Aristotelische, Newtonsche und Einsteinsche Physik



  • In einem Buch über Wissenschaftstheorie lese ich "Einstein's theory of relativity is in some respects more similar to Aristotelian than Newtonian theory".

    Inwiefern ist dies der Fall?



  • Hier der Kontext


  • Mod

    Ach, der Kuhn. Bei all den guten Dingen die er für die Wissenschaftsphilosophie getan hat, ist seine These der Inkommensurabilität von Theorien doch hochgradig umstritten. Zurecht wie ich finde.

    Was hier wohl gemeint ist sind die ortsabhängigen Aspekte der aristotelischen Physik, bei der Bewegung relativ zu bestimmten Orten ist. Der Zusammenhang mit der einsteinschen Physik ist aber ziemlich an den Haaren herbei gezogen. Außer dem Begriff "relativ" ist meiner Ansicht nach den Theorien fast nichts gemeinsam. Zumindest viel weniger als Newton und Einstein gemeinsam haben. Aristoteles hat mehrere ausgezeichnete Orte im Universum und die Physik geschieht nach der relativen Lage der Objekte zu diesen Orten. Newton hat ausgezeichnete Geschwindigkeiten. Einstein hat ausgezeichnete Beschleunigungen. Tada! Wenn man es so formuliert hat man auf einmal eine schöne Fortschrittskette die genau das Gegenteil von der dargestellten These stützt.

    Wenn man es anders formuliert und die Gemeinsamkeiten von Einstein und Newton bewusst kleinredet und durch geschickte Wortwahl Gemeinsamkeiten zwischen Einstein und Aristoteles impliziert die nicht da sind, kann man auch leicht das Gegenteil zeigen.

    Ich fürchte du musst die Originalquelle auftreiben, sonst ist nur zu raten, welche Gemeinsamkeiten zwischen Aristoteles und Einstein er als relevant betrachtet, seine These zu stützen.



  • Gut, dann kann man das abhaken. Danke.


  • Mod

    fgfgh schrieb:

    Gut, dann kann man das abhaken. Danke.

    Ach, hak das doch nicht gleich nach einer einzigen Meinung in einem Internetforum ab. Ich wette der Herr Kuhn könnte mir ganz gut Kontra geben und genau erklären warum er natürlich Recht hat.



  • SeppJ schrieb:

    Newton hat ausgezeichnete Geschwindigkeiten. Einstein hat ausgezeichnete Beschleunigungen. Tada!

    kannst du das mal näher erklären? Einsteins c0 ist ja nun nicht gerade eine Beschleunigung ...


  • Mod

    !rr!rr_. schrieb:

    kannst du das mal näher erklären? Einsteins c0 ist ja nun nicht gerade eine Beschleunigung ...

    Aristoteles sagt: Man muss darauf achten an welchem Ort man ist um physikalische Aussagen zu machen.
    Newton sagt: Orte sind dafür unwichtig, die relative Geschwindigkeit von Objekten zu meinem Bezugssystem ist wichtig.
    Einstein sagt: Geschwindigkeit ist unwichtig, es kommt auf die relative Beschleunigung von Objekten zu meinem Bezugssystem an.



  • SeppJ schrieb:

    !rr!rr_. schrieb:

    kannst du das mal näher erklären? Einsteins c0 ist ja nun nicht gerade eine Beschleunigung ...

    Aristoteles sagt: Man muss darauf achten an welchem Ort man ist um physikalische Aussagen zu machen.
    Newton sagt: Orte sind dafür unwichtig, die relative Geschwindigkeit von Objekten zu meinem Bezugssystem ist wichtig.
    Einstein sagt: Geschwindigkeit ist unwichtig, es kommt auf die relative Beschleunigung von Objekten zu meinem Bezugssystem an.

    Kann ich gar nicht nachvollziehen. Die Sätze sind nicht kennzeichnend für die Theorien, sondern willkürlich herausgegriffen.

    Einstein sagt: Man muss darauf achten an welchem Ort man ist um physikalische Aussagen zu machen, zum Beispiel neben dem schwarzen Loch.
    Newton sagt: Orte, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind alle völlig irrelevant.
    Einstein sagt: Geschwindigkeit ist nicht unwichtiger als bei Newton.



  • ich auch nicht.

    @SeppJ:

    Niemand hat je zuvor so deutlich eine Geschwindigkeit ausgezeichnet wie Einstein mit der Lichtgeschwindigkeit.

    Man kann überhaupt nicht sagen "Geschwindigkeit ist maßgeblich und Beschleunigung nicht ..." o.ä. - das kommt immer darauf an: maßgeblich für was - Für Messungen (Zeitdilatation + Längenkontraktion usw) ? Für den Wert der Lichtgeschwindigkeit ? Für die Raumgeometrie ? usw.

    Die Unterschiede zwischen Newton und Einstein bestehen viel mehr in der Annahme bzw Ablehnung von absolutem Raum und "master clock"

    vielleicht liest du die betreffenden Stellen doch noch mal nach.



  • Naja, ich glaube nicht, daß SeppJ auf der Reihenfolge besteht, sondern nur exemplarisch zeige, was passiert, wenn...

    SeppJ schrieb:

    Wenn man es anders formuliert und die Gemeinsamkeiten von Einstein und Newton bewusst kleinredet und durch geschickte Wortwahl Gemeinsamkeiten zwischen Einstein und Aristoteles impliziert die nicht da sind, kann man auch leicht das Gegenteil zeigen.


  • Mod

    volkard schrieb:

    Einstein sagt: Man muss darauf achten an welchem Ort man ist um physikalische Aussagen zu machen, zum Beispiel neben dem schwarzen Loch.

    Das sagt er eben nicht! Einstein sagt die Physik ist an jedem Ort des Universums gleich. Newton stimmt ihm zu, in gewissen Maßen sogar Aristoteles. Aber Aristoteles meint, dass es wichtig ist, wie schnell man sich bewegt. Man kann laut Aristoteles im Inneren eines schwarzen Kastens mechanische Experimente machen die einem sagen wie schnell man sich wohin bewegt.

    Newton sagt das ist Humbug, man kann höchstens feststellen wie stark man beschleunigt, denn die Mechanik ist in allen Inertialsystemen gleich. Dies ist Kernaussage der Newtonschen Mechanik.

    Einstein findet die Idee ganz toll und verallgemeinert dies auf die ganze Physik und nennt es spezielle Relativität. Das reicht ihm aber nicht und er formuliert allgemeine Relativität. Kernaussage: "Physik ist in allen Systemen gleich". Man kann innerhalb des schwarzen Kastens noch nicht einmal feststellen, ob man beschleunigt oder nicht.

    edit: Ich hoffe euch ist nun klarer, was ich mit "auszeichnen" meinte. Aristoteles sagt halt: "Ich habe einen festen Ort gegeben und hier mache ich Physik". Newton sagt: "Ich habe ein Inertialsystem mit einer festen Geschwindigkeit gegeben und hier mache ich Physik". Und Einstein sagt: "Ich habe ein frei fallendes System gegeben, hier mache ich Physik".



  • Man kann innerhalb des schwarzen Kastens noch nicht einmal feststellen, ob man beschleunigt oder nicht.

    Aber das kann man doch.



  • Frager schrieb:

    Man kann innerhalb des schwarzen Kastens noch nicht einmal feststellen, ob man beschleunigt oder nicht.

    Aber das kann man doch.

    Woran unterscheidest Du, ob der Kasten beschleunigt wird, oder ob das nur Gravitation von zum Beispiel der Erde ist?



  • SeppJ schrieb:

    Newton sagt: "Ich habe ein Inertialsystem mit einer festen Geschwindigkeit gegeben und hier mache ich Physik".

    hmmm ... ich hätte schwören können, das mit den Inertialsystemen, die sich mit fester Geschwindigkeit bewegen, wäre der Inhalt der speziellen RT.

    SeppJ schrieb:

    Und Einstein sagt: "Ich habe ein frei fallendes System gegeben, hier mache ich Physik".

    Einstein hypothetisiert zunächst mal, daß ein Betroffener keinen Unterschied darin erkennen kann, ob er sich in einem Gravitationsfeld aufhält oder von außen beschleunigt wird. Oder eben umgekehrt: ob er der Kraftrichtung eines Gravitationsfeld in freiem Fall folgt oder von außen nicht beschleunigt wird.
    Dies ist der Inhalt der Hypothese "Träge Masse = schwere Masse".


  • Mod

    Frager schrieb:

    Man kann innerhalb des schwarzen Kastens noch nicht einmal feststellen, ob man beschleunigt oder nicht.

    Aber das kann man doch.

    Einstein sagt das man das nicht kann. Du spürst die Gravitation der restlichen Massen im Universum und nimmst dies als Beschleunigung wahr. Wäre der Rest des Universums leer, dann könntest du nicht feststellen ob du beschleunigst oder nicht. Alternativ kannst du einen Kasten konstruieren der Gravitation abschirmt, aber Einstein erklärt im gleichen Atemzug, dass man so etwas nicht bauen kann.

    !rr!rr_. schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Newton sagt: "Ich habe ein Inertialsystem mit einer festen Geschwindigkeit gegeben und hier mache ich Physik".

    hmmm ... ich hätte schwören können, das mit den Inertialsystemen, die sich mit fester Geschwindigkeit bewegen, wäre der Inhalt der speziellen RT.

    Lies nochmal genau. Das sagen beide, Newton und Einstein. Newton sagt: "Alle Physik ist in allen Inertialsystemen gleich" und er meint damit aber nur Mechanik, weil das zu jener zeit alle Physik war. Die spezielle Relativität sagt "Alle Physik ist in allen Inertialsystemen gleich". Da man inzwischen aber ein paar verrückte Sachen in der Elektrodynamik entdeckt hatte (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit), hatte dieses Postulat ein paar gravierende Auswirkungen auf unsere Auffassung von Zeit und Raum. Denn irgendwie musste man die Begriffe Zeit und Raum ja so hinbiegen, dass die Lichtgeschwindigkeit immer gleich ist.

    Ich (und vermutlich auch der Autor des kurzen Textabschnitts im Anfangspost) bezog mich auf die allgemeine Relativität, in der ausnahmslos alle Systeme, egal wie wild beschleunigt, gleich behandelt werden.



  • 🙂
    Die Diskussion finde ich sehr interessant.

    Ist es nicht so, dass sich die Relativitätstheorie aus der Feldtheorie ableitet oder genauer gesagt die Feldtheorie der Elektrotechnik auf die Kravitationsfelder anwändet und damit verallgemeinert ??

    Wer Elektrodynamisch rechnen kann, und die richtigen Variablen austauscht, rechnet relativistisch (Das ist ne riesen Leistung, aber nicht so groß wie alles neu machen)??

    Einsteins Pappa war doch Elektrotechniker. Die waren dasmals schon soweit...
    Oder wiso hat die Elektrodynamik die Revolution der Relativitätstheorie als einzige Theorie überstanden ??
    Die Elektrodynamik ist nicht im Gehirn eines Menschen entstanden, sondern über eine sehr sehr lange Zeit.

    In wieweit da wohl Politik im Spiel war zu einer Zeit als ein Land Helden brauchte.
    Zumal Einstein Deutsch-Jude war 🙂

    Einstein Riecht für mich mitlerweile so nach politik wie Amaretto nach Marzipan...

    Wobei ich auch Einstein Fan bin, aber der war auch nicht schlauer wie die anderen denke ich.

    Finds doof wenn man Helden so stilisiert, weil mir das dann oft Angst mach mich mit sowas zu beschäftigen.



  • Aristoteles is n00b


  • Mod

    @AlexanderKiebler : Ja, das hast du richtig erkannt, die Elektrodynamik war schon immer relativistisch. Der Antrieb zur Schaffung der speziellen Relativitätstheorie war historisch der Versuch den Rest der Physik mit der Elektrodynamik unter einen Hut zu bringen. Einsteins Arbeit heißt nicht umsonst "Von der Elektrodynamik bewegter Körper".



  • @SeppJ Wow, das ist mir jetzt neu. 🙂 Hab mir immer was drauf eingebildet das so zu sehen =). Um so schöner zu wissen, dass die Sicht zum Teil echt normal ist. Auch Einstein rechne ich das hoch an, den Titel so zu benennen.
    Hast du mir Büchertipps ?? *ggg* Kenne Günther Lehner, Simony und Jackson
    (Wobei eigentlich immer noch, auch in absehbarer Zukunft am lesen)



  • SeppJ schrieb:

    Da man inzwischen aber ein paar verrückte Sachen in der Elektrodynamik entdeckt hatte (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit),

    das hat man (genauer: Albert) nicht ENDTECKT, sondern POSTULIERT.

    Viel später erst hat man es nachgeprüft (Flugzeug mit Atomuhr etc) und hält dieses Postulat in Ermangelung von Gegenbeweisen einstweilen für brauchbar.

    SeppJ schrieb:

    hatte dieses Postulat ein paar gravierende Auswirkungen auf unsere Auffassung von Zeit und Raum.

    unsere ist gut

    SeppJ schrieb:

    Denn irgendwie musste man die Begriffe Zeit und Raum ja so hinbiegen, dass die Lichtgeschwindigkeit immer gleich ist.

    Das stimmt.

    SeppJ schrieb:

    Der Antrieb zur Schaffung der speziellen Relativitätstheorie war historisch der Versuch den Rest der Physik mit der Elektrodynamik unter einen Hut zu bringen

    Das nicht.

    Antrieb war, die Messungen von Michelson-Morley in Einklang zu bringen mit der vorherrschenden Meinung, daß es einen "Äther" gäbe. Dies gelang Einstein, indem er die Existenz eines Äther (zumindest in der Form, wie er damals ganz selbstverständlich vorausgesetzt wurde) ablehnte. Licht könnte sich dann unabhängig von irgendeinem Trägermedium ausbreiten.


  • Mod

    !rr!rr_. schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Da man inzwischen aber ein paar verrückte Sachen in der Elektrodynamik entdeckt hatte (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit),

    das hat man (genauer: Albert) nicht ENDTECKT, sondern POSTULIERT.

    Falsch. Michelson-Morley Experiment. 1887, 18 Jahre vor Einstein. Meinst du der hätte sich solch ein Postulat einfach aus dem nichts ausgedacht?

    Viel später erst hat man es nachgeprüft (Flugzeug mit Atomuhr etc) und hält dieses Postulat in Ermangelung von Gegenbeweisen einstweilen für brauchbar.

    Was haben die Atomuhrflüge damit zu tun? Die Prüfen nur ob die Einsteins Folgerungen aus dem Postulat (Zeit ist relativ) stimmen.

    SeppJ schrieb:

    Der Antrieb zur Schaffung der speziellen Relativitätstheorie war historisch der Versuch den Rest der Physik mit der Elektrodynamik unter einen Hut zu bringen

    Das nicht.

    Antrieb war, die Messungen von Michelson-Morley in Einklang zu bringen mit der vorherrschenden Meinung, daß es einen "Äther" gäbe. Dies gelang Einstein, indem er die Existenz eines Äther (zumindest in der Form, wie er damals ganz selbstverständlich vorausgesetzt wurde) ablehnte. Licht könnte sich dann unabhängig von irgendeinem Trägermedium ausbreiten.

    Wie kannst du erst sagen dass etwas nicht stimmt und gleich danach erklären wieso es doch stimmt? Liest du überhaupt was du schreibst?


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