Warum enthält ein Informatikstudium soviel Mathe?
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Dravere schrieb:
Gregor schrieb:
Den Bezug zwischen Problemen in Anwendungsgebieten und mathematischen Strukturen herzustellen, ...
Aber genau das lernt man doch nicht mit Beweisführung. Gerade die Beweise befinden sich immer nur auf mathematischer Seite und nehmen überhaupt keinen Bezug zur Realität und einem Anwendungsgebiet. Zumindest sahen bei uns so die Beweise aus. Wir haben das nie anhand eines Anwendungsgebietes gemacht, immer nur abstrakt, immer nur Mathematik. Reale Anwendungsbeispielen gab es in der Mathematik nie. Es war nur Theorie und mehr nicht.
Um einen Bezug zwischen Anwendung und mathematischen Strukturen herstellen zu können, muss man die mathematischen Strukturen erstmal kennen. Wie schon gesagt: Das hat etwas mit Erfahrung zu tun und bei Beweisführungen können auch Erkenntnisse über die Struktur entstehen.
Ich glaube, das schätzt Du falsch ein. Mathematische Modellierung kann man nicht wirklich lehren. Und es kommen auch nur ganz wenige da hin, dass sie in der Lage sind, mathematische Modellierung betreiben zu können. Da gehört noch wesentlich mehr zu, als etwas zu beweisen. Letztendlich muss man sich dafür sowohl in der Mathematik als auch im Anwendungsgebiet richtig gut auskennen.
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mezzo mix schrieb:
für den dritten war ich damals nicht cool genug
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das ganze Zeugs wie Ableiten und Integrieren?
In der Regel reicht hier ein Grundverständnis.
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Gregor schrieb:
Mathematische Modellierung kann man nicht wirklich lehren.
BTW: Ein recht einfaches Beispiel bezüglich Modellierung ist das Kind am Fenster Problem. Da brauchst Du praktisch noch kein wirkliches strukturelles Wissen, das Problem ist sehr leicht überschaubar und man hat nur sehr wenige Möglichkeiten der Modellierung. Wie Du allerdings an der Länge des Threads siehst, ist das aber schon eine Problemstellung, bei der viele mit der Modellierung falsch liegen.
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Gregor schrieb:
Ein recht einfaches Beispiel bezüglich Modellierung ist das Kind am Fenster Problem. ... Wie Du allerdings an der Länge des Threads siehst, ist das aber schon eine Problemstellung, bei der viele mit der Modellierung falsch liegen.
Wow, das ist schon erstaunlich, wie viele Leute bei der Aufgabe auf die Lösung "1/2" kommen, obwohl die Erklärung aus dem Buch ja schon zeigt, wie man auf die richtige Lösung "2/3" kommt.
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empgodot schrieb:
Gregor schrieb:
Ein recht einfaches Beispiel bezüglich Modellierung ist das Kind am Fenster Problem. ... Wie Du allerdings an der Länge des Threads siehst, ist das aber schon eine Problemstellung, bei der viele mit der Modellierung falsch liegen.
Wow, das ist schon erstaunlich, wie viele Leute bei der Aufgabe auf die Lösung "1/2" kommen, obwohl die Erklärung aus dem Buch ja schon zeigt, wie man auf die richtige Lösung "2/3" kommt.
Und darüber diskutieren sie 88 Seiten. Wahnsinn.
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empgodot schrieb:
Gregor schrieb:
Ein recht einfaches Beispiel bezüglich Modellierung ist das Kind am Fenster Problem. ... Wie Du allerdings an der Länge des Threads siehst, ist das aber schon eine Problemstellung, bei der viele mit der Modellierung falsch liegen.
Wow, das ist schon erstaunlich, wie viele Leute bei der Aufgabe auf die Lösung "1/2" kommen, obwohl die Erklärung aus dem Buch ja schon zeigt, wie man auf die richtige Lösung "2/3" kommt.
Jetzt fang hier mal keinen neuen Flame um das Thema an. Wenn man etwas nachdenkt, sollte jedem klar sein, dass 1/2 die richtige Lösung ist und das Buch einfach falsch liegt. Andererseits zeigt das wieder die Schwierigkeit der Modellierung. Auch hier schaffen falsche Modelle schon den Weg in Bücher.
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Gregor schrieb:
BTW: Ein recht einfaches Beispiel bezüglich Modellierung ist das Kind am Fenster Problem. Da brauchst Du praktisch noch kein wirkliches strukturelles Wissen, das Problem ist sehr leicht überschaubar und man hat nur sehr wenige Möglichkeiten der Modellierung.
Es sind einfach nicht genug Daten gegeben, um viel darüber sagen zu können. Die Aufgabe ist nicht eindeutig.
Wenn man ein wenig Drumherum abschält und ein wenig umformuliert, kommt man zu einem einfacheren Problem, das auch von verschiedenen Rätslern anders gelöst wird: "Herr Genscher hat ein Kind. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist es ein Junge".
Das Ansatz "Wenn ich nichts über Genscher weiß, nehme ich am besten mal 50%" ist umstritten.
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volkard schrieb:
Das Ansatz "Wenn ich nichts über Genscher weiß, nehme ich am besten mal 50%" ist umstritten.
Das ist im allgemeinen Fall nicht nur umstritten sondern falsch. Aber aus der Aufgabenstellung ist eigentlich klar, dass hier mit Junge/Mädchen zwei gleichwahrscheinliche Ereignisse ohne dritte Möglichkeit gemeint sind. Soviel Metadenken zum Verständnis der Aufgabe sollte man bei einem Studenten schon voraussetzen können (das siebt dann auch die Klugscheißer aus, die dann mit der empirischen W'keit 52,5 % für Jungen ankommen).
Die mathematisch korrekt formulierte Aufgabenstellung (einfach nur mit W'keiten, Ereignissen und Stichproben formuliert) klingt nun einmal viel langweiliger als die ausgeschmückte Version mit Kindern und Fenstern. Und außerdem würde dann der Aha-Effekt entfallen, denn zu dem rein abstrakten Problem hat man keine Intuition und würde einfach rechnen, wohingegen man bei der Kinderaufgabe erstmal schätzt was wohl rauskommt. Und je nachdem wie gut man in Mathe ist, ist das häufig erstmal das falsche. Und dann behält man die Lehre aus der Aufgabe viel leichter im Gedächtnis als bei einer rein abstrakten Aufgabenstellung.
Ich finde die Aufgabe gut .
Und um den Thread nochmal ordentlich anzuheizen: Man bekommt neue Nachbarn, eine Familie mit zwei Kindern. Nun sagt einem die neue Nachbarin, dass ihr ältestes Kind ein Junge ist. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind ein Mädchen ist?
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SeppJ schrieb:
Und um den Thread nochmal ordentlich anzuheizen: Man bekommt neue Nachbarn, eine Familie mit zwei Kindern. Nun sagt einem die neue Nachbarin, dass ihr ältestes Kind ein Junge ist. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind ein Mädchen ist?
Im verlinkten Artikel steht aber
"Man bekommt neue Nachbarn, eine Familie mit zwei Kindern. Nun sieht man am Fenster einen Jungen stehen, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind ein Mädchen ist?"
Die ist mir unbestimmt, weil man viele Annahmen darüber anstellen kann, welches der Kinder am Fenster steht.Deine hingegen ist klar bestimmt (mit ganz wenig Meta-Zeug). Das Geschlecht des älteren Kindes ist völlig belanglos, das Geschlecht des jüngeren Kindes wird unabhängig davon gewürfelt.
Kleinlich werden sollte man nicht bei den 52,5% oder so werden, sondern bei "Wahrscheinlichkeit". Die Wahrscheinlichkeit ist eine Größe, die in die Zukunft schaut. In die Vergangenheit schauend, ist es eher die relative Häufigkeit. Und die schätzt man nicht so ab, sondern stellt sie fest, indem man mißt. Bei nur einer Familie kommt dann 0% oder 100% raus, aber niemals 50%. Das stört bei der Aufgabenstellung aus dem Thread auch viel stärker als bei Deiner.
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Was ist denn bei der anderen Aufgabe unklar? Man sieht eines der Kinder. Welches, ist in der Aufgabe absichtlich unbestimmt gelassen. Das ist ja gerade das besondere, dass man dann eine andere W'keit herausbekommt, dass das zweite Kind ein Mädchen ist, als in meiner leicht abgewandelten Aufgabe. Das ist ja gerade der ganze Sinn der Aufgabe!
(Ich habe jetzt den anderen Thread nicht ganz durchgelesen , ich hoffe doch, dass man dort zu der Lösung 1/3 gekommen ist?)
Was das 0%/100% Problem angeht: Vielleicht solltest du dir mal die Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs durch Herrn Bayes ansehen, wenn du Probleme mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff für zukünftige Ereignisse hast.
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SeppJ schrieb:
Ich habe jetzt den anderen Thread nicht ganz durchgelesen
Tu es. Dann brauche ich die Argumente nicht hier zu wiederholen. Oder poste dort, daß Du der Meinung bist, daß 1/3 rauskommt.
Die letzten Postings sind nicht der Konsens, denn viele haben mehr oder weniger früh ohne Konsens die Geduld verloren und sind ausgestiegen.
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volkard schrieb:
Die ist mir unbestimmt, weil man viele Annahmen darüber anstellen kann, welches der Kinder am Fenster steht.
Du meinst, man kann die Aufgabe nicht eindeutig mathematisch modellieren? Ich meine, die Situation, die da beschrieben ist, ist doch durchaus eindeutig nachvollziehbar. Jeder kann sie sich vorstellen. Das einzige Problem ist jetzt, wie sie interpretiert wird. Wie also die Abbildung auf die Mathematik gemacht wird. Mathematische Modellierung ist schwierig, in der Stochastik ist sie auch schon bei einfachen Problemstellungen stark verwirrend. Und das, obwohl in der Stochastik einfach nur eine Abbildung des Problems auf einen bestimmten Aufgabentyp gesucht wird. Hier geht es nichtmal darum, das Problem auf eine große mathematische Struktur abzubilden. Um es mal übertrieben auszudrücken: Man muss hier eben nicht die Quantenmechanik auf die Mathematik abbilden.
Ok, Du kannst jetzt sagen, dass man bei der Problemstellung Annahmen darüber machen kann, welches Kind aus dem Fenster sieht. Man muss sich eben genau überlegen, welche Annahmen bei einer mathematischen Modellierung richtig und welche falsch sind. Ich sehe erstmal nicht, wie aus der eindeutig beschriebenen Situation mehrere "richtige" Modellierungen entstehen können. Das Problem ist eben, dass sich viele über die richtigen Annahmen im unklaren sind. Und es ist nicht leicht einsichtig, ob man eine bestimmte Annahme machen darf oder nicht.
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SeppJ schrieb:
Und um den Thread nochmal ordentlich anzuheizen: Man bekommt neue Nachbarn, eine Familie mit zwei Kindern. Nun sagt einem die neue Nachbarin, dass ihr ältestes Kind ein Junge ist. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind ein Mädchen ist?
Das führt doch zu genau demselben Modell. Es ist völlig egal, ob Kind 1 das ältere ist, oder das, das man am Fenster sieht. Es ist jedesmal ein bestimmtes Kind.
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Gregor schrieb:
Ok, Du kannst jetzt sagen, dass man bei der Problemstellung Annahmen darüber machen kann, welches Kind aus dem Fenster sieht.
Der riesige Unterschied ist, ob man annimmt, dass die Kinder eine geordnete Menge darstellen oder nicht. Also ob wir einen Unterschied machen, ob "Kind 1" oder "Kind 2 " am Fenster steht.
Wenn wir nummerieren, dann kommt raus, dass die beiden Wahrscheinlichkeiten statistisch unabhängig sind und damit 1/2 raus kommt. nummerierst du nicht, dann kommt 1/3 raus. Das Problem ist nun, dass in der Aufgabenstellung kein Hinweis daauf gibt, ob nummeriert werden soll oder nicht. Und beide Modellierungen sind richtig.
Der Unterschied beider Modellierungen:
Nummeriert:
Kind 1 Kind 2
m m
m w
w m
w wKind 1 ist ein Junge ->
m m
m w
-> P(Kind2=m|Kind1=m)=P(Kind2=m)=1/2Nicht nummeriert:
2 Kinder:
2 m
1 m 1 w
1 m 1 w (nichter Unterscheidbar von Fall 2)
2 w
1 Kind ist Junge->
2 m
1 m 1 w
1 m 1 w
=> P(Kind2=m|Kind1=m)=1/3
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Gregor schrieb:
Mathematische Modellierung ist schwierig, in der Stochastik ist sie auch schon bei einfachen Problemstellungen stark verwirrend.
Das erinnert mich an die allseits beliebten Textaufgaben in der Grundschule.
Manche rätseln stundenlang darüber, was sie rechnen müssen und fragen dann den Nachbarn, andere rechnen einfach das, was da steht und wundern sich warum die anderen das nicht auch machen.
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otze schrieb:
Wenn wir nummerieren, dann kommt raus, dass die beiden Wahrscheinlichkeiten statistisch unabhängig sind und damit 1/2 raus kommt. nummerierst du nicht, dann kommt 1/3 raus. Das Problem ist nun, dass in der Aufgabenstellung kein Hinweis daauf ist, ob nummeriert werden soll oder nicht. Und beide Modellierungen sind richtig.
Nein, es sind nicht beide richtig. Man kann das Experiment im Prinzip durchführen, die Situation ist schließlich eindeutig beschrieben. Simulativ kannst Du es allerdings nicht durchführen, da Du in der Simulation schon die Modellierung betreibst und möglicherweise falsche Annahmen einbaust.
Du müsstest also jemanden finden, der 1000 mal seine Nachbarn wegekelt, damit entsprechend oft neue einziehen.
...und wenn Du das machst, wirst Du feststellen, dass 1/2 richtig ist.
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ich hatte dazu noch was geedited. Es gibt leider nicht "die" Modellierung. Zitat meines DiMa Profs dazu, der exakt das selbe Problem bei Kombinatorik gebracht hat: "Das Problem ist irgendwie nicht so wirklich definiert.".
Und das ist eben der Unterschied. Ob man sagt: "Ich sehe jetzt das EINE Kind. Welches Geschlecht hat das ANDERE?" (nummeriert) oder ob man Global draufschaut: "Ich sehe jetzt EIN Kind. Welche Geschlechter haben BEIDE zusammen?"
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otze schrieb:
ich hatte dazu noch was geedited. Es gibt leider nicht "die" Modellierung. Zitat meines DiMa Profs dazu, der exakt das selbe Problem bei Kombinatorik gebracht hat: "Das Problem ist irgendwie nicht so wirklich definiert.".
Und das ist eben der Unterschied. Ob man sagt: "Ich sehe jetzt das EINE Kind. Welches Geschlecht hat das ANDERE?" (nummeriert) oder ob man Global draufschaut: "Ich sehe jetzt EIN Kind. Welche Geschlechter haben BEIDE zusammen?"
Du meinst, die Interpretation der Beobachtung verändert das Ergebnis? Wenn ich das Experiment 1000 mal durchführe und mir dabei denke "Das war jetzt Kind Nummer 1" oder "Das war jetzt irgendeins der beiden Kinder", dann soll unterschiedliches rauskommen? Deine Gedanken sollen Auswirkungen auf das Geschlecht Deiner Mitmenschen haben? Ne, daran glaube ich nicht.
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otze schrieb:
"Das Problem ist irgendwie nicht so wirklich definiert.".
Und das ist eben der Unterschied. Ob man sagt: "Ich sehe jetzt das EINE Kind. Welches Geschlecht hat das ANDERE?" (nummeriert) oder ob man Global draufschaut: "Ich sehe jetzt EIN Kind. Welche Geschlechter haben BEIDE zusammen?"
Die Aufgabe definiert es doch eindeutig. Man sieht das EINE, das am Fenster steht, wenn man gerade hinsieht. Und die Frage ist auf das ANDERE bezogen.