Geisteswissenschaften [Split aus "Endlich wieder mal ein wenig Gerechtigkeit!"]



  • otze schrieb:

    Reviewer sollten aber schon etwas drauf haben, sonst ist der ganze Prozess für die Katz.

    Reviewer sind auch einfach nur andere Wissenschaftler aus demselben Fachbereich. Ist ja nicht so, dass die Reviewer nur aus den Reihen der Top-Wissenschaftler rekrutiert werden. Sowas nun komplett den Reviewern anzulasten ist auch nicht fair. Die grundsätzliche Verantwortung für den Inhalt einer Publikation trägt, sowohl bezüglich inhaltlicher Originalität als auch Korrektheit, der Autor. Es ist klar, dass da was grundlegend schief gelaufen ist, auch im Review-Prozess. Aber das nun einfach den Reviewern, und nur denen, in die Schuhe zu schieben halte ich für falsch.

    Zu so einer Veröffentlichung gehören zwei: einer ders schreibt und einer ders akzeptiert. Zumindest wenn man mal unterstellt, dass die nicht was bekanntes neu publizieren wollten, dann liegt die Verantwortung bei beiden. Klar, manchmal werden Dinge wiederentdeckt, weil es schwer war rauszufinden, wie die Dinge woanders hießen, etc. Aber in diesem Fall wäre das doch äußerst einfach gewesen. Man hätte nur, wenn man die Idee hat als Mediziner ein mathematisches Paper zu schreiben, mal irgendeinen x-beliebigen Mathematiker fragen müssen. Das ist offensichtlich nicht passiert, und imo ein großes Versäumnis der Autoren.



  • hallo

    so etwas kann zum glück in der physik nie passieren:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hendrik_Schön

    chrische


  • Mod

    chrische5 schrieb:

    hallo

    so etwas kann zum glück in der physik nie passieren:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hendrik_Schön

    chrische

    Er hat gefälscht, was ganz was anderes ist, als Trivialmathematik neu zu entdecken. Seine Ergebnisse waren spektakulär neu. Der Gutachter kann nur die wissenschaftliche Relevanz und Qualität der eigentlichen Arbeit bewerten, er kann nicht das ganze Experiment im Rahmen des Gutachten erneut durchführen.
    Und ganz wichtig: Die Aktion ist aufgeflogen.



  • Jester schrieb:

    Wie kannst Du nur sagen, dass die Mediziner keine Mathematik können. Dabei haben die doch sogar kürzlich, so Mitte der 90er das Riemann-Integral erfunden! Ein absolutes Highlight: http://care.diabetesjournals.org/content/17/2/152.abstract 😃

    🤡 👍

    Also, das ist in der Tat Fail von beiden, Reviewer und Verfasser. Obwohl der Reviewer-Fail bedeutend größer ist. Es handelt sich ja hier nich um irgendein abgehobenes mathematisches Zeug was wiederentdeckt wurde (das passiert eigentlich ziemlich oft, und ist auch überhaupt kein Problem), nein es handelt sich hier um banalen Schulstoff !.

    Müssen Esotheriker zur Schule 😕



  • Ich kann mich noch an ein Beispiels eines Matheprofessors erinnern:
    Es ging um Wahrscheinlichkeitsrechnung, genauer gesagt um die bedingt Wahrscheinlichkeit. Es ging darum, dass ein Arzt das Prinzip der bedingten Wahrscheinlichkeit bzw. allgemein die Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht verstanden hat und zu vielen Frauen vorsichtshalber die Brüste amputiert hat (wegen falsch interpretierten Wahrscheinlichkeiten an Brustkrebs zu erkranken).



  • ScottZhang schrieb:

    Obwohl der Reviewer-Fail bedeutend größer ist.

    Das sehe ich anders. Meiner Meinung nach obliegt es mindestens genauso stark dem Autor sorgfältig sicher zu stellen, dass seine Arbeit einen entsprechenden Neuheitswert hat.

    Stell dir nur mal vor, jemand würde ständig solche Sachen einreichen, und ab und an würden die Reviewer es nicht merken. Soll ich da wirklich hauptsächlich auf die Reviewer zeigen, denen es nicht aufgefallen ist? Wenn nein, was unterscheidet das vom Einzelfall (Einzelfail)?



  • Ja, das versteh ich schon.

    Aber prinzipiell kann jeder daher kommen und was einreichen. Egal welchen Hintergrund der hat. Vllt lebt ja jemand einsam inner Hütte aufm Südpol, die einzige Zeitschrift die er hat ist "Diabetisjournal" und aus Langeweile beschäftig er sich mit den Problemen die da so auftauchen ... 🙂



  • In jedem Forschungsgebiet wird natürlich auch geschummelt, was geht, der Brüller im Bereich Physik ist wohl die kalte Fusion.

    Ich erinnere mich an mein Studium, wo ein Praktikumsversuch an der Uni so grottig danebenging, daß ich mir lieber per Software einen Meßdatengenerator mit voreingestellter Standardabweichung gebastelt habe, als den Versuch zu wiederholen. 😃
    Aber das war nur ein Praktikum, mission completed, Haken drunter, scheiß' drauf.

    Worauf ich hinauswill, es wird oft auf gewünschte Ergebnisse hingearbeitet, bei Medizin ganz besonders. Also ich will haben, daß die fetten, rauchenden Butter- und Eiverspeiser mit 35 vom Schemel kippen, jahrelang die Krankenkassen und Arbeitslosenversicherung belasten und verrentet zwei Jahre Intensivmedizin brauchen, bevor sie am Lungenkrebs verrecken. 😉
    Bereits durch die Vorauswahl der Probanden kann ich das Ergebnis durchaus beeinflussen. Das kriege ich hin.

    Und dann schnappen hohlköpfige "Journalisten" irgendeine wissenschaftliche Sensation auf und der gefakete Schwachsinn gilt als Volksweisheit. 🙄



  • pointercrash() schrieb:

    Ich erinnere mich an mein Studium, wo ein Praktikumsversuch an der Uni so grottig danebenging, daß ich mir lieber per Software einen Meßdatengenerator mit voreingestellter Standardabweichung gebastelt habe, als den Versuch zu wiederholen. 😃
    Aber das war nur ein Praktikum, mission completed, Haken drunter, scheiß' drauf.

    Ganz ehrlich: Ich denke nicht, dass das üblich ist.

    ...jenseits davon ist es auch nicht der zentrale Punkt von Praktikumsversuchen, die tollsten Ergebnisse herauszukriegen. Bei Praktikumsversuchen (in der Physik) geht es zunächst einmal darum, die Auswertung von entsprechenden Messdaten zu lernen bzw. zu verinnerlichen. Bei uns sind damals auch jede Menge Praktikumsversuche total daneben gegangen. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass wir in einem Praktikumsversuch "herausgekriegt haben", dass es 2,4 Leptonfamilien gibt. ...vermutlich mit einer sehr kleinen Standardabweichung, weiß nicht mehr. Die Auswertung zu diesem Versuch wurde aber trotzdem ohne Probleme akzeptiert.

    Jenseits davon sollen Studenten in solchen Praktikumsversuchen wohl auch selbst herausfinden, ob sie Experimentatoren sind oder eher nicht. Ich habe bei diesen Versuchen durchaus festgestellt, dass ich eher nicht geeignet bin, Experimente durchzuführen und deshalb bin ich jetzt in der theoretischen Physik.

    Einen Messdatengenerator zu schreiben, um einen Praktikumsversuch zu bestehen, war weder nötig noch denkbar.

    Was eher vorkommt, sogar sehr sehr häufig, ist, dass Leute bei der Bearbeitung von Übungsaufgaben von anderen abschreiben.



  • Gregor schrieb:

    Die Auswertung zu diesem Versuch wurde aber trotzdem ohne Probleme akzeptiert.

    das kommt aber wohl auch sehr stark auf den Lehrstuhl an. Ich kenne Physiker, die werdne so bewertet: es gibt das theoretische Resultat (das nur der Prüfer kennt) und je näher du dran kommst, desto besser dein Note. Bist du zu weit weg, musst du den Versuch beim nächsten mal widerholen.



  • Gregor schrieb:

    Ganz ehrlich: Ich denke nicht, dass das üblich ist.

    Gregor schrieb:

    Bei Praktikumsversuchen (in der Physik) geht es zunächst einmal darum,

    So sollte es wohl sein. Aber ich denke nicht, daß das üblich ist. 😃

    Gregor schrieb:

    um einen Praktikumsversuch zu bestehen, war weder nötig noch denkbar.

    Wo es echt nötig wird, finden sich auch Hacker, für die es denkbar ist.



  • volkard schrieb:

    Gregor schrieb:

    Bei Praktikumsversuchen (in der Physik) geht es zunächst einmal darum,

    So sollte es wohl sein. Aber ich denke nicht, daß das üblich ist. 😃

    Ich denke schon, dass das sehr üblich ist. Die Auswertung der Versuche war bei uns das entscheidende Kriterium. Wenn man sich da vertan hat, musste man sie nochmal machen. Der entscheidende Punkt war da also, ob die Fehlerrechnung in Ordnung war.

    Die gesamte Dokumentation der Versuche war damals äußerst aufwändig. Im Grundstudium haben wir damals in 2 Semestern je 12 Versuche gemacht, zu denen jeweils ungefähr 10 Seiten an Vorbereitung, Messdaten und Auswertung zu Papier gebracht wurden. Es kam nicht ein einziges mal vor, dass einer der Betreuer so etwas wegen zu schlechter Daten abgewiesen hat, obwohl wir meistens echt schlechte Daten hatten. Und wir hatten für jeden Versuch einen anderen Betreuer. Aber die Auswerung mussten wir häufiger ein oder sogar zwei mal überarbeiten, bis alles gestimmt hat.

    Im Hauptstudium waren dann weniger, dafür aufwändigere Versuche.

    Ehrlich gesagt ist mir auch schleierhaft, wie man da einfach so gefälschte Messdaten reinschummeln könnte. Wir hatten zu jedem Versuch ein Praktikumsheft. Der Betreuer hat jeweils die Vorbereitung vor dem Versuch getestet (wenn man nicht ausreichend vorbereitet war, durfte man den Versuch nicht durchführen). Nach dem Versuch wurden die Messdaten vom Betreuer abgezeichnet und nach der Auswertung eben die Auswertung abgezeichnet bzw. eine Aufgabenliste mit Korrekturwünschen druntergesetzt. Man hätte also die Seiten mit den eigentlichen Messdaten aus dem Heft rausreißen müssen, die gefälschten Messdaten einbringe müssen und dann die Unterschrift des Betreuers fälschen müssen. Naja, vielleicht läuft das an anderen Universitäten anders ab.

    EDIT: Die Aussage, die ich eigentlich machen möchte, ist, dass das Vorgehen das pointercrash() hier geschildert hat, in keinster Weise akzeptiert wird und auch nicht stillschweigend hingenommen wird. Die Fälschung von Messdaten ist praktisch eine Todsünde. Ich traue so etwas keinem meiner damaligen Kommilitonen zu. Es gehört definitiv nicht zur inoffiziellen Praxis unter Studenten. ...im Gegensatz zum "Übungen abschreiben", was viele machen. Ich wollte diese Aussage von pointercrash() nicht einfach so stehenlassen. Ich finde dieses Vorgehen inakzeptabel.



  • Gregor schrieb:

    EDIT: Die Aussage, die ich eigentlich machen möchte, ist, dass das Vorgehen das pointercrash() hier geschildert hat, in keinster Weise akzeptiert wird und auch nicht stillschweigend hingenommen wird. Die Fälschung von Messdaten ist praktisch eine Todsünde. Ich traue so etwas keinem meiner damaligen Kommilitonen zu. Es gehört definitiv nicht zur inoffiziellen Praxis unter Studenten. ...im Gegensatz zum "Übungen abschreiben", was viele machen. Ich wollte diese Aussage von pointercrash() nicht einfach so stehenlassen. Ich finde dieses Vorgehen inakzeptabel.

    Naja, ich erinnere mich auch noch daran, dass bei uns im Anfängerpraktikum nach Problemen mit den Versuchen
    (in der Dunkelkammer beim Filmentwickeln ausversehen an den Lichtschalter gekommen 🙄
    oder bei irgendwelchen Spektroskopieversuchen partout keine Linien gesehen weil zu dunkel)
    teils Messdaten erfunden wurden um überhaupt was rechnen zu können.
    Da die einfachen Versuche im Anfängerpraktikum so weit weg von praktischer Forschung waren und es ja hauptsächlich um das Erlernen einer korrekten Auswertung ging,
    fand ich das jetzt nicht so tragisch.
    Später im Hauptstudium wär das nicht mehr denkbar gewesen.
    Die Versuche waren deutlich komplexer und durchdachter und man war gefühlt schon relativ nah an echter Forschung dran.
    In ner wissenschaftlichen Publikation zu fälschen/abzuschreiben ist nochmal nen ganz anderes Kaliber und kann man finde ich nicht mit irgendwelchen Übungen im Studium auf eine Stufe stellen.

    zu Statistik-Mauschelei in der Medizin noch nen Buch-Tipp:
    Der Hund der Eier legt
    Geschrieben von zwei Physikern, die in der Medizin arbeiten und in netter Art allerlei gebräuchliche Statistik-Tricks vorstellen.


  • Administrator

    @Gregor,
    Womöglich hattest du sehr gute Professoren. Ich habe zwar keine Physik studiert, aber wenn ich bisher etwas aus der Schule und aus Studium gelernt habe, dann dass die Ergebnisse dem Professor entsprechend angepasst werden müssen. Sonst versaut man sich nur die eigene Bewertung. Bei guten Professoren heisst das, dass man auch fehlerhafte Messdaten abgeben darf, sofern man alles gut dokumentiert. Bei schlechten Professoren muss man die Sache halt anpassen.

    Und das ist gängige Praxis, welche ich nun bereits an zwei Universitäten selber erlebt habe und schon von vielen anderen Studenten an anderen Universitäten gehört habe. Wichtig ist einfach nur, dass sich die Studenten bewusst sind, dass sie die Ergebnisse nur für die Bewertung anpassen, weil es ein schlechter Professor ist.

    Ich bin zudem auch der Meinung, dass man Übungen und ähnliches aus dem Studium nicht mit richtigen Publikationen vergleichen sollte. Was man in den Übungen macht, ist etwas für einem selbst. Man lernt zu messen und die Ergebnisse zu interpretieren oder sonst irgendetwas praktisches umzusetzen. Leider bewerten gewisse Professoren halt nicht das, was man gelernt hat. Daher sehe ich die Bewertung als etwas völlig unabhängiges von der Übung. Einer späteren Publikation steht kein Professor mehr im Weg, welcher einem die Publikation versauen wird, weil er falsch bewertet. Daher ist das für mich etwas völlig anderes.

    Grüssli



  • Also ich kann Gregor nur bestätigen, war an meiner Uni genauso.


  • Mod

    ScottZhang schrieb:

    Also ich kann Gregor nur bestätigen, war an meiner Uni genauso.

    +1. Allein die Idee, dass man versuchen könnte zu fälschen, war im Praktikum unvorstellbar.



  • Fälschung von Messdaten ist praktisch eine Todsünde.

    Wissenschaftlich ist es vor allem ein Irrweg oder Rückschritt. Es wird viel zu viel über Personen und ihre Eitelkeiten/Bequemlichkeiten diskutiert. Ich will gar nicht wissen, wie in totalitären Systemen, z.B. der DDR, gefälscht wurde, um die Nase irgendwie vorne oder im richtigen Wind zu haben.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Fälschung von Messdaten ist praktisch eine Todsünde.

    Wissenschaftlich ist es vor allem ein Irrweg oder Rückschritt. Es wird viel zu viel über Personen und ihre Eitelkeiten/Bequemlichkeiten diskutiert. Ich will gar nicht wissen, wie in totalitären Systemen, z.B. der DDR, gefälscht wurde, um die Nase irgendwie vorne oder im richtigen Wind zu haben.

    Denken wir da an Merkel, die nicht gerade zeigt, logisch denken zu können, obwohl sie DDR-Physikerin ist?



  • Dravere schrieb:

    Ich bin zudem auch der Meinung, dass man Übungen und ähnliches aus dem Studium nicht mit richtigen Publikationen vergleichen sollte. Was man in den Übungen macht, ist etwas für einem selbst. [...] Einer späteren Publikation steht kein Professor mehr im Weg, welcher einem die Publikation versauen wird, weil er falsch bewertet. Daher ist das für mich etwas völlig anderes.

    Dazu zwei Gedanken. Für wen ist denn so eine Publikation? Sofern man nicht gerade schon Professor ist, wollen die allermeisten damit auch ganz konkret ihren persönlichen Zielen näher kommen. In den meisten Fällen ist das entweder die Promotion, Habilitation oder eine Professur. Nicht "für sich selbst" arbeiten fängt in der Wissenschaft nämlich ganz schön spät an.

    Der zweite Aspekt betrifft die Bewertung. Natürlich wird auch eine echte Publikation durch Gutachter bewertet. Und da gibts auch solche und solche. Und wenn Du Pech hast, lebst Du auf demselben Gebiet mit einem, der der Meinung ist, dass Ergebnissem, die besser sind als seine, falsch sind.

    All das ist aber noch lange kein Grund seine Meßdaten zu fälschen, und sollte es daher auch in einem Praktikum nicht sein.



  • Messdaten zu fälschen ist IHMO ein Unding, auch im Praktikum.
    Ich habe einzelne Daten in Messreihen aber auch "gefälscht" (i.e. ein paar Ausreißer eingefügt, damit man Fehlergeraden/-streifen auf dem Millimeterpapier überhaupt malen konnte (war gefordert), da wir bei einem Mechanik-Versuch einfach viel zu genau gemessen (oder viel Glück gehabt) haben. Ohne erkennbare Fehlerstreifen hätten wir kein Abtestat dafür bekommen.


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