Werden Roboter uns ersetzen?



  • Hi Arcoth,

    Arcoth schrieb:

    Ne, einen menschlichen Körper kann man nicht "vortaeuschen", ohne einen echten Körper zu verwenden. Und dann ist es ein Mensch. Ich denke, interessanter wäre es, den Turing Test zu bestehen.

    Was ist, wenn man auf Basis menschlicher Gene einen Pseudomenschen baut (genauer züchtet), der alles hat, was ein echter Mensch auch hat, bis auf die Ausnahme einer leeren Hirnaschale? Da eine entsprechende Zentraleinheit rein und das Rückenmark über nen "USB-Stecker" angeflanscht.
    Wenn man die Zentraleiheit auf Basis organischer Zellen realisiert, dann kann er den gesamten Henke-Test bestehen, ansonsten würde er lediglich bei Punkt 4 scheitern.

    Ich denke schon, dass man auf dem Wege einen echten menschlichen Körper vortäuschen kann. Und ich vermute sogar, dass das einer der ersten Wege zu einem erfolgreichen Humanoiden Roboter sei wird, zum einen weil außer dem Anflanschen des Rückrates keine weiteren Probleme bestehen, und man kann problemlos für die Züchtung menschliches Genom verwenden und braucht nur den Teil für die Gehirnentwicklung eliminieren oder abschalten.
    Auch gäbe es auf diesem Wege die geringsten Anpassungsschwierigkeiten. Alle Arbeitsplätze die für Menschen gemacht wurden können für sie ohne jede Änderung übernommen werden, die Fertigung könnte nach den ersten paar hundert Stück eingestellt werden und auf natürlichem Wege aufrechterhalten werden.
    Außerdem könnten sie bei Bedarf auch als geeignete Ersatzteilspender fungieren, so dass man nicht auf "echte" Menschen zurückgreifen muss.
    Einziger Nachteil würe der im Vergleich zu konventionellen Maschinen geringere Wirkungsgrad. Sie werden also nicht direkt fertigend auftreten, sondern wie der Mensch fertigungssteuernd und -lenkend fungieren.

    Gruß Mümmel


  • Mod

    muemmel schrieb:

    Ich denke schon, dass man auf dem Wege einen echten menschlichen Körper vortäuschen kann. Und ich vermute sogar, dass das einer der ersten Wege zu einem erfolgreichen Humanoiden Roboter sei wird, zum einen weil außer dem Anflanschen des Rückrates keine weiteren Probleme bestehen, und man kann problemlos für die Züchtung menschliches Genom verwenden und braucht nur den Teil für die Gehirnentwicklung eliminieren oder abschalten.

    Vermutlich zu viel Aufwand, um dann minderwertige Hardware steuern zu können. Wahrscheinlicherer Pfad: Durch immer bessere Prothesen sind diese bald der menschlichen Hardware überlegen. Um mit Prothesenträgern mithalten zu können entsteht gesellschaftlicher Druck, auch gesunde Menschen mit diesen auszustatten, zuerst voraussichtlich im Leistungssport; später dann auch Akzeptanz dieses Verhaltens als Normalität; noch später wird das Verzichten auf kybernetische Verbesserungen als exzentrisches Verhalten gelten. Dann kann man auch leicht eine eventuelle KI in einen Prothesenkörper einbauen.

    Bzgl. Seele & Co.: Die Annahme, dass etwas, das auf Mikro- bis Nanometerskalen operiert irgendwelche unbekannten physikalischen Prozesse benutzen könnte, ist schon sehr gewagt, wenn die Grenze der gut verstandenen Physik 6-10 Größenordnungen kleiner ist. Wer da gar mystisch-magische Vorgänge vermutet, sollte aus der aufgeklärten Gesellschaft auswandern. Das Ding ist bloß furchtbar komplex, weil es aus mehreren Kilogramm an solchen Mikrometerverschaltungen besteht.



  • SeppJ schrieb:

    Bzgl. Seele & Co.: Die Annahme, dass etwas, das auf Mikro- bis Nanometerskalen operiert irgendwelche unbekannten physikalischen Prozesse benutzen könnte, ist schon sehr gewagt, wenn die Grenze der gut verstandenen Physik 6-10 Größenordnungen kleiner ist. Wer da gar mystisch-magische Vorgänge vermutet, sollte aus der aufgeklärten Gesellschaft auswandern. Das Ding ist bloß furchtbar komplex, weil es aus mehreren Kilogramm an solchen Mikrometerverschaltungen besteht.

    Es gibt eine Geschichte im Islam/Arabischen, wo Ameisen versuchen zu ergründen, wo die Schrift herkommt..
    (wie weit kommen sie?)
    Interessant: Wenn spätere Roboter oder künstliche Menschen schreiben, dann können sie es in erster Linie (wahrscheinlich) deshalb, weil wir es konnten.
    (auch wenn wir ausssterben sollten.)
    (oder es entwickelt sich etwas neues ähnlich wie Hochfrequenzhandel/Quantencomputing usw.)
    (wieso das Handy/Smartphone/Handheld noch vor die Nase halten müssen?)



  • http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/digitalisierung-kollege-roboter-soll-aussehen-wie-ein-mensch-14790157.html
    Wie stellt sich Mensch seinen AI Kollegen vor? Berechenbar, sexuell neutral, menschenähnlich, aber nicht völlig. 😃 😉


  • Mod

    nachtfeuer schrieb:

    Interessant: Wenn spätere Roboter oder künstliche Menschen schreiben, dann können sie es in erster Linie (wahrscheinlich) deshalb, weil wir es konnten.
    (auch wenn wir ausssterben sollten.)
    (oder es entwickelt sich etwas neues ähnlich wie Hochfrequenzhandel/Quantencomputing usw.)
    (wieso das Handy/Smartphone/Handheld noch vor die Nase halten müssen?)

    Ich denke, "Schreiben" kann in Fall der KIs nur noch im Sinne von "Schreiben auf Festplatten" verstanden werden, niemals Schrift in der Art der menschlichen Schrift, außer eben um mit Menschen zu kommunizieren. Denn Schrift ist vor allem für zwei Dinge gut:
    1. Speicherung von komplexen Informationen für späteren Abruf.
    2. (ist zwar abgeleitet von 1., aber so immens wichtig, dass es einen eigenen Punkt verdient) Asynchrone Weitergabe von Information.

    Eine KI muss nicht unbedingt wie ein Computer funktionieren, aber man sollte annehmen, dass sie sehr leicht direkt mit Computertechnik arbeiten kann, und dass sie höchstwahrscheinlich stets Computertechnik verfügbar haben wird, weil sie höchstwahrscheinlich daraus gebaut sein wird. Punkt 1 entfällt daher, denn Speicherung von Informationen in Computertechnik erfüllt den gleichen Zweck aber viel besser. Und damit entfällt auch Punkt 2, denn mit Computertechnik ist dies ebenfalls genau so gut oder gar besser machbar. Ein paar Extremszenarien kann ich mir aus den Fingern saugen, bei denen eine Speicherform von Vorteil sein kann, die man ohne technische Hilfsmittel lesen kann, aber das sind unrealistische Einzelbeispiele, a la "gestrandet auf einer einsamen Insel".



  • @SeppJ: Werden Roboter uns ersetzen können? Das ist die Frage.



  • SeppJ schrieb:

    ..denn mit Computertechnik ist dies ebenfalls genau so gut oder gar besser machbar.

    Das ist die Frage bei derzeitiger Betrachtung der Digitalisierung der Büchereien und bei der generelle wissenschaftlichen Betrachtung der Datenintegration.
    Die Büchereien brauchen ständig neue Technik und Abspielgeräte für die Datenträger.
    Generell senden die Nervenzellen Digital, haben aber bereits eine Ökonomie gefunden, Datenintegration uvm.
    Aber man müsste vielleicht die Bibel umschreiben a la
    "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort".
    -> Am Anfang war die Zahl..


  • Mod

    nachtfeuer schrieb:

    SeppJ schrieb:

    ..denn mit Computertechnik ist dies ebenfalls genau so gut oder gar besser machbar.

    Das ist die Frage bei derzeitiger Betrachtung der Digitalisierung der Büchereien und bei der generelle wissenschaftlichen Betrachtung der Datenintegration.

    Das dachte ich mir schon, dass dieser Einwand kommen würde und hatte schon im vorherigen Beitrag eine vorauseilende Erwiderung angefangen, bevor es mir zu lang wurde.

    Gedanken dazu:

    • KIs wären wahrscheinlich wortwörtlich aus Computertechnik aufgebaut. Ein Verlust des Wissens, wie man gewisse Datenträger liest, wäre eben so unwahrscheinlich wie der Verlust einer menschlichen Gesellschaft, eine Schrift zu lesen. Es müsste schon ein katastrophales Ereignis auftreten.
    • Letzteres ist ja tatsächlich schon öfters vorgekommen. Es gibt viele Texte, die wir nicht mehr lesen können, weil ganze Kulturen ausgestorben sind. Es hat uns auch nicht wirklich geschadet; alles was super-wichtig ist hat man sowieso im Kopf und den Verlust historischer Aufzeichnungen kann man verkraften.
    • Mit Zeit und Mühe waren Archäologen trotzdem in der Lage, viele dieser Schriften wieder zu entziffern. Eine KI wäre sicher ebenfalls in der Lage, sich zu erschließen, wie man Bitmapdaten von einer Lochkarte liest, selbst wenn sie beide Konzepte nicht mehr kennt.
    • Also hat man letztlich auch bei menschlichen Schriften die gleichen Probleme wie bei digitalen Daten. Bloß sind die Zeiträume, in denen potentieller Verfall auftritt, viel kürzer. Das stört und Menschen, weil es nun Zeiträume sind, die zu unserer Lebzeit wichtig werden können. Eine KI hatte sicher ein schnelleres Zeitempfinden. Ihre Aufzeichnungen von vor 50 Jahren wären ihr vermutlich genau so wichtig wie uns die Aufzeichnungen der alten Sumerer. Nice to have, aber nicht wirklich wichtig.

  • Mod

    Erhard Henkes schrieb:

    @SeppJ: Werden Roboter uns ersetzen können? Das ist die Frage.

    Wurde das nicht vor langer Zeit ausreichend diskutiert? Ich sehe auf den letzten Seiten vor allem zwei Dinge: Metaphysischen Religionsquatsch; und interessante Fragestellungen von nachtfeuer, wie die Gesellschaft der Roboterintelligenz aussehen könnte. Es sollte klar sein, an welchen dieser Diskussionszweige ich mich beteiligen werde.



  • SeppJ schrieb:

    Bzgl. Seele & Co.: Die Annahme, dass etwas, das auf Mikro- bis Nanometerskalen operiert irgendwelche unbekannten physikalischen Prozesse benutzen könnte, ist schon sehr gewagt, wenn die Grenze der gut verstandenen Physik 6-10 Größenordnungen kleiner ist. Wer da gar mystisch-magische Vorgänge vermutet, sollte aus der aufgeklärten Gesellschaft auswandern. Das Ding ist bloß furchtbar komplex, weil es aus mehreren Kilogramm an solchen Mikrometerverschaltungen besteht.

    "mystisch-magisch" ist ein abwertendes Wort für eine sehr präzise ausgearbeitete Theorie über quantenmechanische Effekte in der Neurotransmitter Emission (die in ihrer ursprünglichen Form übrigens widerlegt wurde, was insofern gut ist, als dass es zeigt, das die These falsifizierbar ist).

    Ich weiß nicht warum, aber du scheinst wohl jede Form von nicht-Materialismus in dieselbe Tonne zu treten wie Religion, und das finde ich bedauerlich. Ist dir eigentlich klar, dass du dich in die selbe Mentalität verstrickst wie religiöse Christen, wenn du alle anderen Weltbilder einfach als antiken Quatsch abstempelst?


  • Mod

    Arcoth schrieb:

    Ich weiß nicht warum, aber du scheinst wohl jede Form von nicht-Materialismus in dieselbe Tonne zu treten wie Religion, und das finde ich bedauerlich. Ist dir eigentlich klar, dass du dich in die selbe Mentalität verstrickst wie religiöse Christen, wenn du alle anderen Weltbilder einfach als antiken Quatsch abstempelst?

    Ich beziehe mich vor allem auf das, was Erhard Henkes so schreibt. Wer ernsthaft annimmt, dass das menschliche Gehirn irgendeine Eigenschaft hätte, die prinzipiell nicht von der Schulphysik beschrieben werden kann oder prinzipiell nicht von einer Maschine nachgemacht werden kann, der hat ernsthafte Probleme. Ganz besonders dann, wenn der Grund für diese Annahmen da drin liegt, dass sie irgendwelche antiken Märchenbücher für volle Wahrheit nehmen.

    Ich habe diesen Teil der Diskussion aber auch nur quer gelesen, mag sein, dass ich hier irgendjemanden Unrecht tue mit diesen Vorwürfen, da ich ihre Beiträge nicht aufmerksam verfolgt habe.

    Meine grundlegende Ablehnung von diesem Zeug sollte nicht als Dogmatismus fehlverstanden werden. Irgendwann habe ich mich schon einmal ernsthaft damit beschäftigt und die Sache für Unsinn befunden. Diese Übung muss ich nicht jedes Mal ausführlich wiederholen, wenn wieder jemand damit ankommt. Das wäre Zeitverschwendung. Wie man so schön sagt: Ein einziger Idiot kann an einem Tag mehr Unsinn verzapfen, als alle Wissenschaftler der Welt widerlegen können.

    Und daher ist die abwertende Bezeichnung als "mystisch-magisch" auch absolut beabsichtigt, da es mit wenigen Worten sagt, wieso ich darauf nicht ernsthaft eingehe.



  • SeppJ schrieb:

    Meine grundlegende Ablehnung von diesem Zeug sollte nicht als Dogmatismus fehlverstanden werden. Irgendwann habe ich mich schon einmal ernsthaft damit beschäftigt und die Sache für Unsinn befunden. Diese Übung muss ich nicht jedes Mal ausführlich wiederholen, wenn wieder jemand damit ankommt.

    Ich hab keine Ahnung was am Tunneleffekt in synaptischer Neurotransmitteremission Unsinn sein soll.

    Außerdem scheint deine Einstellung zu suggerieren, dass Erkenntnis ein einmaliger Prozess ist, und das ist Quatsch.



  • Arcoth schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Meine grundlegende Ablehnung von diesem Zeug sollte nicht als Dogmatismus fehlverstanden werden. Irgendwann habe ich mich schon einmal ernsthaft damit beschäftigt und die Sache für Unsinn befunden. Diese Übung muss ich nicht jedes Mal ausführlich wiederholen, wenn wieder jemand damit ankommt.

    Ich hab keine Ahnung was am Tunneleffekt in synaptischer Neurotransmitteremission Unsinn sein soll.

    Das ist natürlich kein Unsinn, nur offeriert der quantenmechanisch und mathematisch gut verstandene Tunneleffekt keine Erklärung für allerlei Bewusstseinsfragen und dergleichen, sondern macht lediglich probabilistische Aussagen für die Übergangsamplituden des Aufenthaltsortes von Elektronen in einer Potentiallandschaft. Was du da hineininterpretierst, ist deine Sache - aber von der Physik bekommst du da keine Unterstützung mehr, da sie darüber keine Aussage macht.

    Arcoth schrieb:

    Außerdem scheint deine Einstellung zu suggerieren, dass Erkenntnis ein einmaliger Prozess ist, und das ist Quatsch.

    Spekulationen erbringen nun mal keine Erkenntnis. SeppJ zieht, denke ich, einfach Unwissenheit in Fragen vor, die die Physik (noch) nicht oder nie beantworten kann. Das ist keine ganz unübliche Haltung unter Physikern.



  • @SeppJ: mich würde deine Meinung zu der von Arcoth genannten Theorie von Eccles schon interessieren.
    Wobei ich doch davon ausgehen muss, dass das zu vage ist, um das als Theorie zu bezeichnen.



  • Jodocus schrieb:

    Arcoth schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Meine grundlegende Ablehnung von diesem Zeug sollte nicht als Dogmatismus fehlverstanden werden. Irgendwann habe ich mich schon einmal ernsthaft damit beschäftigt und die Sache für Unsinn befunden. Diese Übung muss ich nicht jedes Mal ausführlich wiederholen, wenn wieder jemand damit ankommt.

    Ich hab keine Ahnung was am Tunneleffekt in synaptischer Neurotransmitteremission Unsinn sein soll.

    Das ist natürlich kein Unsinn, nur offeriert der quantenmechanisch und mathematisch gut verstandene Tunneleffekt keine Erklärung für allerlei Bewusstseinsfragen und dergleichen, sondern macht lediglich probabilistische Aussagen für die Übergangsamplituden des Aufenthaltsortes von Elektronen in einer Potentiallandschaft. Was du da hineininterpretierst, ist deine Sache - aber von der Physik bekommst du da keine Unterstützung mehr, da sie darüber keine Aussage macht.

    Das ist doch klar, Physik ist nur ein Modell. Worum es in solchen Theorien geht, ist, den freien Willen und die Irreduzibilität der Seele durch die probabilistische Natur der quantenmechanischen Vorgänge in zwischenneuronalen Verbindungsstücken formal zu fundieren. Ich möchte aufzeigen, dass solche Thesen nicht auf Hokuspokus beruhen, sondern tatsächliche, sehr ausgeklügelte Modelle für die Interaktion des Bewusstseins mit dem Nervengewebe liefern (wobei das Bewusstsein quasi als Wahrscheinlichkeitsfeld interpretiert wird). Ich finde das nicht nur faszinierend sondern auch äußerst plausibel, und deutlich angenehmer als eine Form des Materialismus oder gar Behaviorismus, weil sie nicht nur auch (etwas höher entwickelten) Tieren ein Bewusstsein zusprechen kann, sondern auch alle solchen Tiere (uns inklusive) in ethischer Hinsicht von einer Fleischmasse abhebt und von einer Maschine unterscheidet: wir müssen uns nicht darum kümmern, eine KI "verletzen" zu können, egal wie komplex und menschenähnlich sie ist.



  • Aha. Solange ich keine falsifizierbaren Aussagen und zahlreiche reproduzierbare Experimente zu sehen bekomme, die ein solches "Bewusstein als Wahrscheinlichkeitsfeld" (was auch immer) überprüfen, bleibt es dabei, dass ich mich in Unwissenheit wähne. Sehr interessante Theorie, oder eben nicht.


  • Mod

    Ich lese es jetzt nicht genau durch, da ich Theorien dieser Art schon sehr oft gehört habe. Falls der Fall hier anders liegen sollte, dann bitte sagen. Diese ganzen Ideen mit quantenmechanischer Unsicherheit = Freier Wille haben alle einen großen Haken: Das Gehirn ist ziemlich groß. Ein Nerv ist ziemlich groß. Ein Axon ist auch noch ziemlich groß. Die ganze Funktionsweise der Signalübergangswege zwischen Nerven, mit ihren Schwellpotentialen und so weiter, scheint doch eher sehr stark darauf ausgelegt, solche Mikroeffekte bezüglich der Aufhenthaltswahrscheinlichkeit einzelner Elektronen möglichst stark abzuschwächen, selbst wenn jedes Einzelereignis sich natürlich auf solche Effekt zurück führen lässt. Das sind makroskopische Schaltvorgänge, die vom kollektiven Verhalten einer großen Anzahl von Teilen geprägt werden, nicht von einzelnen Zufallsbewegungen, selbst wenn die Dynamik eines jeden Einzelteils davon dominiert wird. Selbst wenn mal ein Axon zufällig feuern sollte, würde dies immer noch im großen Verbund aller Nerven untergehen. Ebenso die Frage, ob ein Axon nun eine Picosekunde früher oder später feuert, wenn der ganze Vorgang ungleich länger dauert. Solche Überlegungen sind ähnlich der Überlegung, dass es unmöglich ist, den genauen Quantenzustand eines Glases Wasser voraus zu sagen. Man kann trotzdem praktisch perfekt voraussagen, wie sich das Gesamtsystem verhalten wird.

    Arcoth schrieb:

    Ich finde das nicht nur faszinierend sondern auch äußerst plausibel, und deutlich angenehmer als eine Form des Materialismus oder gar Behaviorismus, weil sie nicht nur auch (etwas höher entwickelten) Tieren ein Bewusstsein zusprechen kann, sondern auch alle solchen Tiere (uns inklusive) in ethischer Hinsicht von einer Fleischmasse abhebt und von einer Maschine unterscheidet: wir müssen uns nicht darum kümmern, eine KI "verletzen" zu können, egal wie komplex und menschenähnlich sie ist.

    Die Wirklichkeit richtet sich aber nicht danach, was irgendjemand als schöner oder ethischer empfindet.

    Ein Gedankenexperiment für dich:
    Hat nach diesen Überlegungen eine Amöbe freien Willen? Ein Fadenwurm? Ein Insekt? [...Lange Kette von Fragen mit immer komplexeren Nervensystemen...] Ein Schimpanse? Ein Mensch? Ein Übermensch?
    An welcher Stelle (ungefähr) kommt man von Nein zu Ja und warum?



  • SeppJ schrieb:

    Ein Gedankenexperiment für dich:
    Hat nach diesen Überlegungen eine Amöbe freien Willen? Ein Fadenwurm? Ein Insekt? [...Lange Kette von Fragen mit immer komplexeren Nervensystemen...] Ein Schimpanse? Ein Mensch? Ein Übermensch?
    An welcher Stelle (ungefähr) kommt man von Nein zu Ja und warum?

    Dir ist klar, dass freier Wille doch einem Bewusstsein entspringt, die Verbindung des Bewusstseins zum Nervensystem aber eben durch den Indeterminismus zustande kommt? Die Entwicklung einer komplexen zerebralen Struktur kommt einher mit der Entwicklung eines Bewusstseins, und hier wirst du mir wahrscheinlich sowieso zustimmen. (Die von dir gestellte Frage legt nahe, dass du an gar kein Bewusstsein glaubst? Sonst müsstest du sie dir selbst stellen.)

    Solche Überlegungen sind ähnlich der Überlegung, dass es unmöglich ist, den genauen Quantenzustand eines Glases Wasser voraus zu sagen. Man kann trotzdem praktisch perfekt voraussagen, wie sich das Gesamtsystem verhalten wird.

    Perfekt? Oder nur insignifikant schlecht? Ich habe unlängst mit einem Postdoc der um Fluid Mechanics herum arbeitet gesprochen, und der meinte IIRC auch zu mir, dass man die Bewegung von Wasser in einem Glas perfekt berechnen kann (ich glaube mich zu erinnern, dass das auch mit seiner Arbeit verwandt war), was mich erstaunt hat.

    Arcoth schrieb:

    Ich finde das nicht nur faszinierend sondern auch äußerst plausibel, und deutlich angenehmer als eine Form des Materialismus oder gar Behaviorismus, weil sie nicht nur auch (etwas höher entwickelten) Tieren ein Bewusstsein zusprechen kann, sondern auch alle solchen Tiere (uns inklusive) in ethischer Hinsicht von einer Fleischmasse abhebt und von einer Maschine unterscheidet: wir müssen uns nicht darum kümmern, eine KI "verletzen" zu können, egal wie komplex und menschenähnlich sie ist.

    Die Wirklichkeit richtet sich aber nicht danach, was irgendjemand als schöner oder ethischer empfindet.

    Sehr richtig, und ich messe der Wahrheit eine größere Bedeutung bei als irgendjemandes Wohlbefinden. Aber es gibt gute, objektive Argumente gegen Materialismus. Wie bereits erwähnt (glaube ich), siehe Popper und Eccles gemeinsames Werk, Kapitel 3, in dem auf 45 Seiten Kritik am Materialismus aufgeführt wird, besonders Haldanes revidiertes Argument, und natürlich die Analyse der Welt 3 (intellektuelle Errungenschaften wie Kunst oder Mathematik), die ein Materialist als unwirklich sehen muss, da sie schließlich keinen kausalen Einfluss auf das physikalische Universum hat, das wir als kausal abgeschlossen betrachten.

    Und wenn wir uns dem Materialismus abwenden, dann kommen wir zu Interaktionismus, und der ist soweit ich sehen kann nur durch die von Eccles begründete Sparte des Quanteninteraktionismus formalisierbar.


  • Mod

    Arcoth schrieb:

    Dir ist klar, dass freier Wille doch einem Bewusstsein entspringt, die Verbindung des Bewusstseins zum Nervensystem aber eben durch den Indeterminismus zustande kommt?

    Nein, das ist mir nicht klar;, das ist eine willkürliche Verbindung, die du behauptest.

    Perfekt?

    Perfekt, außer nicht mikroskalig perfekt.

    Sehr richtig, und ich messe der Wahrheit eine größere Bedeutung bei als irgendjemandes Wohlbefinden. Aber es gibt gute, objektive Argumente gegen Materialismus. Wie bereits erwähnt (glaube ich), siehe Popper und Eccles gemeinsames Werk, Kapitel 3, in dem auf 45 Seiten Kritik am Materialismus aufgeführt wird, besonders Haldanes revidiertes Argument, und natürlich die Analyse der Welt 3 (intellektuelle Errungenschaften wie Kunst oder Mathematik), die ein Materialist als unwirklich sehen muss, da sie schließlich keinen kausalen Einfluss auf das physikalische Universum hat, das wir als kausal abgeschlossen betrachten.

    Und hier ist das Problem. Tut mir leid, wenn ich mir nicht die Zeit nehme, 45 Seiten Philosophie zu lesen. Die haben gewiss schöne Ideen, die du alle ganz toll findest. Meiner Erfahrung mit solchen Werken nach, sind die zwar alle gut durchdacht (es ist schließlich Philosophie), scheitert aber am entscheidenden Punkt: Der Modellbildung. Man kann noch so toll schlussfolgern; wenn die Anfangspostulate nicht der Wirklichkeit entsprechen, ist das Ergebnis trotzdem wertlos.

    Wie gesagt, ich habe es nicht gelesen und werde es auch nicht lesen, weil ich niemals damit nachkäme, in jedem Text, in dem Philosophen versuchen, Naturwissenschaft zu machen (oder umgekehrt), den Fehler zu suchen. Vielleicht ist es das missverstandene Werk, das mein Weltbild grundlegend ändert. Aber deine Teilzitate deuten auf das übliche Zeug hin, das ich hundert mal gelesen habe, da brauch ich nicht die 101. Variante von zu lesen.



  • Vielleicht noch als Anmerkung: ich ruhe mich schon recht lange auf dem infiniten Regress aus, dass es unserem Verstand sowieso per se nicht möglich sein kann, seine eigene Wahrnehmung oder sein Bewusstsein zu verstehen. Denn wenn ihm dies möglich wäre, so umfasse dies auch die Tatsache, dass er sich selbst verstehen kann, was er dann wiederum verstehen können müsse usw. Das ist widersinnig, da unser Verstand gewiss endlich ist. Wer einwändet, dass man so auch argumentieren könne, warum man etwa versteht, dass man versteht, dass 1+1=2 ist, so komme ich etwa auf den Schluss, dass unsere Phänomenologie unser Leben lang genau diesen Ausgang eines solchen "Experimentes" vorhersagt, sodass unser Gehirn zu keinem anderen Schluss kommen kann. Und schon haben wir die "phänomenologische" Grenze von oben erreicht, auf die sich jede Frage der Erkenntnis nach endlich vielen Schritten reduzieren lässt und deren weitere Ergründung widersinnig ist.
    Für mich ist die Frage nach dem Bewusstsein damit abgehakt - es ist, wie alles im Universum, rein materialistischer Natur und damit ist seine künstliche Schaffung nicht auszuschließen, auch wenn sie abschließend nie vollständig verstanden sein wird. Ganz ähnlich verfahre ich bei Fragen wie was außerhalb unseres Universums ist oder wie sich Materie verhält, die in keinster Weise mit Materie unseres Universums interagiert.


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