Unabsichtliche Symbolüberladung



  • Keine Frage. Ich finde es nur bemerkenswert. Vielleicht hast du überlesen, dass die beiden Begriffe in ein und demselben Beweis die gleiche Bezeichnung hatten.



  • Nein, habe ich nicht. Kann aber im nachhinein leicht korrigiert werden: beispielsweise wird ein s einfach zu s' . Also warum sich vorher Gedanken machen, wenn es hinterher leicht korrigiert werden kann. Ich sehe ein, dass es trotzdem sonderbar ist, wenn ein Symbole fuer zwei verschiedene Dinge stehen. Normalerweise passiert das keinem Mathematiker. Aber auch wenn das nicht passiert, denken sie nicht in Symbolen. Genauso wenig denken die meisten Menschen in Buchstaben oder Worten. Mehr in ganzen Saetzen, Eigenschaften oder Gefuehlen.



  • knivil schrieb:

    Ich sehe ein, dass es trotzdem sonderbar ist, wenn ein Symbole fuer zwei verschiedene Dinge stehen. Normalerweise passiert das keinem Mathematiker.

    Hast du eine repräsentative Anzahl Mathematiker interviewt oder wie? Ich finde die Aussage etwas sonderbar.

    Aber auch wenn das nicht passiert, denken sie nicht in Symbolen.

    Das entspräche aber dem Hilbertschen Ideal, mathematische Schlüsse lediglich als abstrakte Symbolmanipulation zu betrachten. Symbole mit gesonderten Bedeutungen aufzuladen würde als Schwäche gelten.

    Genauso wenig denken die meisten Menschen in Buchstaben oder Worten. Mehr in ganzen Saetzen, Eigenschaften oder Gefuehlen.

    Irrelevant, Alltagsdenken hat mit mathematischem Denken nicht viel zu tun.



  • Bashar schrieb:

    Aber auch wenn das nicht passiert, denken sie nicht in Symbolen.

    Das entspräche aber dem Hilbertschen Ideal, mathematische Schlüsse lediglich als abstrakte Symbolmanipulation zu betrachten. Symbole mit gesonderten Bedeutungen aufzuladen würde als Schwäche gelten.

    Bashar schrieb:

    Genauso wenig denken die meisten Menschen in Buchstaben oder Worten. Mehr in ganzen Saetzen, Eigenschaften oder Gefuehlen.

    Irrelevant, Alltagsdenken hat mit mathematischem Denken nicht viel zu tun.

    Imho sind die gesonderten Bedeutungen und Anschauen aber Quelle für neue Ideen und Vermutungen. Solange Mathematik von Menschen betrieben wird und diese noch sehr viel erfolgreicher darin sind als Computer, würde ich menschliche Eigenschaften beim Denken auch nicht als irrelevant bezeichnen. Sie lassen sich weder ausschalten beim Mathematikbetreiben, noch sehe ich einen Grund dafür, warum Mathematiker sich selbst auf Symbolschubserei reduzieren sollten.

    Hilberts Wunschvorstellung wurde doch wenig später sowieso zerpflückt.

    Ich weiß nicht wie es dir geht aber ich hatte immer erst dann das Gefühl, etwas wirklich verstanden zu haben, wenn ich eine innere Anschauung dazu entwickeln konnte. Wenn das Thema zu abstrakt war und keine Anschauung mehr zugelassen hat (sprich: Jede Mathematik sich auf Symbolismus reduziert hat), hat mir das im Grunde keinen tieferen Erkenntnisgewinn gebracht.



  • µ schrieb:

    Imho sind die gesonderten Bedeutungen und Anschauen aber Quelle für neue Ideen und Vermutungen.

    Sie können auch hinderlich sein, wenn man sich davon nicht freimachen kann. Ein wichtiger Teil (vielleicht sogar der wichtigste) mathematischer kreativer Arbeit besteht darin, Dinge zu verallgemeinern. Wenn man sich dann an "gesonderten Bedeutungen", über die man sich vielleicht nichtmal im klaren ist, festhält, schafft man das nicht.

    Hilberts Wunschvorstellung wurde doch wenig später sowieso zerpflückt.

    Das seh ich nicht so. Die vollständige Formalisierung auf der Basis von Axiomen ist gescheitert, aber das Ideal eines rigorosen Beweises ist nach wie vor einer, der so formal wie möglich ist. (Ich sage nicht, dass das irgendjemand tut oder auch nur anstrebt; das ist vielleicht wie in der Programmierung, in dem das Ideal ist, nur Programme zu schreiben, deren Korrektheit bewiesen ist.)

    Ich weiß nicht wie es dir geht aber ich hatte immer erst dann das Gefühl, etwas wirklich verstanden zu haben, wenn ich eine innere Anschauung dazu entwickeln konnte.

    Klar. Aber wenn du einen Beweis dazu formulierst, der formal völliger Käse ist, weil die eigentliche Argumentation nur unausgesprochen in Gedanken existiert, machst du auch was falsch. Das ist es ja genau, was passiert, wenn man so eine Symbolüberladung macht. Aber vielleicht nicht nur dann.



  • µ schrieb:

    Ich weiß nicht wie es dir geht aber ich hatte immer erst dann das Gefühl, etwas wirklich verstanden zu haben, wenn ich eine innere Anschauung dazu entwickeln konnte. Wenn das Thema zu abstrakt war und keine Anschauung mehr zugelassen hat (sprich: Jede Mathematik sich auf Symbolismus reduziert hat), hat mir das im Grunde keinen tieferen Erkenntnisgewinn gebracht.

    Je weiter man sich bewegt, umso weniger Anschauung gibt es noch. Gerade bei mathematischen Raeumen hoert es doch schnell auf anschaulich zu bleiben je weiter man sich von der Schulmathematik entfernt. Da weiss man irgendwann doch eigentlich nur noch, welche Gesetzmaessigkeiten gelten und in welchem Rahmen man argumentieren kann.



  • knivil schrieb:

    Aber auch wenn das nicht passiert, denken sie nicht in Symbolen.

    Jein. Sie denken in etwas abstraktem, das mit bestimmten Eigenschaften verknüpft ist. Ob dieses "etwas" jetzt Symbol oder wie auch immer genannt wird, sei mal dahingestellt, ist aber auch irrelevant. Man denkt auf jeden Fall nicht in Buchstaben. Um die Gedanken aufzuschreiben muss man ihnen aber Bezeichner zuweisen. Normalerweise verknüpft man dan mit den verschiedenen "etwassen" im Kopf jeweils einen Bezeichner, und es kann durchaus passieren, dass man den gleichen Bezeichner mehrfach zuweist. Da man weiterhin nicht in Bezeichnern denkt braucht man das Mapping Bezeichner -> "etwas im Kopf" nicht und sieht deshalb auch die Mehrdeutigkeit der Bezeichner nicht, die dir aufgefallen ist.



  • Hast du eine repräsentative Anzahl Mathematiker interviewt oder wie? Ich finde die Aussage etwas sonderbar.

    Ich kenne viele Mathematiker und Physiker. Mathematiker denken nicht in Symbolen. Physiker schon eher.

    Das entspräche aber dem Hilbertschen Ideal, mathematische Schlüsse lediglich als abstrakte Symbolmanipulation zu betrachten.

    Dann waeren Mathematiker schon laengst von Computern abgeloest.

    Symbole mit gesonderten Bedeutungen aufzuladen würde als Schwäche gelten.

    Das tun sie ja eben nicht. Aber wenn ihr Gegenstand eine Gruppe ist, so gelten gewisse algebraische Gesetze. Die sie beispielsweise S genannt haben, was eher zufaellig war. Anders bei Physikern, die schonmal voraussetzen, dass jeder weiss, was mit SO(3) gemeint ist. Darueber hinaus haben sich natuerlich Bezeichnungen durchgesetzt. Das sehe ich als eine Form von Hoeflichkeit anstatt von "Symbolismus".

    Irrelevant, Alltagsdenken hat mit mathematischem Denken nicht viel zu tun.

    Nein, das wollte ich nicht damit ausdruecken.

    Ums mal abzukuerzen, da ich kein Fan von Metadenken bin: Ich bin keine Symbolmanipulationsmaschine. Und die meisten meiner Freunde auch nicht.



  • pumuckl schrieb:

    Man denkt auf jeden Fall nicht in Buchstaben.

    Naja manchmal schon. Das ist ja letztlich der Sinn der Algebra (im Sinne von "Buchstabenrechnen"), dass man einen Satz von Regeln hat, die man per Pattern Matching irgendwie anwendet: Zusammenfassen, Brüche kürzen, Ableitungsregeln anwenden etc. Wenn man immer alles auch genau durchdenken müsste, wären wir mathematisch noch im Mittelalter.

    knivil schrieb:

    Hast du eine repräsentative Anzahl Mathematiker interviewt oder wie? Ich finde die Aussage etwas sonderbar.

    Ich kenne viele Mathematiker und Physiker. Mathematiker denken nicht in Symbolen. Physiker schon eher.

    Die Aussage war aber nicht über "in Symbolen denken", sondern "Symbole überladen". Das sind ziemlich gegensätzliche Aussagen.



  • Bashar schrieb:

    Die Aussage war aber nicht über "in Symbolen denken", sondern "Symbole überladen". Das sind ziemlich gegensätzliche Aussagen.

    vs.

    Zeigt mir, dass ein Mathematiker nicht in abstrakten Symbolen denkt.

    Hmm ... Ich schaue hier grad mein Logigbuch durch, ganz so sicher bin ich mir nicht ... mehr mit allem. Wahrscheinlich gibt es solche und solche.


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