Unzufrieden mit Studium
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Gregor schrieb:
Und die waren selbstverstaendlich wesentlich anspruchsvoller als das, was einem dazu in einem Informatikstudium geboten wird.
Um ehrlich zu sein gehst du mir bezüglich deiner Informatikaussagen mittlerweile ähnlich auf den Geist wie berniebutt.
So wie du immer schreibst, könnte man meinen, alles was in der Informatik über Larifari hinausgeht, ist entweder in der Physik, in der Mathematik oder sonstwo anzusiedeln, hauptsache nicht in der Informatik.
Also los gehts:
Dann begründe doch mal bitte, warum die komplexitätstheoretischen Vorlesungen in einem Mathematikstudiengang anspruchsvoller sein sollten, als im Informatikstudiengang.
Dazu ein Denkanstoß: es gibt eine Reihe formaler Wissenschaften und mathematische Teilbereiche, deren Fundament nicht auf der klassischen Grundausbildung eines Mathematikers fußt. Dazu gehören beispielsweise die diskrete Mathematik, die Logik und auch die Komplexitätstheorie. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum ein Informatiker hier eine weichgespültere Vorlesung hören müsste als ein Mathematiker.
Insbesondere bei der Logik sind sogar viele Mathematiker der Meinung, dass sie kein Teilgebiet der Mathematik, sondern eine eigene Wissenschaft darstelle, welche von der Informatik ebenso gepflegt und genährt wird, wie von der Mathematik.Schau dir halt mal ein paar Modulhandbücher der Universitäten an und vergleiche Wahlmöglichkeiten Komplexitätstheorie bei Informatikern und bei Mathematikern. Ich sehe da nicht gerade, dass die Mathematiker hier gewinnen.
Es ist aber definitiv so, dass der Mathematikanteil im Informatikstudium fuer einige Bereiche der Informatik etwas knapp ist.
Auch das ist ein Irrtum, der auf deinen eigenen Erfahrungen basiert. Nenn doch mal die Bereiche. Bevor du wieder mit deinem Standardbeispiel Neuroinformatik kommst, von dem du ja lt. deiner Aussage keine Ahnung hast, es aber zumindest gerne zitierst: Nein, nichtlineare Optimierung und Stochastik, damit kommt auch der Informatiker noch zurecht. Auch dein ewiges Gerede der mathematisch überlegenen Physikern (welche ja lt. anderen Threads für manche Informatikbereiche besser geeignet sind) zweifle ich nach wie vor an: wenn ich mir die Bachelor-Studienpläne der Physiker so anschaue, sehe ich nicht gerade, warum dieser mehr Mathematik haben sollte, als die Informatiker, zumal letztere wenigstens auf Mathematikerniveau tanzen. :xmas1:
Edit: schönes Beispiel von der "Elite"-Uni Heidelberg: Die Physiker haben gerade einen richtigen Mathematikkurs, und zwei weitere weichgespülte für Physiker. Wenn sie den "mathematisch anspruchsvolleren" Weg gehen möchten, hören sie noch Analysis I/II für Mathematiker, STATT den zwei Physikmathekursen. Hui. Das ist doch beim Informatiker ziemlich Standard, oder?
Ich zweifle nicht alle deiner Argumente an, aber deine ewigen Pauschalisierungen stoßen mir dermaßen auf, dass mir der Sekt von samstagnacht wieder hochkommt.
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1. Sorry, der Beitrag vorhin sollte nicht als Informatik-Bashing verstanden werden. Es gibt durchaus sehr sehr gute Gründe, Informatik zu studieren. Ich selbst habe ein Informatikstudium und ein Physikstudium absolviert und bereue keins von beiden. Ich habe aus beiden Studien Denkweisen, Methoden und Werkzeuge mitgenommen, die mir das jeweils andere Studium nicht geliefert hat.
2. Neuroinformatik ist nicht mein Lieblingsbeispiel. Ich hatte es nur irgendwann mal erwähnt und etwas zum Besten gegeben, was ein anderer Forennutzer vorher einmal erzählt hat. Ich komme eher aus der Bildverarbeitung und der Robotik.
3. Wenn man Informatik studiert kann man sehr unterschiedliche Eindrücke von diesem Fach kriegen. Ich habe es damals als größtenteils etwas losen Verbund unterschiedlicher Teilgebiete wahrgenommen. Querbezüge wurden, wenn überhaupt, erst ganz spät im Studium sichtbar.
4. Wenn es in der Informatik zwischen vielen Bereichen keine starken Querbezüge gibt, dann ist das, was ich oben gesagt habe, doch absolut nachvollziehbar. Dann kann ich nämlich das spezielle Interessensgebiet in der Informatik isolieren und gucken, ob es irgendwo stärkere Querbezüge gibt, die hilfreich genutzt werden können. Und dann sieht man zum Beispiel folgendes: In der Informatik gibt es Teilbereiche, die stark auf ein Anwendungsgebiet ausgerichtet sind. Ich habe innerhalb der Bildverarbeitung zum Beispiel eine Vorlesung über Fernerkundung gehört. In der ging es fast nur um die Modellierung der diesbezüglich relevanten physikalischen Vorgänge. Was passiert mit Licht, wenn es durch die Atmosphäre geht und so weiter. Für so eine Vorlesung wäre ein Physikstudium natürlich eine wesentlich bessere Grundlage als ein Informatikstudium. Der Punkt ist hier, dass man die Informatik auf ein Anwendungsgebiet bezieht, das eben mit Werkzeugen der Physik beschrieben wird. Und es gibt eine ganze Menge Vorlesungen dieser Art. Allerdings natürlich immer mit anderen Anwendungsgebieten, die man jeweils unterschiedlich beschreibt. Es kann sein, dass Neuroinformatik, leichter von Leuten betrieben werden kann, die Neurobiologie studiert haben und nicht Informatik, wo man sich dann ganz am Schluss etwas in diese Richtung spezialisieren kann.
(Übrigens: 3 der 5 Bücher die ich über Bildverarbeitung (jenseits der Fernerkundung) habe, sind von Physikern geschrieben. Die anderen größtenteils von Leuten, die etwas anderes jenseits der Informatik studiert haben. Ok, die Informatik ist halt noch jung. Aber zumindest braucht man sich dann nicht zu wundern, wenn ein Bereich wie die Bildverarbeitung viele Einflüsse aus der Physik hat.)
Ich glaube aber durchaus, dass man mit einem anderen Studienschwerpunkt einen ganz anderen Blick auf die Informatik kriegen kann als ich ihn jetzt habe. Vor allem kann ich mir vorstellen vorstellen, dass Leute mit einem theoretischen Schwerpunkt eine ganz andere Sicht auf die Informatik kriegen.
5. Ich habe keine Ahnung, was da an der Uni Heidelberg gemacht wird. Ich hatte in meinem Physikstudium 24V+8Ü SWS Mathe (+4V mathematische Ergänzungen am Anfang) und in meinem Informatikstudium mit 22V+7Ü SWS geringfügig weniger. Mir persönlich kam aber die Stoffdichte bezüglich der Mathematik in der Physik wesentlich höher vor. Das lasse ich jetzt einfach mal als subjektive Wahrnehmung stehen. Es gibt allerdings auch Mathematik, die die Informatiker lernen, die Physiker aber nicht. Vor allem Diskrete Mathematik und Stochastik. Wenn man die im späteren Schwerpunkt benötigt, sind sie natürlich sehr nützlich. Zum Beispiel wird in der Künstlichen Intelligenz viel mit Bayes'scher Wahrscheinlichkeitstheorie beschrieben. So etwas lernt man in der Physik eher nicht.
Was allerdings ein großer Unterschied zwischen dem Mathematikanteil im Physikstudium und im Informatikstudium ist, ist, dass man in der Physik die Mathematik in JEDER Veranstaltung massiv benötigt. Du musst in den Übungen zu Physikvorlesungen andauernd irgendwelche Zusammenhänge herleiten. Und dazu "rechnet" man eben. Man integriert, man differenziert, man löst DGLs und und und. Das ist mir in dieser Massivität im Informatikstudium nicht begegnet. Wobei man in der theoretischen Informatik natürlich Mathematik nicht anwendet, sondern in Reinform betreibt: Definition - Satz - Beweis. Ich nehme große Teile der theoretischen Informatik als Mathematik wahr. Entsprechend kannst Du auch mein Statement zur Komplexitätstheorie werten. Komplexitätstheorie wird durchaus auch innerhalb der Mathematik betrieben. Und dort kriegst Du die mathematische Arbeitsweise natürlich noch wesentlich massiver mit als im Informatikstudium. Dort gibt es halt überall "Definition - Satz - Beweis" und man hält sich nicht mit den überaus spannenden Zusammenhängen Rund um Eingebettete Systeme oder ähnlichem auf.
Der Threadersteller sollte sich fragen, ob er später "Informatiker" sein möchte oder zum Beispiel "Komplexitätstheoretiker". Wenn er "Informatiker" sein will, dann sollte er auch Informatik studieren. Zum "Komplexitätstheoretiker" gibt es definitiv verschiedene Wege. Vor allem ist bei dieser Fragestellung auch relevant, als was der Threadersteller irgendwann einmal arbeiten will. Einen "Komplexitätstheoretiker" sehe ich vor allem im akademischen Bereich.
marco.b schrieb:
Auch das ist ein Irrtum, der auf deinen eigenen Erfahrungen basiert.
Sämtliche Meinungen von sämtlichen Forenteilnehmern sind subjektiv. Ich denke, das ist jedem hier klar. Natürlich stecke ich meine persönlichen Erfahrungen in meine Aussagen. Die Aussage "Ich müsste eigentlich viel mehr Mathe können" hört man von vielen Informatikstudenten in späteren Semestern. Ich sage das halt auch.
Ich gebe hier hin und wieder mal meine Sicht auf die Informatik zum Besten. Die ist sogar nicht nur subjektiv, sondern auch noch zeitlich veränderlich. Wem das nicht passt, der soll halt seine eigene Sicht skizzieren, seine eigenen subjektiven Erfahrungen zum Besten geben. Ich höre so etwas immer gerne, da es meinen Horizont erweitert. Hast Du Informatik studiert? Wenn Ja: Wie hast Du das Fach denn wahrgenommen?
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Gregor schrieb:
1. Sorry, der Beitrag vorhin sollte nicht als Informatik-Bashing verstanden werden. Es gibt durchaus sehr sehr gute Gründe, Informatik zu studieren.
Von mir auch sorry, wollte und sollte tonmäßig mehr auf dem Teppich bleiben.
Gregor schrieb:
(...) Ich habe innerhalb der Bildverarbeitung zum Beispiel eine Vorlesung über Fernerkundung gehört. (...) Für so eine Vorlesung wäre ein Physikstudium natürlich eine wesentlich bessere Grundlage als ein Informatikstudium. (...) Allerdings natürlich immer mit anderen Anwendungsgebieten, die man jeweils unterschiedlich beschreibt.
Ich habe Vorlesungen zu Mustererkennung in Bildern und Konstruktion von 3D-Modellen aus Bildern gehört. Da ging es viel um mathematische Signalverarbeitung und projektive Geometrie, beides absolute Basics eines Informatikers. Ansonsten war das doch alles sehr algorithmisch.
Ich schaue meine Vorlesungen an, schaue die Vorlesung anderer Unis an und kann nur zum Schluss kommen, dass die Kurse, die man besser als MINT-Quereinsteiger verstehen kann, doch in der absoluten Minderheit sind. Eigentlich nur bei Spezialgebieten wie Computational Physics. Okay, da unterschreibe ich deine Aussagen gern.
Gregor schrieb:
Es kann sein, dass Neuroinformatik, leichter von Leuten betrieben werden kann, die Neurobiologie studiert haben und nicht Informatik, wo man sich dann ganz am Schluss etwas in diese Richtung spezialisieren kann.
Bezweifle ich. Denn die algorithmische und mathematische Komponente gewichtet höher.
Gregor schrieb:
(Übrigens: 3 der 5 Bücher die ich über Bildverarbeitung (jenseits der Fernerkundung) habe, sind von Physikern geschrieben. Die anderen größtenteils von Leuten, die etwas anderes jenseits der Informatik studiert haben. Ok, die Informatik ist halt noch jung. Aber zumindest braucht man sich dann nicht zu wundern, wenn ein Bereich wie die Bildverarbeitung viele Einflüsse aus der Physik hat.)
Genau, Einflüsse. Letztlich ist Bildverarbeitung aber ein sehr algorithmischer Prozess und hat außerdem noch viel mit der systematischen Verarbeitung zu tun (bspw. Gesichtswiedererkennung auf Fotos) und gehört m.E. damit in die Informatik und ich sehe nicht, warum ein Informatiker nicht bestens gerüstet ist für diese Arbeit.
Gregor schrieb:
5. Ich habe keine Ahnung, was da an der Uni Heidelberg gemacht wird. Ich hatte in meinem Physikstudium 24V+8Ü SWS Mathe (+4V mathematische Ergänzungen am Anfang) und in meinem Informatikstudium mit 22V+7Ü SWS geringfügig weniger.
Ja, ist aber nicht nur die Uni Heidelberg. Halten wir doch einfach fest, dass die Physiker eher rechnen und die Informatiker richtige Mathematik betreiben
Gregor schrieb:
Was allerdings ein großer Unterschied zwischen dem Mathematikanteil im Physikstudium und im Informatikstudium ist, ist, dass man in der Physik die Mathematik in JEDER Veranstaltung massiv benötigt.
Ja, da hast du allerdings recht. Das kommt in der Informatik noch, wir sind ja noch am Anfang
Gregor schrieb:
Und dort kriegst Du die mathematische Arbeitsweise natürlich noch wesentlich massiver mit als im Informatikstudium. Dort gibt es halt überall "Definition - Satz - Beweis"
Ja, ich weiß, was für dich Physik und Informatik ist, ist für mich Informatik und Mathematik.
Aber deine Aussage gewichtet nicht. Der mathematik-ambitionierte Informatiker nimmmt im Prinzip fast ein komplettes Grundstudium eines Mathematikers mit, zumindest was LA und Ana angeht. Das reicht, um sich beweistechnisch soweit zu entwickeln, dass der Einstieg in Fächer wie Logik oder KTheorie auf selbem Niveau stattfinden kann und stattfindet, zumal man, wie bereits erwähnt, den klassischen Mathe-Unterbau für diese Disziplinen NICHT benötigt.Und ebenfalls wie bereits gesagt: die Modulhandbücher der Unis sprechen definitiv nicht für deine Thesen.
Gregor schrieb:
Wenn Ja: Wie hast Du das Fach denn wahrgenommen?
Teilweise als Ingenieursdisziplin, teils Strukturwissenschaft. Ich schätze die Informatik eigentlich garnicht so unähnlich sein, wie du. Insbesondere die teils losen Teilgebiete sind charakteristisch. Wir unterscheiden uns im Wesentlichen in zwei Ansichten:
1. Traust du dem Informatiker zu wenig zu (zumindest scheint man das aus deinen Informatik-Posts so rauszuhören) und
2. Tust du interdisziplinäre Elemente überbewerten.
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marco.b schrieb:
Teilweise als Ingenieursdisziplin, teils Strukturwissenschaft. Ich schätze die Informatik eigentlich garnicht so unähnlich sein, wie du. Insbesondere die teils losen Teilgebiete sind charakteristisch. Wir unterscheiden uns im Wesentlichen in zwei Ansichten:
1. Traust du dem Informatiker zu wenig zu (zumindest scheint man das aus deinen Informatik-Posts so rauszuhören) und
2. Tust du interdisziplinäre Elemente überbewerten.Zu 1: Nein, das kommt glaube ich etwas falsch rüber. Ich denke durchaus, dass Informatiker für jedes Teilgebiet der Informatik gewappnet sind. Das heißt aber nicht, dass es zu bestimmten Teilgebieten nicht auch andere Wege gibt, die einen vielleicht sogar noch etwas besser darauf vorbereiten.
Ich sehe das so: Die Informatik ist immer noch jung. Das war vor 10 Jahren so und wird vermutlich auch noch in 10 Jahren so sein. Sooo schnell ändert sich das nicht. Das hat einige Konsequenzen. Zum einen den losen Verbund der unterschiedlichen Teilgebiete, zum anderen auch, dass die Informatik in den letzten Jahrzehnten teilweise auch von fachfremden Leuten ein Stück vorangebracht wurde. Zudem wandelt sich die Informatik natürlich immer noch sehr schnell. Letztendlich wird die Wandlung IMHO langfristig dazu führen, dass die Informatik ein stärker zusammenhängendes Gebilde wird. Wenn es so weit ist, werden es Quereinsteiger sehr sehr schwer haben, in der Informatik Fuß zu fassen und natürlich wird es dann zur Ausnahme werden, dass fachfremde Personen die Informatik in irgendeinem Bereich voran bringen.
Aber: Ich glaube nicht, dass es schon so weit ist. Die Informatik ist immer noch dabei, ihren Claim abzustecken. Dabei wird durchaus einiges aus anderen Disziplinen in die Informatik integriert. Und seien es nur fachfremde Modelle, die auf das jeweilige Interessensgebiet der Informatik übertragen werden. Das ist etwas, was nur Leute machen können, die sich in dem jeweiligen fachfremden Gebiet auskennen. Wenn man die Modelle aus so einem Gebiet nicht kennt, kann man sie auch nicht auf die Informatik übertragen. Ich sage nicht, dass Informatiker diese Modelle nicht verstehen können. Natürlich können sie das: Informatik ist ein schweres Studium und versetzt einen in die Lage, sich so etwas beizubringen. Wobei es Informatiker da natürlich etwas schwerer haben als Leute, die die Modelle und damit verbundenen Vorstellungen von Haus aus mitbringen. Zudem ist klar, dass der theoretische Unterbau in Form von der passenden Mathematik, der einem im Informatikstudium bezüglich derartiger Modelle vermittelt wird, etwas hinterherhinken muss: Zuerst ändert sich das Gebiet, danach wird irgendwann der Lehrplan angepasst. Du sagst: Informatiker können sich auch nichtlineare Optimierung beibringen. Dem stimme ich zu. Es ist aber nicht gerade Teil des Studiums, dabei wäre es für das große Gebiet der Künstlichen Intelligenz vermutlich durchaus relevant. Das Lernproblem kann man sicherlich in so einem Zusammenhang sehen.
Zu 2. Ich sehe den interdisziplinären Charakter in der Informatik durchaus als sehr relevant an. Ich meine, letztendlich ist die Idee der Informatik ja, dass es in vielen Gebieten irgendeine Art von Informationsverarbeitung gibt, die man einfach mal aus dem Kontext reißen kann um die darin beteiligten Methoden in einer eigenen Disziplin zu vereinen. Das heißt aber nicht, dass der jeweilige Kontext aus dem etwas kommt, nicht zum Verständnis der Methoden beitragen kann. Und: Irgendwann muss man die Informationsverarbeitung wieder in einen Kontext setzen. Man betreibt Informatik sehr oft in Verbindung mit einem Anwendungsgebiet.
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Gregor schrieb:
Du sagst: Informatiker können sich auch nichtlineare Optimierung beibringen. Dem stimme ich zu. Es ist aber nicht gerade Teil des Studiums
Ach? Nichtlineare Optimierung im Zuge eines Numerikmoduls finde ich bei Informatiker nicht außergewöhnlich, zumindest sollte es ein entspr. Wahlfach geben.
Also ich würde Kenntnisse in nichtlinearer Optimierung durchaus bei einem Informatiker erwarten.
Gregor schrieb:
Zu 2. Ich sehe den interdisziplinären Charakter in der Informatik durchaus als sehr relevant an.
Ja, ich auch. Meine spitze Bemerkung ging vielmehr in die Richtung, dass du die Einflüsse anderer Disziplinen gleich für die fachliche Eignung zu stark heranziehst. Nach dem Motto Teilgebiet T enthält Elemente aus Wissenschaft W, also ist der W-Student besser geeignet. Du hast das aber ja relativiert mittlerweile, womit sich die ganze Geschichte wohl darauf reduzieren lässt, dass ich deine Aussagen teils fehlinterpretiert habe oder einfach ein wenig vorgeprägt bin von deinen bisherigen "Informatik ist keine Wissenschaft"-Beiträgen, wobei ich gleich hinzufügen möchte, dass deine letzten beiden Postings mir durchaus sympathisch waren. :xmas1:
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Gregor schrieb:
Frag mal Christoph. Der hat Komplexitaetstheorievorlesungen in seinem Mathestudium gehoert. Und die waren selbstverstaendlich wesentlich anspruchsvoller als das, was einem dazu in einem Informatikstudium geboten wird.
Selbstverständlich... moment mal, selbstverständlich? Was ist denn daran selbstverständlich? Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. -- Ich will sehen!
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marco.b schrieb:
oder einfach ein wenig vorgeprägt bin von deinen bisherigen "Informatik ist keine Wissenschaft"-Beiträgen
Das ist eigentlich meine allgemeine Sicht auf Ingenieursfächer. Ist nichts Informatik-spezifisches und liegt sicherlich daran, dass meine persönliche Definition von "Wissenschaft" etwas eigen ist. Wenn ich so etwas sage, will ich darauf hinaus, dass die eigentliche Fragestellung eine ganz andere ist. In Ingenieursfächern fragt man "Wie kann man XYZ erreichen" oder "Wie kann man ein XYZ konstruieren", in einer Wissenschaft fragt man eher "Wie sieht Zusammenhang XYZ aus?" oder "Was ist eigentlich XYZ?". Jenseits der theoretischen Informatik findet man in der Informatik IMHO in erster Linie diese Ingenieurs-Fragestellungen.
Jester schrieb:
Gregor schrieb:
Frag mal Christoph. Der hat Komplexitaetstheorievorlesungen in seinem Mathestudium gehoert. Und die waren selbstverstaendlich wesentlich anspruchsvoller als das, was einem dazu in einem Informatikstudium geboten wird.
Selbstverständlich... moment mal, selbstverständlich? Was ist denn daran selbstverständlich? Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. -- Ich will sehen!
Ok, ist vielleicht ein etwas unfairer Vergleich gewesen. Ich habe mich daran erinnert, was ich so im Informatikstudium über Komplexitätstheorie gehört habe. Und das war praktisch nichts. Im Grundstudium ging es gerade mal so weit, dass man diverse Arten von Turingmaschinen als N-Tupel definiert hat und die Klassen P und NP definiert hat. ...grob gesagt. Wenn ich mir den Informatik-Bachelor-Studienplan ansehe, der weiter oben gepostet wurde, dann gibt es da im Bachelor auch nicht mehr. Bei uns konnte man sich zudem im Hauptstudium nicht in Richtung Komplexitätstheorie spezialisieren, wenn ich mich richtig erinnere. Allerdings gab es eine theoretische Grundlagenveranstaltung "Automaten und Komplexität". Ich habe die nicht gehört, habe aber hier das Skript dazu. Kapitel 8 von 10 hat dort den Titel "Komplexitätstheorie". Du kannst Dir überlegen, dass es in den dazugehörigen ~35 Seiten nicht sonderlich zur Sache gehen kann. Christoph hatte hingegen durch seine Schwerpunktsetzung im Mathematik-Hauptstudium eine dedizierte (oder sogar mehrere, weiß nicht?) Vorlesung zur Komplexitätstheorie, die sich wohl an einem klassischen Buch zu der Thematik, wie dem da...
Computational Complexity | ISBN: 0521424267
...orientiert hat. Du kannst ja mal auf Amazon das Inhaltsverzeichnis des Buchs durchgehen. Das wird dann wohl in etwa das sein, was er zu der Thematik gehört hat.Wie gesagt: Bei uns gab es einen Schwerpunkt "Komplexitätstheorie" damals AFAIK nicht. ...heute wohl auch nicht, wenn ich das gerade richtig sehe. Interessant eigentlich. Man sollte doch denken, dass Komplexitätstheorie derart stark in der Informatik verankert ist, dass man in dem Zusammenhang auf jeden Fall wesentlich mehr mitnimmt. Auch jenseits irgendwelcher Schwerpunktsetzungen. Warum gibt es eigentlich im Informatik-Bachelor keine eigene Veranstaltung "Komplexitätstheorie"?
Möglicherweise gibt es gar nicht DAS Informatikstudium bzw. Studienangebot. Ich sehe immer mehr, dass es da doch von Uni zu Uni eine ganze Menge Unterschiede gibt. Vor allem natürlich was die höheren Semester betrifft. In dem Fall ist die Wahl der Universität aber ähnlich wichtig wie die Wahl des Fachs.
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Gregor, du kannst davon ausgehen, dass an deiner Uni auch die Mathematiker keine tiefer gehende Komplexitätstheorie als du gehört haben, und dass an Christophs Uni die Komplexitätstheorie auch (und vor allem) für Informatiker angeboten wurde. Falls nicht wäre das ein Fall für die Hochschulpolitik...
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Bashar schrieb:
Gregor, du kannst davon ausgehen, dass an deiner Uni auch die Mathematiker keine tiefer gehende Komplexitätstheorie als du gehört haben, und dass an Christophs Uni die Komplexitätstheorie auch (und vor allem) für Informatiker angeboten wurde. Falls nicht wäre das ein Fall für die Hochschulpolitik...
Bei uns gibt es in der Tat auch in der Mathematik keinen Schwerpunkt der in Richtung Komplexitätstheorie geht.
Christoph hat glaube ich an der TU Darmstadt studiert. Wenn man sich die Fachgebiete in der Informatik dort anguckt...
https://www.informatik.tu-darmstadt.de/de/fachbereich/fachgebiete/
...dann kommt "Komplexität" nur in "Kryptographie und Komplexitätstheorie" vor. Die Kurse, die von diesem Bereich angeboten werden, befassen sich in erster Linie mit Krytographie. Wobei es dort jetzt wohl einen Kurs gibt, der entsprechend des Titels der Arbeitsgruppe beides behandelt.
Er hat allerdings innerhalb der Mathematik seinen Schwerpunkt auf Logik gesetzt. ...dann wären wir ungefähr bei den Lehrveranstaltungen da: http://www3.mathematik.tu-darmstadt.de/ags/ag-logik/lehre.html
Also: Zunächst gibt es da im Bachelor eine Vorlesung zu "Complexity theory" und dann gibt es im Masterstudium noch Veranstaltungen zu "Advanced Complexity Theory" und "Logic and Complexity".
Sieht für mich auf den ersten Blick so aus, als ob die Komplexitätstheorie dort stärker in der Mathematik vertreten ist. ...die Logik übrigens natürlich auch. Aber vielleicht habe ich bei der kurzen Suche auch etwas übersehen.
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Gregor schrieb:
Sieht für mich auf den ersten Blick so aus, als ob die Komplexitätstheorie dort stärker in der Mathematik vertreten ist. ...die Logik übrigens natürlich auch. Aber vielleicht habe ich bei der kurzen Suche auch etwas übersehen.
Natürlich... Und natürlich überträgt sich das aus Darmstadt direkt auf das Fachgebiet der Informatik im Ganzen. -- Und ich dachte immer das mit den Physikern und "alle ungeraden Zahlen sind Primzahlen: 3,5,7,..." wäre nur ein Scherz.
Das Komplexitätstheoriebuch sieht ganz nett aus, der Standardstoff halt. Wird so in der Grundvorlesung natürlich nicht komplett abgedeckt, wir haben aber zum Beispiel immer mal wieder Seminare, die solche Themen abdecken (natürlich und selbstverständlich auf niedrigstem Niveau). -- Festparameter-Komplexität scheint zu fehlen. Und hast du mal in den Anhang des Buches geschaut? mathematische Grundlagen: Mengen, lineare Algebra, Polynome etc. Nichts was nicht jeder Informatiker an jeder Feld- Wald- und Wiesenuni auch kennen würde.
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@Jester: So wie ich das sehe, gibt es hier momentan 3 Beispiele an Informatikstudien, in denen es enorm wenig Komplexitätstheorie gibt. Hamburg, Darmstadt und wohl auch Passau. Gib doch mal ein schönes Gegenbeispiel. Ich glaube ja durchaus, dass es Informatik-Studiengänge gibt, in denen sehr viel in die Richtung gemacht wird. Bei Euch scheint es so einen Studiengang zu geben?
Aber Du siehst ja selbst, dass es wohl auf die Uni ankommt. Komplexitätstheorie wird durchaus auch von einigen Mathematik-Fachbereichen aufgearbeitet. Meine Anfangsaussage war ja eigentlich, dass man bei bestimmten fokussierten Interessen innerhalb der Informatik durchaus auch mit einem anderen Studium gut fahren kann, so lange man es sehr sorgsam wählt. Eigentlich fühle ich mich darin bestätigt. Wie kommen wir Informatiker eigentlich dazu, zu behaupten, dass die Komplexitätstheorie nur der Informatik gehört bzw. zuzurechnen ist? Hier kommt noch ein Zusatz zu meiner Anfangsaussage: Wenn man sich bei so einem speziellen Interesse für ein Informatikstudium entscheidet, muss man ebenfalls sehr darauf achten, wo man studiert und was einem da wirklich geboten wird.
BTW: Du bemängelst die geringen mathematischen Anforderungen im Anhang des Buchs. ...werden da eigentlich auch irgendwelche informatischen Anforderungen erwähnt?
...aus dem Vorwort "About this Book": "We assume essentially no computational background and very minimal mathematical background, which we review in Appendix A"
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Also Komplexitätstheorie ist i.d.R. mit zwei vertiefenden 6-SWS-Vorlesungen abgefrühstückt. Eine Komplexitätstheorie III habe ich noch nie irgendwo gesehen
Hier zwei Universitäten, welche etwas mehr bieten:
Universität Würzburg (http://theoretische.informatik.uni-wuerzburg.de):
Komplexitätstheorie I
Komplexitätstheorie II
BerechenbarkeitstheorieFernuniversität in Hagen (http://www.uni-hagen.de/ak/kurse/):
Theorie der Berechenbarkeit
Komplexitätstheorie I
Komplexitätstheorie II
Parallele Algorithmen (Kurs speziell über Kompl./Ber. bei Parallelität)
Berechenbare Analysis