen Mitteln fort.

    na also, gibts doch noch länder wo das klappt 😋



  • rüdiger schrieb:

    nachtfeuer schrieb:

    Der Westen müsste also auch wichtige Schritte unternehmen, wenn er es wirklich ernst meint: gezielte Investitionsspritzen, überall im Lande, die auch unten ankommen. Das dürfte aber nicht so einfach sein, erstens, z.B. wegen bestehender Lobbygruppen und korrupten Strukturen der einen Seite und der sich spreizenden Arm/Reich-Schere auf der anderen (westl.) Seite.

    👎 "Am westlichen Wesen soll die Welt genesen?" Nenene. Die Ägypter können ihre Probleme viel besser in den Griff bekommen und der Westen hat nicht die Weisheit für sich gepachtet. "Der Westen" sollte nur aufhören alle mögliche Diktaturen zu unterstützen. Sei es auch nur das wir Hilfslieferungen überall hinkarren. Die Ägypter fordern doch Änderungen, weil es ihnen wirtschaftlich so schlecht geht und nicht weil sie keine demokratischen Strukturen haben...

    Hä? 😕

    rüdiger schrieb:

    Das ist halt der Fehler der westlichen Politik gewesen. Man hat die Leute ja in die Hände der radikalen Islamisten gedrängt, weil man eben die ganzen Diktaturen unterstützt hat.

    Wieso sollte das ein Fehler gewesen sein? Im "kalten Krieg" gegen Russland, rund um Afghanistan waren die Glaubenskrieger doch meistens recht praktisch, oder auch in Indien.
    Wenn schon Fehler, dann vielleicht eher so, dass man billig in der Türkei Urlaub macht, obwohl man weiß, das Menschenrechte in diesem Lande noch recht mittelalterlich aufgefasst werden. Oder dass man einen lukrativen Nebenjob bei einem Unternehmen ergattert, welchens auch Tretminen en masse produziert und sich denkt, scheiss doch drauf.

    Das sind jetzt nur zwei plakative, möglichst allgemein verständliche Beispiele.
    Aber im internationalen Geschäft kann vieles nach hinten losgehen, das wird gerade in neueren wirtschaftlichen Entwicklungen deutlich (Chinaimporte, Flussverseuchung in Ungarn, gepanschte, faule Lebensmittel, Atomkraft/Atommüll/Müllberge usw.) Man kann versuchen, Standards zu pflanzen, oder einzufordern, solange man auch nur die kleinste Möglichkeit dazu hat.

    So eine Möglichkeit könnte ein auch Volkswagenwerk in Kairo sein, mit importierten Tarifverträgen, damit sich viele Ägyter so einen tollen Polo Blu Motion Turbodiesel leisten können ohne große Arbeitskämpfe gemacht zu haben....





  • Marc++us schrieb:

    Danach mittelfristig Übergang Richtung Iran mit Zwischenstufe Türkei.

    Nein, Iran ist vollkommen abwegig. Der Iran zeichnet sich dadurch aus, dass es schiitisch ist.

    In der iranischen Verfassung heißt es:

    In der Islamischen Republik Iran steht während der Abwesenheit des entrückten 12. Imam - möge Gott, daß er baldigst kommt - der Führungsauftrag (Imamat) und die Führungsbefugnis (welayat-e-amr) in den Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft dem gerechten, gottesfürchtigen, über die Erfordernisse der Zeit informierten, tapferen, zur Führung befähigten Rechtsgelehrten zu […]

    Was ist der zwölfte Imam? Das ist nach schiitischer Lehre der 12. Nachfolger des Propheten Mohammed, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern nie gestorben sein soll, sondern in der Verborgenheit lebt und irgendwann wieder zurück kommt. Solange vertreten ihn die Geistlichen.

    Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Muhammad_al-Mahdi

    Also wenn Ägypten zu einer Theokratie werden sollte, dann eine wie Saudi-Arabien. Außerhalb von Iran und Irak gibt es praktisch nur sunnitische Muslime, die haben nicht diese Imame. Bei denen kommt irgendwas Jesus und hält Gericht. Iran kommt also auf keinen Fall in Frage.


  • Mod

    Vielen Dank für die Aufklärung, was Schiiten und Sunniten sind, und worin sie sich bzgl ihrer persönlichen Endlösung unterscheiden. Aber das wußte ich bereits.

    Karl May: http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=19&autorid=403

    🙄



  • ---



  • earli schrieb:

    Nein, Iran ist vollkommen abwegig. Der Iran zeichnet sich dadurch aus, dass es schiitisch ist.

    Welchen bedeutenden (du redest von "abwegig") Unterschied macht das innen- und vor allem außenpolitisch?



  • Die sollen sich doch alle vertragen...



  • Sieht so aus, als ob es immer schlechter wird.


Anmelden zum Antworten