Eine kleine Geschichte
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Hallo!
Ich arbeite da an einer kleinen (hoffentlich lustigen) Geschichte.
Vielleicht habt Ihr ja mal Lust, sie Euch durchzulesen und Eure Meinung dazu zu sagen.
Ich poste hier erstmal nur einen kleinen Teil.-----
Sein Name war Bristav. Einfach nur Bristav. Niemand wusste genau, ob das nun sein Vor- oder sein Nachname war, nicht einmal er selbst wusste das. Von seinen Eltern wurde er in seiner sehr harten Kindheit immer nur „Halt’s Maul!“ oder „Bis’ jetzt still!“ gerufen. Eines Tages schaffte er es, aus dem Kohlebergwerk zu fliehen, an das ihn seine Eltern für ein wenig Geld verkauft hatten – im Alter von fünf Jahren. Durch Zufall traf er eine Herde in freier Wildbahn lebender Kinder (Separatisten, Rebellen, politische Flüchtlinge und gesuchte Schwerverbrecher) und kämpfte sich bis an deren Spitze. Nur gab es aber ein Problem: Er hatte keinen Namen. Eines der Kinder, das lesen und schreiben konnte, schrieb ein paar Silben auf kleine Zettelchen, und so losten sie. Heraus kamen Bris und tav – Bristav.
Nun war der kleine Bristav gewaltig gewachsen und 26 Jahre alt. Er saß seit neunzehn Jahren hinter Gittern, wegen mehrfacher „Körperverletzung mit einem harten Gegenstand“, Sachbeschädigung, Erpressung, Betrug, Handel mit Drogen, Drogenbesitz und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Ja, die Richter mussten sogar neue Bezeichnungen für die Art von Verbrechen aus dem Hut zaubern, die der kleine Bristav begangen hatte.
Bristav saß in seiner Zelle, zusammengekauert in der Ecke. Die Architekten des Gefängnisses waren wohl ganz besondere Zyniker, denn sie hatten das Gefängnis komplett aus Panzerglas konstruiert, und zwischen den einzelnen Zellen waren kleine Räume, gefüllt mit den leckersten Köstlichkeiten, während die Gefangenen nur pürierten Zwieback als Mahlzeit bekamen (manchmal auch Drei- oder Vierback, je nach Wochentag und Stimmung des Koches, der nur ein angelernter halbprofessioneller Elektriker war). Doch die größte Gemeinheit war, dass die bis auf ein kleines Lachgasventil völlig leeren Räume es praktisch nicht zuließen, eine bequeme Liegehaltung einzunehmen. Dafür hatten die Architekten schon gesorgt, und in Zusammenarbeit mit hochbezahlten Psychologen wählten sie die deprimierendsten Muster und Farben für die nicht-gläsernen Teile des Häftlingstrakts aus. Dazu gab es 24 Stunden bayrische Volksmusik. Dieses Gefängnis, dieses schreckliche Gebäude mit dem Namen Zum lachenden Hans, war wirklich die Hölle.Es war Nacht, und es war Winter. Genauer gesagt war es der 26. November. Die Straßenlaternen taten ihren Dienst, und auf den Straßen fuhr nur hin und wieder ein Auto. Nur eine Person in der Stadt ahnte, dass es das alles vielleicht bald nicht mehr geben würde. War es Bristav? Nein! Es war ein geheimnisvoller, für uns bis jetzt noch unbekannter Mann. Wir wollen ihn erst einmal Mario nennen, bis er seinen Namen verrät. Mario hatte sich, um noch geheimnisvoller zu wirken, die linke Hälfte des Körpers weiß und die rechte Hälfte schwarz angestrichen. So wanderte er durch die Nacht. War jemand in der Nähe, so drehte er ihm einfach die schwarze Seite zu und wurde nicht entdeckt, oder falls doch, für einen komplett durchgedrehten Irren gehalten. Gerüchte besagten sogar, dieser Mann bestehe aus dunkler Materie. Darum verfolgten ihn auch monatelang diverse namhafte Physiker. Diese Monate der ewigen Verfolgung machten ihn unglaublich paranoid.
Mario wandelte durch die tiefe Nacht des kleinen Örtchens, in dem er lebte. Doch er wandelte nicht ziellos – er hatte eine Mission. Ein Blick auf sein mobiles GPS-Gerät ließ ihn zuerst anhalten und dann verärgert umkehren. Er ließ das Maisfeld und das von der Regierung darin versteckte Atomkraftwerk hinter sich und passierte die nördliche South River Bridge, bevor er an der zweiten roten Ampel dreimal links abbog.
Ein schwefeliger Geruch lag in der Luft. Mario musste schlagartig an seine erste große Liebe denken. Doch dieser Geruch bedeutete auch, dass er nicht mehr weit von seinem Ziel sein konnte. Und tatsächlich: In der Ferne – nicht mehr als fünfhundert Meter – konnte er bereits ein Glitzern und Funkeln ausmachen. Als er immer näher kam, war er sich ganz sicher: Das war sein geheimer Kollege, der Spiegelmann. Er trug ein Federkostüm, über und über mit kleinen Spiegeln bespickt. Mario brauchte ihn für viele seiner geheimen Missionen, denn er konnte ihn immer leicht finden, da von seinem lächerlichen Kostüm so gut wie jeder Lichtstrahl zurückgeworfen wurde. Die eigentliche Taktik bestand darin, dem Spiegelmann ein kleines Objekt zu überreichen (eine Nagelschere oder eine kleine Marienstatue, in Eichenholz gegossen), um die Aufmerksamkeit eines eventuellen Verfolgers auf ihn zu lenken. Der Spiegelmann würde sich dann mit tanzenden Bewegungen entfernen, und Mario würde – dem Verfolger seine schwarze Seite zugewandt – langsam den Weg zu seinem wirklichen Ziel beschreiten. Der Spiegelmann führte dann immer noch eine kleine Puppe mit sich, die aussah wie Mario. Ein dritter Mann – bisher elegant im Hintergrund geblieben – würde mit einem gigantischen Vergrößerungsglas zwischen dem Spiegelmann und dem Verfolger herlaufen, um die kleine Mario-Puppe für den Verfolger in Originalgröße erscheinen zu lassen. Da man nie wusste, wie viele Verfolger in der Dunkelheit lauerten, gab es immer mehrere Spiegelmänner, und bei manchen Missionen befanden sich mehrere Dutzend Agenten im Einsatz (zumeist illegale Einwanderer und Arbeitslose, doch manchmal sogar prominente Schauspieler oder der Bürgermeister). Zugegeben: Ein sehr aufwändiges Verfahren, doch Professionalität hat eben ihren Preis.
Mario und seine Crew zogen also ihr übliches Spielchen durch, mitten auf dem Hof der Grundschule Sankt Horst-Peter Augustin zu Fluorid-Weber. Sie hatten das schon hunderte Male so gemacht, und nie war ihnen jemand auf die Schliche gekommen – wie hätte man auch?
Während die Helfer in Richtung der nächsten Dorfkneipe abrückten, marschierte Mario – nun gut getarnt als große Zuckerrübe – zu seinem Ziel. Es lag auf der anderen Seite des Dorfes, sehr abgelegen inmitten eines kleinen Pinienwaldes. Hier hatte Mario schon viel erlebt, in seiner Kindheit. Auch damals legte er schon Wert auf ein äußerst geheimnisvolles Auftreten. An Karneval verkleidete er sich als Fragezeichen, oder er ging zusammen mit seinem Bruder als Primzahlenzwilling. In diesem Wald war es auch, wo er die ersten Pläne zur Ausrottung der Eintagsfliegen schmiedete, doch das ist eine andere Geschichte.
„Du darfst jetzt nicht in Erinnerungen schwelgen!“ suggerierte ihm seine schwarze Hälfte. „Ya got a mission to accomplish, man! So c’mon now, guy!“ fügte die weiße Hälfte hinzu, die amerikanischen Slang mit rumänischem Akzent sprach.Bristav hatte schon alle Hoffnung aufgegeben. Die Richter hatten ihm fünffach Lebenslänglich aufgebrummt. Bristavs einzige Beschäftigung war Fußball zu spielen – gegen sich selbst, im Kopf. Unzählige Spiele, unglaubliche Langeweile. Er hatte jegliches Raum- und Zeitgefühl in seiner 1,20m hohen Zelle verloren. Links über ihm vegetierte ein mexikanischer Nacho-Verkäufer vor sich hin, den man für seine Missetaten hinter Gitter gebracht hatte. Er hatte Marihuana in seine Nachos gemischt und sie zum Drogen-Dealen genutzt. Bristav hatte in all der Zeit vergeblich versucht, sich mit dem Mann zu verständigen, denn er war der einzige Mensch in seiner Nähe. Die anderen Nachbarzellen waren entweder leer, oder die Insassen waren schon gestorben.
Plötzlich vernahm er einen dumpfen Schlag, weit unten im Gebäude. Nun hörte man jemanden den Fahrstuhl betreten. Der Fahrstuhl hielt in Bristavs Etage an, und jemand kam entschlossenen Schrittes heraus. Bristav konnte nur etwas Schwarz-Weißes erkennen. Es war Mario! War er gekommen, um ihn zu retten?
„Hallo, ich bin gekommen, um Sie zu retten! Ja, da gucken Sie jetzt, ne?“ sagte Mario. Bristav sah ihn erstaunt, aber noch ungläubig an. „Du mich retten?“ antwortete er. „Ja. Mein Name ist Rando – Rando M. Seed!“. Rando schlich sich langsam an den Gefängniswärter heran. Dabei drehte er ihm seine weiße Hälfte zu, so dass er praktisch unsichtbar war. Er holte weit aus und fragte dann: „Hallo, verkaufen Sie Apfelbaumsetzlinge?“. Als der Wärter sich umdrehte, hatte er schon Randos weiße Faust im Gesicht und ging zu Boden. Rando schnappte sich seinen Schlüssel und befreite Bristav und noch ein paar andere Schwerverbrecher. Sie alle sollten eine zweite Chance erhalten.Rando und Bristav marschierten vorbei am niedergeschlagenen Wärter, vorbei an den Häftlingen, die nicht befreit wurden, und nun wütend gegen die Scheiben trommelten (man hörte aber nichts, sondern sah sie nur herumhampeln). Bristav konnte es immer noch nicht glauben. „Warum Du wolltest gerade mich retten?“ wollte er wissen. Doch Rando war plötzlich gar nicht mehr so gesprächig und wandte Bristav seine weiße Seite zu. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl runter bis in die Lobby. Doch da warteten schon etliche bewaffnete Wärter und Polizisten. Ja, sogar ein gepanzerter Einsatzwagen der Polizei stand dort. Als sich die Fahrstuhltür öffnete, blickten die beiden in unzählige Pistolen- und Gewehrläufe. „Kommen Sie mit erhobenen Händen aus dem Fahrstuhl heraus!“ schallte es. Bristav hatte seine Hoffnung schon wieder aufgegeben, doch Rando schien mit solch einem Zwischenfall gerechnet zu haben. Er zückte schnell sein kleines Funkgerät (geschickt getarnt als eine 9mm-Pistole). „Rando an S.M.E.T.! Plan B!“ übermittelte er. Während er wie Bristav die Hände hochnahm, grinste er zufrieden vor sich hin.
Auf einmal klirrte es, und viele glitzernde, funkelnde Männer kamen an Seilen durch die Fensterscheiben gekracht. Es war die S.M.E.T. – die Spiegelmann-Einsatztruppe! Direkt danach sprangen zehn weitere Männer herein, mit den Vergrößerungsgläsern. Sie richteten ein großes Tohuwabohu an, und die Polizisten und Wärter guckten verdutzt. Das war die Chance, auf die Rando gewartet hatte. Auf seine Spiegelmänner konnte er sich immer verlassen. Schnell flüchtete er mit Bristav mitten durch das Chaos in die Freiheit, während seine Kollegen drinnen die Polizisten ablenkten. Für einen kurzen Moment standen die Männer mit den Vergrößerungsgläsern in einer sehr ungünstigen Formation: Die Lichtstrahlen, die vom Feuerzeug eines der Wärter ausgingen, wurden mehrfach gebündelt und steckten die mit Bärenfellen ausgekleidete Lobby in Brand. Das Chaos war perfekt, und niemand würde Verdacht schöpfen. Man würde denken, Rando und Bristav seien verbrannt oder tödlich auf einer Bananenschale ausgerutscht.Bristav war unglaublich froh, endlich wieder frei zu sein. Ein Gefühl, dass er erst einmal hatte, kurz nach seiner Geburt. Ein paar Fotos erinnerten ihn daran, wie er mit knapp einem halben Jahr bereits arbeiten gehen musste, da sein Vater mehr Geld für seinen Alkohol brauchte, und die Mutter mehr Geld für ihre Zigarren. Er arbeitete auf verschiedenen Frachtschiffen. Da er ja noch so klein war, konnte er wunderbar in die verschiedensten Rohre im Inneren der Schiffe kriechen und nach Verstopfungen suchen.
Rando riss ihn wieder aus seinen Träumen. Er drehte sich zu ihm, so dass Bristav seine schwarze und seine weiße Hälfte sehen konnte. Das war äußerst selten.
„So, mein lieber Bristav. Sie wollten wissen, warum ich gerade Sie befreit habe? Nun, um ehrlich zu sein: Wegen mir hätten Sie im Gefängnis vergammeln können. Solche Leute wie Sie sind es, die unsere Gesellschaft am wenigsten brauchen. Bis auf jetzt. Etwas Großes bahnt sich an.“
„Was Großes?“
„Ja, das sagte ich doch. Ich weihe Sie jetzt in ein Geheimnis ein, von dem bisher nur ich weiß. Es gelang mir, eine Verschwörung größten Ausmaßes zu entdecken. Schauen Sie einmal nach oben. Was sehen Sie da?“
„Bristav sieht, äh, Flattervogel mit Flügeln! Und Sterne, ganz viele Sterne!“
„Richtig. Und wenn Bristav die Sterne mal genau betrachtet, was fällt ihm dann auf?“
Bristav schaute eine Weile konzentriert in den Himmel. „Aha, Sterne tun sich bewegen, ne?“
Rando war überrascht, dass Bristav nach all den Jahren im Gefängnis überhaupt noch denken und sprechen konnte. „Bingo! Aber der Punkt ist: Die Sterne bewegen sich anders – schneller – als sie es eigentlich tun müssten. Außerdem werden der Mars, der Jupiter, der Saturn und die äußeren Planeten immer größer. Die Erde bewegt sich, sie verlässt ihre Bahn.“
„Aber wohin?“
„Das versuche ich noch herauszufinden. Auf jeden Fall tut sich da etwas ganz Großes. Viele Astronomen sind in den letzten Wochen durch ‚Unfälle’ ums Leben gekommen. Ich glaube, dass sie ermordet wurden, weil sie dieselbe Entdeckung wie ich gemacht haben. Außerdem hat die Regierung verschiedene Sternwarten schließen lassen.“
„Und ich? Was hat Bristav mit Sternen zu tun?“
„Sie – wenn ich das nur wüsste ... ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht des Rätsels Lösung kennen würden. Immerhin waren Sie ja lange Zeit eingesperrt und hatten genügend Zeit, über allerhand Dinge nachzudenken.“
Bristav musste lachen. „Ich hab Sterne nie gesehen da drin, wie soll ich da ...“
„Na ja, nun ist es zu spät – ich habe Sie befreit, und jetzt werden Sie mir auch behilflich sein, dieses Geheimnis zu lüften.“
Ein Vogel flog im Tiefflug an ihnen vorbei.
„Ich schlage vor, dass wir ...“ – noch ein Vogel, dann noch einer. Immer mehr von ihnen stürzten sich aus dem Nachthimmel herab und attackierten Rando. „Das sind Spione! Schnell! Wir müssen zur Sternwarte!“ rief er und drehte den Vögeln seine schwarze Seite zu, doch es brachte nichts. „Verdammt, sie müssen so eine Art Infrarotsichtgerät haben!“
Im letzten Moment konnten sich die beiden in eine Kneipe retten. Wo Rando noch vor einer Sekunde gestanden hatte, war nun alles voll mit Vögeln, mit ihren spitzen Schnäbeln im Asphalt steckengeblieben. Das war ganz eindeutig ein Mordanschlag. Jemand musste von Randos Wissen erfahren haben. Wissen, das so wichtig war, dass man jemanden dafür sterben lassen wollte.Die Kneipe, in die sie da geraten waren, war wohl der Treffpunkt aller Asozialen, aber immer noch besser, als von den Vögeln ermordet zu werden, oder? Aus allen Ecken dröhnte Hardrockmusik, aber aus jeder Ecke ein anderes Lied. Man kann sich leicht vorstellen, wie sich so etwas anhört. Zusammen mit dem Gegröle der betrunkenen Gäste, die teilweise auch dort übernachteten, war es ein einzigartiges akustisches Erlebnis.
Mit einer eleganten zylinderförmigen Bewegung zog Bristav einem der Gäste seinen Barhocker weg und nahm seinen Platz ein. „Ich nehm en jroßes Helles!“ teilte er dem Barkeeper mit, der auf einem protzigen Motorrad hinter dem Tresen saß. Bristav hatte nun seine alte Sprache wiedergefunden.
„Nein, sind Sie verrückt geworden! Sie dürfen sich jetzt nicht betrinken! Ich bin auf Ihren brillanten Verstand angewiesen!“ schrie Rando. Bristav sah das ein. „Najut, dann nehm ich nur en doppelte Sherry, aber ohne Bröckche!“. Der Barkeeper betätigte zur Bestätigung zweimal die Hupe seines Motorrads und ließ die Maschine ein wenig aufheulen. Der Raum füllte sich mit den erstickenden Abgasen. Den anderen Gästen schien das nichts auszumachen, aber Rando und Bristav bekamen Hustenanfälle.
Während Bristav seinen Sherry löffelte, warf Rando immer wieder nervöse Blicke nach draußen. Die Vogelattacke hatte immer noch nicht ganz aufgehört.
„Willste uch jät trinke?“ fragte Bristav. „Ach, ich nehme nur ein Glas Kakao!“. Der Barkeeper guckte verdutzt. „Wat is dat dann? Wieviel Umdrehungen hat dat?“ wollte er wissen. Rando sah ein, dass man als Besitzer solch einer Kneipe keinen Kakao kennen musste. „Gut, in Gottes Namen, dann geben Sie mir einen Kakao mit Rum!“. Der Blick des Barkeepers änderte sich: Dieses Getränk kannte er! Er drehte einen Griff an seinem Motorrad, und schon flossen Kakao und Rum im Verhältnis 1 zu 1 in ein Glas, das wahrscheinlich erst einmal richtig sauber gemacht wurde.
Rando roch einmal kurz an seinem Gesöff und schüttete es dann heimlich auf den Boden. „Ups!“. Der Barkeeper konnte das nicht sehen, weil der dichte Rauch und Qualm die Sichtweite auf weniger als einen Meter begrenzten.
Ein tiefer gewaltiger Rülpser kam aus der anderen Ecke des Lokals, gefolgt von grölendem Gelächter und Applaus der anderen Gäste. Der Barkeeper hupte noch einmal, um seine Anerkennung zu zeigen.
Rando wollte nicht mehr lange in dem Lokal ausharren und wagte einen erneuten Blick nach draußen. Die Vögel waren alle weg. Nur die Löcher ihrer Schnäbel waren noch im Boden. Eine karierte Feder flatterte noch durch die Luft. Er rüttelte Bristav wach. „Wir sollten jetzt besser gehen!“ sagte er. Das taten die beiden dann auch. In der Ecke des Lokals funkelte etwas Bösartiges.Die beiden charterten einen Reisebus und fuhren zur Sternwarte, die vor kurzem geschlossen wurde. Die Tür war verschlossen. Rando war entsetzt. „Verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Das bringt meinen ganzen Plan durcheinander!“. Doch da fiel ihm ein alter Trick ein, den er von seinem Großvater gelernt hatte. Gekonnt bewegte er sich ein Stückchen in die vierte Dimension, dann durch die Tür und wieder zurück in den normalen Raum. Doch dieser Trick funktionierte leider immer nur einmal, danach nie wieder. Bristav konnte nicht glauben, was er sah, und schob es auf den Alkohol. Von innen öffnete Rando ihm die Tür.
Unzählige Computer, komplizierte Geräte und Kaffeemaschinen standen in allen Ecken. Bristav stand nur mit offenem Mund da, während Rando den Strom einschaltete und anfing, an einem der Computer zu arbeiten. Schon nach ein paar Klicks mit der Maus hatte er ein schönes animiertes 3D-Diagramm auf den Bildschirm gezaubert. Es zeigte das Sonnensystem und ein paar ziemlich große Asteroiden, die es durchquerten. Sie waren in sicherer Entfernung zur Erde. Doch nun berechnete Rando die Bewegung der Erde mit ein, die er am Himmel beobachtet hatte. Sie wurde nun von den Asteroiden getroffen und ging fast komplett in Flammen auf.
„Och nee, dat is ja ne Jemeinheit!“ rief Bristav sichtlich erbost, als er das sah. Rando zoomte näher an den kleinen Teil der Erde heran, der von der Katastrophe verschont geblieben war: Es waren die Bermuda-Inseln! Dann stürzte das Computerprogramm mit einem schweren Ausnahmefehler ab.
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*g* net schlecht
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Dankesehr
Teil 2 kommt bald (ist schon fertig, muss nur noch den nächsten passenden Abschnitt suchen).
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Wer "Per Anhalter durch die Galaxis" mag, wird Deine Geshichte durchaus auch mögen, schätze ich.
Jedenfalls kommt mir der Stil ähnlich abgefahren vor.Das ist nicht so 100% mein Geschmack (ich mags mehr (Pseudo-)real und weniger wirr, z.B. W. Hohlbein).
Aber ist ne lustige Geschichte.
Wenn das Deine erste Geschichte ist und Du weiter schreibst wird sich Dein Stil sicher noch verbessern...den 2. Teil lese ich mir auf jeden Fall auch durch, sobald ich Zeit habe.
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Danke. Es ist bei weitem nicht meine erste Geschichte, jedoch die erste seit längerer Zeit.
Seid gespannt auf Teil 2!
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fit schrieb:
Wer "Per Anhalter durch die Galaxis" mag, wird Deine Geshichte durchaus auch mögen, schätze ich.
Jedenfalls kommt mir der Stil ähnlich abgefahren vor.Jo, da musste ich auch dran denken
fit schrieb:
Das ist nicht so 100% mein Geschmack
Meiner schon
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o!, ich dachte, ich hätte hier schon gepostet?!
auf jedenfall ne nette geschichte, aber imo sind ein bisschen zu viele fakten auf kurzem raum. (ein bisschen wenig beschreibung)
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OK, ich werde die Sachen noch etwas mehr ausschmücken.
Sonst wird's vielleicht wirklich etwas viel.
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*gespanntaufteil2wart*
Ich musste auch irgendwie an "Per Anhalter durch die Galaxis" denken
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Teil 2
Weit weg von Rando und Bristav saßen sich zwei Männer an einem 15 Meter langen schmalen Tisch in einem fast kugelförmigen Raum gegenüber. Offensichtlich warteten sie auf eine dritte Person. An der Wand hing ein Gemälde, das einen Clown zeigte. Der Clown war am brennen, und kleine freche Kinder schossen ihm Pfeile in den Hintern. Trotzdem musste der Clown lächeln und albern herumtanzen, denn das war ja sein Job. Der Rest der Wand war mit Hirschgeweihen behangen, und ein großer bedrohlich wirkender ausgestopfter Bär hing kopfüber an der Decke.
Schließlich öffnete sich die Tür und der erwartete dritte Mann betrat den Raum. Die beiden bereits anwesenden Männer standen auf und sahen ihn respektvoll an. „Guten Abend, meine Herren! Mein Name ist Professor Winn Dousruls.“ sagte er und nahm an der Mitte des Tisches Platz.
„Ich bin Ulrich Klafonz, geborener Ryddhingswelth.“ stellte sich der nächste Mann vor, und der andere sagte gar nichts.
Der Professor schenkte sich etwas Kandiszucker ein und ergriff das Wort. „Meine Herren! Die E.M.C. hat uns beauftragt, so schnell wie möglich die zweite F.P.R.T.-Phase unseres E.M.T.A. zu starten!“. Die beiden anderen Männer nahmen ein Blatt aus ihren Aktentaschen, auf dem sie die Bedeutung der Abkürzungen heraussuchten.
„Ah, ja ... Sie müssen aber wissen, dass ... unser ... E.M.T.A. noch nicht völlig ausgereift ist.“ stotterte Herr Klafonz, dauernd auf seinem Blatt nach den Abkürzungen suchend.
„Dies ist, äh, korrekt. Es könnte uns, äh, zerfetzen, wie einen, ähem, Vogel in der, äh, Luft.“ sagte der No-Name-Mann.
„Vogel, sagen Sie? Das bringt mich gleich auf ein anderes Thema. Hatte unsere Aktion Erfolg?“ wollte der Professor wissen.
„Wir werten zur Zeit noch die Satellitenbilder aus. Aber allem Anschein nach ist er tot.“ antwortete Klafonz zur größten Zufriedenheit des Professors. „Endlich haben wir diesen Schweinehund erwischt! Er wird uns nicht mehr ins Handwerk pfuschen, das hat er schon zu oft getan. Damals in Operation Wiener Würstchen hat er vier meiner Männer auf dem Gewissen gehabt, und er ist es schuld, dass ich niemals im Stande sein werde, Nachwuchs zu zeugen! Wenn Sie mir jetzt noch seinen Kopf bringen, werde ich ihn aushöhlen und als Sankt-Martins-Laterne benutzen. Besorgen Sie daher noch ein paar Kerzen. Oder, nein, elektrisch ist besser.“
„Wird gemacht, Herr Professor! Doch nun zurück zu unserem, äh, ... E.M.T.A.! Phase 2 kann unmöglich gestartet werden. Erstens verbrauchen wir viel zu viel Strom und zweitens hat sich ein Eichhörnchen ein Nest im E.M.T.A. gebaut. Laut Tierschutzbestimmungen müssen wir es erst herausholen, bevor wir auf volle Leistung gehen. Das arme Tier würde sonst da drin gegrillt. Wir suchen es schon seit Donnerstag Nachmittag.“ erklärte Klafonz.
Der Professor war nicht sehr erfreut, aber er war ja ein Tierliebhaber. „Na schön. Sie, der andere Herr, der mir seinen Namen nicht verraten hat! Sie werden das Eichhörnchen persönlich aus dem E.M.T.A. herausholen. Und wenn Sie schon in der Nähe sind, bringen Sie mir gleich noch eine Tüte H-Milch mit. Das Geld liegt im Kühlschrank.“
„Okay. Ich, äh, heiße übrigens, äh, ähem, John, aber meine Freunde nennen mich auch, äh, Johnnie.“
„Prächtig, meine Herren, dann wäre das ja geregelt! Ich erwarte, dass Sie das Problem lösen und mich dann kontaktieren. Wir haben einen engen Zeitplan einzuhalten. Sie beide wissen, dass dies eine metergenaue Angelegenheit ist und uns jeder noch so kleine Fehler das Leben kosten kann!“ sagte der Professor abschließend und stand auf, um den Raum wieder zu verlassen.
„Ach ja, ich habe Ihnen beiden noch eine Kleinigkeit mitgebracht!“ rief er noch und warf jedem ein Überraschungs-Ei zu. Die Männer ließen ihre Köpfe auf den Tisch fallen und weinten. Sie waren doch nur einfache Leute, mit Ehefrauen und Kindern – nicht geschaffen für so unglaubliche verbrecherische Aktionen wie diese. Und zu allem Überfluss war in den Überraschungs-Eiern auch nur was zum Zusammenbauen – das gab ihnen den Rest.Die Erde war unterwegs zu ihrem Rendezvous mit den Asteroiden, die nach ihrem Entdecker die Chantal Müller-Asteroiden genannt wurden. An Bord der internationalen Raumstation I.S.S. gab es ein großes Hallo. Sie konnten die Umlaufbahn um die Erde auf Grund der Bewegung nicht halten und drohten abzustürzen. Der französische Astronaut war schon beim ersten Anzeichen von Gefahr nervös geworden und wenig später abgesprungen, mit einem kleinen Fallschirm aus Tempo-Taschentüchern, den er mit Pappmaché-Streben und einem Baguette entscheidend verstärkt hatte.
Für die anderen Astronauten kam das nicht in Frage. Leider war das kleine Raumschiff, das die Astronauten im Notfall sicher zur Erde zurückbringen sollte, noch nicht installiert worden. Eine aussichtslose Lage!
Doch da kam dem deutschen Astronauten eine Idee. „Wir haben doch noch genügend lange Metallrohre und Stangen hier!“. Die anderen Astronauten wussten sofort, worauf er hinaus wollte, dieser verrückte Hund. „Jaaa, das ist’s! Wir schrauben sie alle zusammen und drücken uns damit wieder weiter von der Erde weg!“ rief der amerikanische Astronaut. „Auf, auf! Es gibt viel zu tun!“ sagte er noch und fing schon an, herumzuwerkeln.Bristav und Rando hatten die Sternwarte wieder verlassen. Rando fasste die Situation zusammen. „Also. Irgendjemand oder irgendetwas bringt die Erde dazu, sich zu bewegen, sodass sie mit einem Asteroiden zusammenstößt! Und nur die Bermuda-Inseln bleiben übrig.“
„Dat is wirchlich ne unverschämte Sauerei!“ schimpfte Bristav.
Rando grübelte. „Ja. Aber was ist es, das die Erde bewegt?“
Plötzlich ging ihm ein Licht auf. „Das ist es! Bristav, hast Du einen Globus?“
„Selbstverständlich!“ sagte Bristav und holte seinen Taschenglobus aus seinem Rachen heraus. „Nüngzehn Jahr hann ich den do drin versteckt! Im Jefängnis durften wa ja nüüs hann!“
Rando säuberte den Globus (was nicht leicht war) und bastelte mit ein paar herumliegenden Stöckchen ein Modell des Sonnensystems. „Schau her! Die Erde fliegt in diese Richtung! Das heißt: Die Kraft, die auf die Erde ausgeübt wird, muss hier ihren Ursprung haben!“ erklärte er und zeigte mit seinem Finger genau auf den Nordpol.
Doch da kam ein kleines Hündchen den Weg entlang spaziert und trällerte ein fröhliches Liedchen auf seiner Trompete. Bristav geriet in Panik, denn der Hund war nicht einfach nur ein Hund. Er war der Hund der heiligen Johanna, und das war schon mal gar kein gutes Zeichen, denn er war normalerweise sehr aggressiv. Er sprang auf Bristav zu, aber löste sich noch im Sprung wieder in Luft auf. Es war wohl nur eine Fata Morgana gewesen, hier draußen kamen die öfters vor, auch im Winter. Man vermutete, dass das etwas mit den fauligen Gasen zu tun hatte, die aus dem kleinen Metzgereiversandhaus neben der Sternwarte strömten.
Rando stand auf und zeigte weisend nach Norden. „Auf zum Nordpol!“ rief er. Bristav freute sich.
„Prima, do wullt ich at ömmer ens hin! Aber wie sullema do hin kumme?“
„Das ist kein Problem. Ich habe einen Bekannten, dessen Freundin hat ne Tochter, deren Doktor früher mal mein Fußpfleger war.“ erklärte Rando.
„Un der hat en Flugzeug oder wat?“ wollte Bristav wissen.
„Nein, dessen ehemaliger Nachbar hat mal jemanden vom Nordpol gekannt und hat ihn auch einmal besucht. Er könnte uns den Weg dorthin verraten.“Man darf nicht vergessen, dass während Rando und Bristav dabei waren, die Welt zu retten, das Leben ganz normal weiterging. Darum betrachten wir jetzt die Familie Kramer aus Klagenfurt. Burckhardt Kramer, der Vater, hatte vor einigen Stunden seine letzten geschäftlichen Gespräche über Dosentelefon geführt, und nun waren Gattin Qusela, die beiden Jungen Jean und Pierre und die kleine Irrtrud bereits im Urlaubsparadies Ruhrpott. Sie hatten erst einen Tag vor den Sommerferien angefangen, den Urlaub zu planen. Nun hatten sie den Kontrollraum einer stillgelegten Kohlegrube zum Wohnen gemietet. Ihnen bot sich ein herrlicher Ausblick. Man hätte auch irgendwo den künstlich angelegten Badesee sehen können, wenn die Luft nicht so verdreckt gewesen wäre.
Zu der kleinen Irrtrud waren die Eltern nicht sehr freundlich. Während die Jungs alles bekamen, was sie wollten, musste sie sich mit einem Spinat-Bonbon pro Tag zufrieden geben. Frau Qusela Kramer hatte bei ihr eigentlich nur Leihmutter gespielt, da die wirkliche Mutter sehr modebewusst war und sich keinen dicken Bauch leisten konnte. Als das Kind dann auf der Welt war, hatten sie schon vergessen, dass es ja nur ein Leihkind war. Nach einem Jahr fiel es Frau Kramer wieder ein, aber da wollte die echte Mutter das Kind nicht mehr. Da es ja nur durch einen Irrtum zur Familie Kramer gelangte, ließen sie es von Jessica auf Irrtrud umtaufen.
Jean und Pierre waren sehr abenteuerlustige Kinder. Natürlich fielen sie bereits nach kurzer Zeit in einen der nicht abgesicherten Schächte zur Kohlegrube, doch sie landeten weich. Unten war es dunkel, und es gab überall Absperrungen. Aber in einem der Tunnel schien noch irgendetwas zu sein. Er wurde von einem schwachen fernen Licht ein wenig aufgehellt. Sah man hinein, so sah man nur, wie der Tunnel weit hinten um eine Kurve ging.
Plötzlich hörten sie das Geräusch eines laufenden Menschen, und es wurde immer lauter. Es kam aus dem Tunnel. Jean und Pierre versteckten sich ängstlich in einer Ecke und warteten.
Auf einmal schoss ein kleines Eichhörnchen aus dem Tunnel heraus, dicht gefolgt von Johnnie – dem NoName-Mann. Unter dem Arm hatte er noch eine Tüte H-Milch. Er war völlig in Rage und so außer Atem, als ob er schon tausende Kilometer in diesem Tunnel zurückgelegt hätte. „Gleich hab ich Dich!“ schrie er dem kleinen Tier hinterher. Doch das Eichhörnchen war ein gewieftes Eichhörnchen, ein richtig cleveres kleines Kerlchen. Geschickt rannte es auf einen tiefen Abgrund zu und wartete, bis Johnnie nur noch kurz hinter ihm war. Dann sprang es vor seinen Augen hinab. Was Johnnie nicht sehen konnte, ist, dass es sich an einer kleinen Nische weiter unten festgehalten hatte. „Feigling!“ rief Johnnie hinab, und so schnell wie er gekommen war, verschwand er wieder im Tunnel.
Jean und Pierre waren da unten gefangen (es gab keine Leiter), sodass sie zwei Tage später immer noch da unten waren. Der Vater hatte von ihrem Verschwinden Notiz genommen, mehr aber auch nicht. Die Mutter telefonierte den ganzen Tag mit ihren Freundinnen und bekam von daher sowieso nichts mit. Dafür war sie aber bestens über den neuesten Klatsch und Tratsch informiert und wusste genau, wer in der Nachbarschaft Eheprobleme hatte und wer schon zum siebten Mal schwanger war und das Kindergeld zur Haupteinnahmequelle machte.
Aus der Ferne hörten die beiden Jungen plötzlich ein bedrohliches Brummen, wie von einer gewaltigen Maschine, die in Betrieb genommen wird. Kurz darauf spürten sie einen Sog, der immer stärker wurde. Es zog sie erbarmungslos in den Tunnel hinein, aus dem Johnnie gekommen war. Immer schneller flogen sie um die Kurven, und ihre fürchterliche Reise schien kein Ende zu nehmen.
Der gesamte Urlaub schien wohl ein Reinfall zu werden. Schon die Hinfahrt war völlig in die Hose gegangen. Die drei Kinder mussten sich in der brütenden Hitze um das einzige Billigtrinkpäckchen streiten, während der Vater am Steuer mehr Bier trank als das Auto an Benzin verbrauchte. Und nun auch noch so was!======
Morgen gibt's mehr
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hrhr
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Teil 3
Doch nun zurück zu Bristav und Rando. Die beiden hatten also entschlossen, dem Nordpol einen Besuch abzustatten, um sich mal ein wenig umzusehen.
„Mein Bekannter wohnt hier gleich um die Ecke!“ sagte Rando. „Er wird uns den Weg zum Nordpol verraten, hoffe ich.“
Rando war nicht sehr höflich, und so klingelte er selbst um drei Uhr nachts Sturm an der Tür seines Bekannten. Als dieser dann nach einigen Minuten und mehreren von Bristav gegen das Fenster geworfenen „Steinchen“ (Brocken der Größe eines Tennisballs) endlich öffnete, sagte Rando nur: „Tach, wo geht’s zum Nordpol?“. Der Mann guckte verdutzt und verschlafen, mit dicken Ringen unter den Augen. Dann verschwand er kurz, kam mit einem Kompass zurück, gab ihn den beiden und knallte die Tür zu.
„Aha! Da ist Norden!“ stellte Rando fest und wies den Weg. „Mein Plan ist, die Anden zu überqueren. Danach wandern wir über die Alpen auf direktem Weg zum Nordpol.“
Doch bevor die Reise losgehen konnte, mussten die beiden sich erst einmal ausschlafen. Rando kam mit zwei bis drei Stunden nächtlichem Schlaf pro Woche aus, denn er schlief zwischendurch immer wieder mal kurz ein, zum Beispiel während des Autofahrens. Bristav war aber eine richtige Schlafmütze. Im Gefängnis hatte er gelernt, auf Kommando einzuschlafen. So war er von den neunzehn Jahren Gefängnis nur drei Jahre wach.
Die beiden machten es sich in dem kleinen Wald gemütlich und beobachteten noch mehrere Sekten, die okkultistische Messen feierten und Hühner und andere Nagetiere opferten. Durch die beschwörenden Gesänge wurden sie sanft in den Schlaf gewogen.
Um fünf Uhr weckte sie ein krähender Hahn. Bristav betrachtete sich in seinem Spiegel und merkte sofort, dass ein Stück von seinem Ohr fehlte. In der Nacht war wohl ein Fuchs gekommen und hatte es abgenagt – das war ihm nun schon zum zweiten Mal passiert. Rando musste sich noch ein wenig neu anpinseln, denn nachts war ein bisschen seiner schwarzen Farbe abgeblättert. Er entschied sich jetzt für die Farben Grün und Braun – damit passte er sich optimal an die ländliche Umgebung an. Später am Nordpol würde er sich komplett weiß anstreichen.
Rando hatte erst einmal einen richtigen Beruf gehabt. Er war „Klo-Mann“ in einer Autobahnraststätte. Auf seine Toiletten war er immer besonders stolz gewesen, da er sie hegte und pflegte als wären sie seine Kinder. Jeder, der sie schmutzig machte, wurde hart von ihm bestraft. Um zu beweisen, wie sauber seine Toiletten waren, tauchte er regelmäßig ein Glas hinein, füllte es und trank es komplett aus – kein Problem.
„Wir müssen noch zu Edeka – Proviant für die Reise kaufen.“ sagte er.
„För mich ne Sixpack un en paar Chips un Erdnüssjen!“ meinte Bristav.Burckhardt Kramer fing erst nach drei Tagen an, sich um seine beiden Söhne Sorgen zu machen. Als er dann aus seinem Stuhl aufstehen wollte, war es zu spät: Sein Bierbauch war so gewaltig schwer geworden, dass er keine Chance mehr hatte. In dem Bierbauch waren schon die Logos von DSF und Eurosport eingebrannt, durch das viele Fernsehen. Der Bauch diente dem Bauchbesitzer nicht nur als Prestigeobjekt, sondern er hatte auch einen praktischen Nutzen: Durch seine enorme Größe war er praktisch nicht mehr rund, sondern fast schon flach (so wie man auch denken könnte, die Erde sei eine Scheibe, wenn man sich auf ihr befindet). Darum eignete er sich hervorragend als Ablage für allerhand Dinge, zum Beispiel für einen Turm von fettigen Pfannekuchen, zwei Zentimeter mit Nutella beschmiert (Nutella mit Pfannekuchen). Daneben noch die eine oder andere Bierdose. Am Strand konnte man auch wunderbar einen Sonnenschirm in den Bauchnabel stecken. Gleichzeitig konnte Herr Kramer dadurch den Nachbarn Sonnen- und Windschutz bieten. Außerdem gärten in diesem Bauch so viele Nahrungsmittel, dass man mit den Verdauungsgasen ein Kraftwerk hätte betreiben können (Herr Kramer hatte auch schon ein Angebot dafür bekommen, dies lehnte er jedoch ab).
Aber nun gab der Korbstuhl, auf dem er saß, bedrohliche Laute von sich. Herr Kramer versuchte, nach unten zu schauen, aber es ging nicht. Er sah nicht, wie bereits die ersten Bindungen rissen. Der Stuhl konnte dem gewaltigen Druck nicht mehr lange standhalten! Herr Kramer wusste, in welch prekärer Lage er sich befand – er hatte schon zahlreiche Berichte und Reportagen über dieses Thema gesehen. In einigen Fällen waren Möbel unter dem enormen Gewicht ihres Benutzers explodiert und verwüsteten durch die herumfliegenden Bruchstücke ganze Stadtviertel. Herr Kramer sah entsetzt zur Wand, die er mit Wurstscheiben tapeziert hatte. Feinste Fleisch- und Blutwurst und darüber eine Schicht Salami und mit Butter lackiert. Bahnte sich eine neue, alle Rekorde brechende Katastrophe an?Im Edeka traf Bristav noch eine alte Bekannte. Es war Frau Schwebemeier, die Lehrerin der „Känguru-Klasse“ 2 Rot Kennedy (jede Klasse bekam ein Tier und einen Politiker zugeteilt, damit sollten sich die Schüler dann nach einer gewissen Zeit identifizieren). Sie arbeitete schon länger in der Grundschule Sankt Horst-Peter Augustin zu Fluorid-Weber, und sie unterrichtete in den Fächern Psychologie, Quantenphysik und Altgriechisch. Die Schule hatte nämlich an einem besonderen Programm der Regierung teilgenommen. Die Theorie war folgende: Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren sind noch am lernfähigsten. Bei uns beginnt man jedoch mit den leichten Sachen (lesen, schreiben, rechnen) und behandelt erst später die komplexeren Themen. Das ist demnach natürlich genau falsch herum, da die Lernfähigkeit mit steigendem Alter schwindet. Die einzige logische Schlussfolgerung ist also, den Lernprozess umzukehren und den Kindern die schwierigen Dinge zuerst beizubringen, solange sie noch lernfähig sind. Darum wurden nun Professoren diverser Universitäten zu Grundschullehrern umfunktioniert. Der Erfolg war bisher nur mäßig.
In ihrem Einkaufswagen hatte Frau Schwebemeier zwei Eismelonen und eine Packung Spargelattrappen (das ist Spargel aus Kunststoff – hervorragend geeignet, um vorzutäuschen, man sei so wohlhabend, dass man sich echten Spargel auch außerhalb der Spargelsaison leisten kann). Außerdem kaufte sie noch eine Flasche Abflussreiniger – um die Getränke für die Schüler zu verdünnen (die Schule war sehr arm).
„Tach Frau Schwebemeier!“ brüllte Bristav durch den ganzen Laden, als er sie hinter einem Hackfleischdosenstapel entdeckte. Sie drehte sich kurz um und kam dann sofort auf ihn zu.
„Bist Du es wirklich? Bristav?“ fragte sie, während sie ihn ausgiebig musterte.
„Jo, ich bin et!“ antwortete Bristav barsch. „Nüngzehn Jahr hann ich Sie net jesehn, Frau Schwebemeier! Nur domols hattense noch keen grau Haar un keen su ne dicke Hingersch!“ fügte er noch hinzu.
„Heute immer noch so unverschämt wie früher!“ meinte Frau Schwebemeier und verschwand beleidigt in den Tiefen des Edekas. Doch woher kannten die beiden sich überhaupt? In der Tat war dies eine sehr seltsame Geschichte. Bristav hatte einmal als kleines Kind einen Fisch gefangen und ihn der Frau Schwebemeier vor die Haustür gelegt. Er wollte sie damit beeindrucken, um zu erreichen, dass sie ihn adoptiert, denn er wollte ja verständlicherweise weg von seiner furchtbaren Familie. Doch Frau Schwebemeier wollte Bristav nicht adoptieren, da er einen üblen Geruch verbreitete. Bristav wollte sich dann an ihr rächen, wie es ihm sein Vater beigebracht hatte – mit einem Baseballschläger. Der kleine Bristav beging an diesem Tag seine erste richtige Straftat. Das machte die Eltern sehr stolz, und sie behandelten ihn wieder ein bisschen besser, sodass er nicht mehr weg wollte. Leider verstand Frau Schwebemeier keinen Spaß, wenn es um Platzwunden an ihrem Kopf ging, und so flatterte bald eine Anzeige ins Haus der Bristavs. Der Vater rahmte sie stolz ein und hing sie über den kleinen Camping-Gaskocher in dem Zimmer, das sowohl als Küche als auch als Bade-, Ess- und Gästezimmer benutzt wurde. Das war sein Sohn (dessen war er sich vorher nie ganz sicher gewesen), und er wollte allen zeigen, dass er ganz nach ihm kam. Er hatte schon befürchtet, der kleine Bristav könnte womöglich einen richtigen Beruf erlernen. Das erste Wort, das er sprechen konnte, war „Sozialhilfe“.
Kurz darauf kamen dann die nächsten Straftaten, die Bristav die neunzehn Jahre Gefängnis bescherten. Und hätte Rando ihn nicht gerettet, hätte er wohl für den Rest seines Lebens da gesessen, im Gefängnis Zum lachenden Hans. Einmal hatten sich Bristav und seine Familie im Keller eines bewohnten Hauses eingenistet. Da die Besitzer nur selten in den Keller gingen, bemerkten sie dies zunächst nicht. Erst als Vater Bristav einige seiner besten Freunde einlud, um Second-Hand-Bier zu trinken, fiel ihnen auf, dass aus dem Keller seltsame Laute und ein aufdringlicher Duft kamen. Second-Hand-Bier bekam Vater Bristav, indem er die Abflussrohre aus der Küche des Hauses, die in den Keller liefen, anzapfte. So konnte er alles trinken, was die Hausbesitzer oben in den Abfluss kippten. Besonders lecker war das, wenn oben gerade der Abwasch gemacht wurde. Kleine Hackfleischbröckchen, aufgeweicht in lauwarmem Wasser mit Spülmittel schwammen dann in der leckeren trüben rötlich-braunen Suppe. Immer wenn Vater Bristav rief: „Es kommt wieder was!“, musste der kleine Bristav schnell mit einem Eimer zum Abflussrohr rennen und die Brühe auffangen.
Jedenfalls riefen die Hausbesitzer den Kammerjäger, um Bristav und seine Familie zu vertreiben. Vor Gericht schoben die Eltern dann die gesamte Schuld auf ihren Sohn. Als das noch eine Weile so weiterging, wurde Bristav bei dem Richter immer unbeliebter, und so kam es wie es kam.
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