Bummelstudent Guttenberg auch noch Plagiator?





  • Erhard Henkes schrieb:

    jeder, der irgendwann mal eine Uni von innen gesehen hat, weiß, daß etwa ca. 3 Prozent aller Doktortitel erschlichen sind.

    Beweis? Ist das heute wirklich so?

    Die Zahl konnte ich eben nicht ergoogeln, aber siehe zB http://www.zeit.de/online/2009/35/betrug-doktortitel-promotion usw. Irgendwie schwirren mir die 3 Prozent im Kopf rum.

    BTW, nein, ich kenne niemanden, der seinen Doktor erschlichen hat. Ich kenne mehrere Leute, deren Doktorarbeiten ich für wissenschaftlich irrelevant halte, aber das ist eine andere Diskussion, nicht?



  • Tim schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Soweit ich das zur Zeit im Bekanntenkreis sehe regen sich aber vor allem die Doktoren auf, die ihn in Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie, Medizin, etc, gemacht haben...

    Ja, das beobachte ich auch. Witzigerweise nehmen die ihren Titel aber meist nicht wichtig.

    1. Naja, in den genannten Wissenschaften (teilweise mit Ausnahme der Medizin) steckt eben wesentlich mehr Arbeit in so einer Promotion. Das ist nicht schnell mal gemacht, indem man eine Collage aus Zeitungsartikeln anfertigt. Egal ob man die nun zitiert oder nicht. Wer in derartigen Wissenschaften promoviert, steckt da einige Jahre seines Lebens rein und muss andauernd Rückschläge und ähnliches verkraften. Derartige Arbeiten kann man nicht so geradlinig anfertigen, da es sich dort eben tatsächlich um Wissenschaft handelt. Am Schluss steht etwas neues: Etwas, was vorher kein anderer gemacht hat und was einen Erkenntnisgewinn darstellt, wenn auch fast immer nur einen sehr kleinen.

    Das Verständnis bezüglich der Frage, was einen Doktortitel ausmacht bzw. ausmachen sollte ist in diesen harten Wissenschaften ein ganz anderes als in den Geisteswissenschaften. Und dann kommt ein hochrangiger Politiker daher, der vermutlich keine Ahnung von Wissenschaft hat und macht deutlich, wie abwertend er dieser gegenübersteht. Das ist ein Angriff auf die gesamte Wissenschaft und betrifft nicht den eigenen Doktortitel, den sich jemand vielleicht über Jahre hinweg erkämpft hat.

    2. Leute bilden sich nur dann etwas auf einen Titel ein, wenn sie ihn praktisch geschenkt bekommen. Wenn man in einer Naturwissenschaft promoviert, dann kriegt man in dieser Zeit einige Dinge noch massiver vor Augen geführt, die man vermutlich auch schon im Studium realisiert. Und zwar, dass die Wissenschaft einfach riesig ist und man so oder so völlig unterlegen ist. Was soll man sich auf einen Doktortitel einbilden, wenn man immer noch sieht, dass man praktisch nichts weiß. Man sieht in dem gegebenen Bereich auch, was andere leisten. Und vermutlich lernt man Leute kennen, die einem geistig völlig überlegen sind. In so einem Umfeld ist es dann eigentlich unangebracht, den Doktortitel besonders hervorzuheben. Was will man denn damit dann ausdrücken? Ich meine, einen Titel betont man doch nur dann, wenn man sich irgendwie als überlegen oder besser darstellen will. Im allgemeinen stellt so etwas dann ein Kommunikationshindernis dar. Das möchte keiner haben. Der Punkt ist wohl auch, dass man in einer harten Wissenschaft nur dann promoviert, wenn einen die Disziplin interessiert. Man studiert so ein Gebiet sogar nur dann, wenn es einen interessiert. Eine Promotion stellt praktisch nur einen weiteren Schritt im Kennenlernen der Disziplin dar. IMHO werden Geisteswissenschaften hingegen ganz oft mit anderen Motiven studiert.



  • Daniel E. schrieb:

    Stimmt, aber ich versteh überhaupt nicht, wie man sich darüber aufregen kann. Heck, jeder, der irgendwann mal eine Uni von innen gesehen hat, weiß, daß etwa ca. 3 Prozent aller Doktortitel erschlichen sind. Wieso sollte man sich da jetzt speziell darüber aufregen, wenn es mal eine semi-bekannte Persönlichkeit erwischt hat? Versteh ich nicht (und ich versuche mich selber gerade an einer Dissertation).

    Es ist eine Sache, zu wissen, dass ein System nicht perfekt ist. Klar, schwarze Schafe gibt es überall. Das muss man wohl irgendwie akzeptieren, weil man selbst recht wenig dagegen tun kann.

    Aber es ist eine ganz andere Sache, welche Sichtweise auf die Wissenschaft von dem betroffenen Politiker vermittelt wird. Es wird dem Volk vermittelt, dass es praktisch ein Kavaliersdelikt ist, sich einen Doktortitel zu erschleichen und es wird vermittelt, dass der Doktortitel ja sowieso nichts wert ist. Damit zeigt man seine Geringschätzung gegenüber der gesamten wissenschaftlichen Klasse.

    In einem Land, dessen Hauptressource eine hohe Bildung und ein hohes Niveau der Wissenschaft ist, ist das nicht in Ordnung. Wenn man als Partei früher den Begriff der "Bildungsnation" betont hat und ihn als einen Charakterzug Deutschlands dargestellt hat bzw. als etwas, das man anstreben sollte, dann kann man nicht kurze Zeit später eine derartige Geringschätzung gegenüber der Wissenschaft dulden.



  • Gregor schrieb:

    Aber es ist eine ganz andere Sache, welche Sichtweise auf die Wissenschaft von dem betroffenen Politiker vermittelt wird. Es wird dem Volk vermittelt, dass es praktisch ein Kavaliersdelikt ist, sich einen Doktortitel zu erschleichen und es wird vermittelt, dass der Doktortitel ja sowieso nichts wert ist. Damit zeigt man seine Geringschätzung gegenüber der gesamten wissenschaftlichen Klasse.

    Gregor, ich will nicht so sehr über Guttenberg diskutieren (der gerne wieder in ein Loch nach Franken verschwinden darf, wenn's nach mir geht), aber ich finde die Argumentation absolut nicht überzeugend. Akademische Diskussion :).

    Nehmen wir zB. an, ein Minister sagt am Biertisch, daß er Physik für Blödsinn hält und "zeigt damit seine Geringschätzung gegenüber der gesamten wissenschaftlichen Klasse." Das sollte also die gleiche Reaktion auslösen? Come on.

    Oder drehen wir doch deine Interpretation einfach um: offenbar bedeutet dem Minister der Dr. so viel und erachtet ihn für so wahnsinnig wertvoll, daß er sogar bereit ist, die moralischen und/oder rechtlichen Grenzen etwas zu übertreten. Aber er wünscht sich die Akzeptanz der Gruppe so sehr, darum betrügt er (weil die eigene geistige Kapa war halt nicht da). Warum sollte er das tun, wenn er die Wissenschaftler alles für Pfeifen hält? Zugegeben, ist ähnlich weit an den Haaren herbeigezogen.

    Das ganze Argument kommt mir so vor, als hätte man einen Politiker dabei erwischt, wie er seine Frau betrügt und fabuliert dann etwas von Geringschätzung gegenüber der christlich-europäischen Gesellschaftsordnung, der Institution der Ehe usw. Und ein großer Lügner dazu. Und das ist einfach Unfug, man macht's halt, weil man denkt, nicht erwischt zu werden, die Ehefrau langweilig und die Gelegenheit da ist. Der Rechtsstatus ist auch nicht so wahnsinnig anders ...

    Und hey, das waren ja auch teilweise die Argumente, wie damals über Bill Clinton geredet wurde. Und doch ging es dabei letztlich nur darum, einen Ruf zu beschädigen, sonst wäre es jedem dermaßen wurscht gewesen. Und bei der Diss von Martin Luther King das gleiche.



  • ..



  • Hi,

    Daniel E. schrieb:

    Gregor, ich will nicht so sehr über Guttenberg diskutieren (der gerne wieder in ein Loch nach Franken verschwinden darf, wenn's nach mir geht), aber ich finde die Argumentation absolut nicht überzeugend. Akademische Diskussion :).

    für den einen oder anderen geht es auch vermutlich darum, dass der bewusst und offensichtlich gelogen hat, oder eben unter Realitätsverlust leidet. Dass er mit seinem Verhalten den wissenschaftlichen Betrieb diskreditiert hat, ist natürlich ein zusätzlicher gravierender Faktor. Für mich sind aber das offensichtliche Lügen und die Uneinsichtigkeit der eigentliche Kritikpunkt, von daher eher weniger akademisch geprägt.

    Aber letzten Endes gibt es auf jeder Ebene an Guttenberg etwas auszusetzen. 😉



  • Daniel E. schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Soweit ich das zur Zeit im Bekanntenkreis sehe regen sich aber vor allem die Doktoren auf, die ihn in Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie, Medizin, etc, gemacht haben...

    Stimmt, aber ich versteh überhaupt nicht, wie man sich darüber aufregen kann. Heck, jeder, der irgendwann mal eine Uni von innen gesehen hat, weiß, daß etwa ca. 3 Prozent aller Doktortitel erschlichen sind. Wieso sollte man sich da jetzt speziell darüber aufregen, wenn es mal eine semi-bekannte Persönlichkeit erwischt hat? Versteh ich nicht (und ich versuche mich selber gerade an einer Dissertation).

    Guttenberg ist weder der erste, noch der letzte, noch der bekannteste Plagiator. Weiterhin verstehe ich auch nicht, warum das negativ für alle anderen Lebens- und Arbeitsbereiche von Guttenberg abfärben sollte. Es würde doch auch niemand sagen, daß Martin Luther King ein notorischer Lügner war, dem man nicht vertrauen kann, nur weil er seine Diss abgeschrieben hat. Stattdessen bleibt von ihm, daß er ein Mensch mit Fehlern, aber auch einer der wichtigsten und positivsten Gestalten des letzten Jahrhunderts war. Daß von Guttenberg nicht viel mehr bleibt, als ein aufgeblasenes Ego, das ist eine ganz andere Diskussion.

    BTW: Medizin? Das ist doch der Schmalspurdoktortitel schlechthin.

    Das Problem ist, dass jetzt alle sagen: "Guttenberg ist ein schlechter Wissenschaftler, aber er war doch ein guter Minister."

    Das ist falsch. Er war nie ein guter Minister. Zum Glück beschäftigt sich jetzt endlich mal die Presse - 2 Jahre zu spät - mit diesem Hochstapler. Sein ganzer Lebenslauf ist eine Fälschung, seine angebliche wirtschaftliche Kompetenz beschränkt sich auf das Verwalten des eigenen Familienvermögens. Und er war zuerst Wirtschaftsminister!
    Und seine Arbeit als Verteidigungsminister beschränkt sich auf dem Umbau der Bundeswehr von einer Volksverteidigung durch Wehrpflicht hin zu einer Eingreiftruppe aus Berufskillern, was weder finanziell machbar noch ethisch wünschenwert ist.

    Nachtrag:
    Dass 3 % der Titel falsch sind, kann gut möglich sein. Das finde ich aber eine beeindruckend niedrige Quote, wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, so eine Arbeit zuverlässig zu prüfen.
    Und dann gibt es sehr verschiedene Titel. Bei einem Titel der Theologie kommt es eher darauf an, einer Kirche in den Arsch zu kriechen, als wirklich wissenschaftlich interessante, neue Erkenntnisse herauszustellen.

    Das rechtfertigt aber alles nicht den Einzelfall. Nur weil es tausende Diebstahlfälle und Morde pro Jahr gibt, ist das lange kein Grund, Diebe und Mörder zu verschonen.



  • earli schrieb:

    Das Problem ist, dass jetzt alle sagen: "Guttenberg ist ein schlechter Wissenschaftler, aber er war doch ein guter Minister."

    Nö, ich sag das jedenfalls nicht.

    CarstenJ: Weil er gelogen hat? Ein Politiker? Reality Check: Schau dir mal die letzten 10 Jahre an Untersuchungsausschüssen, da bleiben recht wenig, denen man nicht mindestens einen flapsigen Umgang mit der Wahrheit nachsagen kann. Trotzdem ist die Empörung zB. des Wahllügen-Untersuchungsausschusses natürlich inszeniert. Das war ja gerade mein Punkt.



  • Kennt sich jemand strafrechtlich aus, was KT nun eigentlich genau begangen hat?
    Ist es "Diebstahl von geistigem Eigentum" und "Betrug"? Was steht darauf? Ein anderer CDU-Politiker musste 9000 Euro zahlen, und seine Politikerkarriere endete.

    Wann genau muss Merkel ihn entlassen? Oder kann man auch Kriminelle regieren lassen? Vielleicht nur als Kriegsminister im Sinne eines Söldneranführers?



  • Daniel E. schrieb:

    earli schrieb:

    Das Problem ist, dass jetzt alle sagen: "Guttenberg ist ein schlechter Wissenschaftler, aber er war doch ein guter Minister."

    Nö, ich sag das jedenfalls nicht.

    CarstenJ: Weil er gelogen hat? Ein Politiker? Reality Check: Schau dir mal die letzten 10 Jahre an Untersuchungsausschüssen, da bleiben recht wenig, denen man nicht mindestens einen flapsigen Umgang mit der Wahrheit nachsagen kann. Trotzdem ist die Empörung zB. des Wahllügen-Untersuchungsausschusses natürlich inszeniert. Das war ja gerade mein Punkt.

    Keiner sagt, dass die anderen Lügen ok wären. Der Unterschied ist, dass man meistens keine Möglichkeit hat, dagegen vorzugehen. Gelogen hat auch Guttenberg schon bei Amtsantritt, das wusste sogar das Fernsehen schon damals.

    Der Unterschied ist:
    Diesmal kann sich der Täter nicht herauslügen und die Schuld nicht auf andere schieben. Und er hat klar gegen Gesetze und Ordnungen verstoßen, wofür er geahndet werden kann.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Kennt sich jemand strafrechtlich aus, was KT nun eigentlich genau begangen hat?
    Ist es "Diebstahl von geistigem Eigentum" und "Betrug"? Was steht darauf? Ein anderer CDU-Politiker musste 9000 Euro zahlen, und seine Politikerkarriere endete.

    Wann genau muss Merkel ihn entlassen? Oder kann man auch Kriminelle regieren lassen? Vielleicht nur als Kriegsminister im Sinne eines Söldneranführers?

    "Diebstahl von geistigem Eigentum" gibt es nicht. Es geht nicht um Vervielfältigung, das wäre in der Tat kein zu schwerer Delikt. Das wäre höchstens interessant, wenn er mit dem Buch Geld verdient.

    Das Problem ist, dass es ein "Plagiat" ist. Plagiat heißt, dass er behauptet hat, dass dieser Text seine Leistung wäre. Diese angebliche Leistung ist der Grund, warum er einen Titel bekommen hat. Es ist also ein Betrug.



  • Hi,

    Daniel E. schrieb:

    Weil er gelogen hat? Ein Politiker? Reality Check: Schau dir mal die letzten 10 Jahre an Untersuchungsausschüssen, da bleiben recht wenig, denen man nicht mindestens einen flapsigen Umgang mit der Wahrheit nachsagen kann. Trotzdem ist die Empörung zB. des Wahllügen-Untersuchungsausschusses natürlich inszeniert. Das war ja gerade mein Punkt.

    bitte keine Diskussion über Lügen in der Politik. Selbst ich als Nichtstudierter habe mitbekommen, dass das Gang und Gäbe ist. Auch die Inszenierung gehört dazu, gar keine Frage. Allerdings finde ich es in diesem Fall so dermaßen offensichtlich und dreist, dass man sich als Wähler/Bürger/Mensch so verarscht vorkommt, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe.

    Aber natürlich mag das jeder anders empfinden.



  • earli schrieb:

    Gelogen hat auch Guttenberg schon bei Amtsantritt, das wusste sogar das Fernsehen schon damals.

    Ich muss blind sein, ich seh seine Lüge nicht... ich höre nur Familienunternehme und denke an max. sieben Leute und der Rest würde von den Medien dazugedichtet.



  • earli schrieb:

    Diesmal kann sich der Täter nicht herauslügen und die Schuld nicht auf andere schieben.

    Macht er das nicht gerade? Sagt er nicht, dass er wohl beim Anfertigen der Arbeit nicht sorgsam genug war? Weil ihn seine Familie überlastet hat? Er gibt ja kein vorsätzliches Verhalten zu. Ich frage mich ehrlich gesagt, für wie blöd der das Volk hält.



  • ..



  • earli schrieb:

    Kennt sich jemand strafrechtlich aus, was KT nun eigentlich genau begangen hat?

    Das Problem ist, dass es ein "Plagiat" ist. Plagiat heißt, dass er behauptet hat, dass dieser Text seine Leistung wäre. Diese angebliche Leistung ist der Grund, warum er einen Titel bekommen hat. Es ist also ein Betrug.

    Eins kann man sicher sagen: Betrug ist es nicht.



  • ..



  • Bashar schrieb:

    earli schrieb:

    Kennt sich jemand strafrechtlich aus, was KT nun eigentlich genau begangen hat?

    Das Problem ist, dass es ein "Plagiat" ist. Plagiat heißt, dass er behauptet hat, dass dieser Text seine Leistung wäre. Diese angebliche Leistung ist der Grund, warum er einen Titel bekommen hat. Es ist also ein Betrug.

    Eins kann man sicher sagen: Betrug ist es nicht.

    Meintest Du "Betrug im strafrechtlichen Sinne ist es nicht."?



  • volkard schrieb:

    Meintest Du "Betrug im strafrechtlichen Sinne ist es nicht."?

    Versuch einfach, den Kontext, in dem ich das gesagt habe, nachzuvollziehen.


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