Das "Recht auf Vergessenwerden"
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Gregor schrieb:
Also: Wie seht Ihr das? Und: Haltet Ihr das Urteil eigentlich generell für richtig? Unabhängig von der Wirksamkeit?
Nö. Wenn's wahr ist, darf man es sagen. Naja, hätte ich gern.
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Würde mich auch mal interessieren, woher dieses "Recht auf Vergessenwerden" jetzt plötzlich kommt.
Wie lange muss etwas her sein, damit es vergessen werden muss?
Wie bekannt muss eine Person sein, damit etwas gefunden werden darf, weil ein öffentliches Interesse besteht? Können Leute die irgendwann gewählt werden wollen erst mal ihre "Jugendsünden" vergessenwerden lassen und wenn sie gewählt wurden, sind diese wieder öffentliches Interesse?
Müssen Leute mit fotografischem/eidetischem Gedächtnis auch gelöscht werden?
Dürfen Personalchefs jetzt noch einen nicht europäischen Proxy verwenden, wenn sie bei Suchmaschinen etwas suchen?
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MrBurns schrieb:
Würde mich auch mal interessieren, woher dieses "Recht auf Vergessenwerden" jetzt plötzlich kommt.
Hab das Gefühl, es enstammt persönlichen Abneigungen gegen google. Wenigstens in dieser verrückten Form, wo der Inhalteanbieter die Inhalte nicht zurückziehen muss und google folgen.
MrBurns schrieb:
Wie lange muss etwas her sein, damit es vergessen werden muss?
Drei Jahre, siehe Honecker.
MrBurns schrieb:
Wie bekannt muss eine Person sein, damit etwas gefunden werden darf, weil ein öffentliches Interesse besteht?
Oh, wie gern wüßte ich, ob Schröder seine Haare färbt.
MrBurns schrieb:
Können Leute die irgendwann gewählt werden wollen erst mal ihre "Jugendsünden" vergessenwerden lassen und wenn sie gewählt wurden, sind diese wieder öffentliches Interesse?
Werden wir an Guttenberg sehen.
MrBurns schrieb:
Dürfen Personalchefs jetzt noch einen nicht europäischen Proxy verwenden, wenn sie bei Suchmaschinen etwas suchen?
Bald dürfen Internet-Provider keine nichteuropäischen Suchmaschinen mehr durchleiten.
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earli schrieb:
Google ist hier das falsche Ziel. Wenn über mich was auf einer Webseite XY steht, dann sollte ich das mit Webseite XY ausmachen. Google durchsucht nur.
Das hatte der Typ ja versucht, aber mit dem Versuch, den Zeitungsartikel "wegzuklagen", war er schon endgültig gescheitert. Das war jetzt sein zweiter Versuch, und der hat geklappt.
Eigentlich wird damit nur ein menschlicher Fehler zu reparieren versucht, daß nämlich nicht wenige Menschen einer solchen uralten Information unangemessen viel Bedeutung zuordnen.
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Das Gesetz ist Schwachsinn, auch wenns richtig ist, und zeigt das Politiker (oder wer auch immer) noch nicht mit dem Netz umgehen können, alte Säcke halt.
Eine Information ist entweder allen zugänglich oder keinem, sonst handelt es sich um Herrschaftswissen. Das reine Ausblenden durch dritte, also die Zugangskontrolle, kann ja wohl nicht die Lösung sein.
Mal ganz biologisch, man beachte:
Und Recht auf Vergessen ist umgekehrt ein Vorschreiben von Gedanken ...
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volkard schrieb:
MrBurns schrieb:
Würde mich auch mal interessieren, woher dieses "Recht auf Vergessenwerden" jetzt plötzlich kommt.
Hab das Gefühl, es enstammt persönlichen Abneigungen gegen google. Wenigstens in dieser verrückten Form, wo der Inhalteanbieter die Inhalte nicht zurückziehen muss und google folgen.
Ich habe gestern noch den passenden Wikipedia-Artikel dazu gefunden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_Vergessenwerden
Wenn ich das dort richtig interpretiere, dann hat dieses Recht eine lange Vorgeschichte und Leute, die sich stark dafür einsetzen. Für mich sieht der Artikel aber auch so aus, als ob man sich auf europäischer Ebene eigentlich bewusst dafür entschieden hat, dieses Recht nicht in die Datenschutz-Grundverordnung aufzunehmen. Offensichtlich sagen die Richter, dass es implizit doch drin ist.
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nachtfeuer schrieb:
Gibt es als andere Denkmöglichkeit ein Recht auf Vergebung?
Ich kann nachvollziehen, dass es für das "Recht auf Vergessenwerden" diverse Motivationen in der heutigen Zeit gibt. Ich meine, wenn man nicht aufpasst, dann hat man ruck-zuck irgendetwas im Internet erzeugt, das einen den Rest des Lebens global verfolgen wird. Heutzutage ist es vermutlich so, dass einem dadurch gesellschaftlich viele Möglichkeiten genommen werden. Ich kann zum Beispiel den Kläger in dem zugrundeliegenden Beispiel verstehen, falls er durch diese Information im Internet ernsthafte Probleme bekommen hat, Geschäftspartner zu bekommen.
Andererseits denke ich, dass die Möglichkeiten, die einem durch das Urteil des europäischen Gerichtshofs jetzt gegeben werden, völlig unwirksam sind und, dass die diffusen Formulierungen, die in diesem Zusammenhang genannt wurden, unter Umständen auch viele Informationen betreffen, an die man dabei eigentlich nicht gedacht hat.
Ich denke, auf Dauer wird die Gesellschaft einen Weg finden müssen, mit derartigen Informationen im Internet umzugehen. Ich glaube nicht, dass es in dem Sinne ein "Recht auf Vergebung" geben wird, aber vielleicht werden derartige Informationen irgendwann von den Leuten stärker hinterfragt und man guckt auch mal, wann derartiges entstanden ist.
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Gregor schrieb:
Ich denke, auf Dauer wird die Gesellschaft einen Weg finden müssen, mit derartigen Informationen im Internet umzugehen. Ich glaube nicht, dass es in dem Sinne ein "Recht auf Vergebung" geben wird, aber vielleicht werden derartige Informationen irgendwann von den Leuten stärker hinterfragt und man guckt auch mal, wann derartiges entstanden ist.
Das glaube ich nicht, denn es ist ja keine Frage des Mediums. Fernsehen, Radio, Bilder, Textzeitungen, alles ist eine gewisse Zahl von Jahren alt, und die meisten Menschen hinterfragen wahrscheinlich (immer noch) nicht, was ihnen da geboten wird. Jetzt ist halt das Internet das neue Medium mit noch mehr Informationsfülle und noch größerer Reichweite bis ins Detail, da wird doch Hinterfragen eher noch schwieriger.
Also, die Gesellschaft müßte vielleicht einen Weg finden, aber sie wird wahrscheinlich nicht.
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scrub schrieb:
earli schrieb:
Google ist hier das falsche Ziel. Wenn über mich was auf einer Webseite XY steht, dann sollte ich das mit Webseite XY ausmachen. Google durchsucht nur.
Das hatte der Typ ja versucht, aber mit dem Versuch, den Zeitungsartikel "wegzuklagen", war er schon endgültig gescheitert. Das war jetzt sein zweiter Versuch, und der hat geklappt.
Eigentlich wird damit nur ein menschlicher Fehler zu reparieren versucht, daß nämlich nicht wenige Menschen einer solchen uralten Information unangemessen viel Bedeutung zuordnen.Wenn er gegen die Zeitung verloren hat, sollte er gegen Google auch verlieren. So einfach ist das.
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scrub schrieb:
Jetzt ist halt das Internet das neue Medium mit noch mehr Informationsfülle und noch größerer Reichweite bis ins Detail, da wird doch Hinterfragen eher noch schwieriger.
Es geht doch nicht um die "größerer Reichweite bis ins Detail". Es geht darum dass kein Mensch 10 Jahre alte Zeitungsartikel rumliegen hat, und selbst wenn, man darin nicht ruckzuck nach einem Namen suchen kann.
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earli schrieb:
Wenn er gegen die Zeitung verloren hat, sollte er gegen Google auch verlieren. So einfach ist das.
Das ist Bullshit, weil überhaupt nicht vergleichbar. Siehe oben. So einfach ist das.
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hustbaer schrieb:
earli schrieb:
Wenn er gegen die Zeitung verloren hat, sollte er gegen Google auch verlieren. So einfach ist das.
Das ist Bullshit, weil überhaupt nicht vergleichbar. Siehe oben. So einfach ist das.
Bullshit ist doch eher das "Recht auf Vergessen", welches gar kein Recht ist, sondern eine Pflicht für andere.
Viel besser wäre der amerikanische Weg, dort darf jeder nach Lust und Laune jeden Tag seinen Namen ändern, und muss dazu nichtmal zum Amt.
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Man könnte noch darüber nachdenken, was zu tun wäre, wenn alle (verfügbaren) Festplatten voll sind.
Was ist vergessen eigentlich? Geht das überhaupt?
Bei mangelndem Speicherplatz wäre aufgeben der Speicheraktivität oder Überschreiben angesagt. Was passiert beim Stille Post spielen?Ein Punkt wird vielleicht nicht so deutlich: Die Organisation von Daten.
Bei Suchmaschinen werden Daten automatisiert "geordnet", das ist schon mal ein kritischer Punkt. Man könnte sich z.B. über die Ordnungsschemata streiten.Wenn im Fernsehen oder Radio neue Musiker interviewt werden, dann heißt es oft: "hey, das klingt ja wie X, seid ihr Y-Genre Musiker?"
Die Musiker antworten oft, sie machen etwas ganz neues, und wollen nicht im Voraus in eine Schublade gesteckt werden. Der Wunsch ist verständlich.
Aber geht das überhaupt? Etwas nicht in eine Schublade packen? Und welchen Sinn sollte das haben - wir "denken" halt so, und Schubladen sind ziemlich normal.Wenn man Artikel in einer Datenbank mit über >100 000 Artikeln sucht, dann braucht man Hilfen zum Auffinden des gewünschten Artikels. Wenn eine Suchmaschine statt des gewünschten Artikels die meistangeklickten Artikel an die "Oberfläche" befördert (und statt der eigentlichen Info DIESE eingesetzt)(vielleicht aus Zeitnot), dann wird (wohlgemerkt: "Automatisch") "Realität" verzerrt.
Es ist gut, wenn man sich einigermaßen bewußt machen kann, was vor sich geht bei "Realitätsverbiegungen". Es ist noch besser, wenn man sie mitgestalten kann, denn darum geht es letztendlich. Google ist kein Wohlfahrtsverein, sondern ein normales, nach Gewinnmaximierung strebendes Unternehmen. Bei der Gewinnmaximierung werden Persönlichkeitsrechte nur indirekt berücksichtigt.
Bei der persönlichen Vorurteilsbildung spielen Persönlichkeitsrechte vermutlich auch eher eine untergeordnete Rolle.
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Macht Google aber auch bisher aus Kulanz.
Ich hatte den Fall das mein CV in nicht anomysierter Form von Google ge-mined wurde, weil irgend so ein Idiot unabsichtlich einen deep seach in deren DB zugelassen hatte. Das meldete mein Spider und dann hatte ich die Firma gezwungen per FAX aufzuräumen.
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Viel besser wäre der amerikanische Weg, dort darf jeder nach Lust und Laune jeden Tag seinen Namen ändern, und muss dazu nichtmal zum Amt.
Damit mach ich aber den Bock zum Gärtner. Und das Opfer zum Täter.
Was würde das für den Fall Bettina Wulff bedeuten? Sie klagte gegen Google weil die Suchvervollständigung bei der Eingabe von "Bettina Wulff" auf "Bettina Wulff Rotlichtmillieu" vervollständigen wollte. Müsste sie dann systematisch das Internet nach Diffamierungen über sich durchsuchen und jedesmal ihren Namen ändern, wenn sie jemand diffamiert? Und das nur weil sie jemand diffamierte?
Uhh.
Wenn Namensänderungen einfach wären, ich pleite wäre, mich die Schufa als untauglich darstellt, könnte ich da nicht einfach hingehen, meinen Namen ändern s.d. die Schufa würde mich nicht mehr kennen würde und mir wieder Geld leihen, obwohl ich schon mit 100000€ in der Kreide stehe? Nein! Die Behörden müssten die Namensänderung mitbekommen, was aufgrund deiner Idee mit mehr Verwaltung verbunden wäre. Denn anstatt 1000 Namensänderungen im Jahr müsste man dann 1000 im Monat durchführen; abhängig von der Zahl der Diffamierungen im Netz. Und ich glaube das wird teuer... :p
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Ich gebe mal unabhängig von den Vorrednern meinen Senf dazu:
Bei jeder Methode, die dazu dient, sich zu schützen -sei es das Haus, der PC oder auch die eigene Würde-, gilt es, den Weg zum zu schützenden Gut möglichst
schwierig zu gestalten.
Wenn ich nicht möchte, dass jemand bei mir einbricht, schließe ich meine Haustür ab. Der Einbrecher kann das Schloss aufbrechen oder sucht sich bei der Suche nach einem Eintrittsweg eine andere Stelle, die schneller zu überwinden ist.Biete ich derjenigen Person, die teils gar falsche Informationen über mich, die diffamierend sein können, ermitteln möchte, eine Hürde auf dem Weg zum "Ziel", so muss sie diese Hürde überwinden. Hier beginnt die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen, welche schon jetzt, wenn die gesuchte Information nicht bei großen Suchmaschinen auftaucht, ein paar Leute von weiteren diesbezüglichen Anstrengungen abhält.
Wenn schon bei der Eingabe eines Namens diskriminierende Inhalte gezeigt werden, um den Fall von Bettina Wulf zu nennen, werden sie der Öffentlichkeit sogar ohne direktes Interesse an diesen Informationen präsentiert. Es bedarf also nicht mal eines Zieles, um bei der Onlinesuche auf Inhalte dieser Art zu treffen.Sollten die eigentlichen Quellen dieser Daten gelöscht werden, kann man auch sagen, dass es nicht viel bringt, weil man mit Internetzeitmaschinen längst gelöschte Webseiten hervorbringen kann. Es wird jedoch eine gewisse Motivationsenergie dafür benötigt, was die Menge an Menschen, die an die unangenehmen Inhalte gelangen, einschränkt.
... Aus diesem Grund erachte ich ein "Recht auf Vergessenwerden" sehr wohl als angemessen, weil es die Würde des Menschen in unserer Informationsgesellschaft schützt.
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Ein Brite erklärt den Amis das europäische Urteil: https://www.youtube.com/watch?v=r-ERajkMXw0
Dem ist nichts hinzuzufügen.