Warum gibt es heute noch Hintergrundstrahlung?



  • Die Hintergrundstrahlung, auch "Echo des Urknalls" genannt, stammt ja aus der Zeit "kurz" nach der Entstehung des Universums (~400k Jahre?).
    Wenn wir diese Strahlung auch heute noch empfangen, dann ist sie also ~13 Milliarden Jahre lang gereist, hat also 13 Milliarden Lichtjahre zurückgelegt.
    Die Urknalltheorie geht doch davon aus, dass das Universum aus einer Singularität, also einem Punkt entstanden ist und sich dann ausgebreitet hat.
    Vor 13 Milliarden Jahren muss das Universum doch noch viel viel viel kleiner gewesen sein als es heute ist.
    Wie kann es dann sein, dass diese Hintergrundstrahlung eine so weite Strecke zurückgelegt hat? Würde das nicht bedeuten, dass wir
    1. am "Rand" des Universums sind, und
    2. sich das Universum fast mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt
    ???



  • Folgerung 1 ist ja definitiv falsch, weil wir in alle Richtungen sehr sehr alte Galaxien sehen können, also sind wir nicht am Rand.

    Wenn wir Hintergrundstrahlung empfangen, die aus dem "Zentrum des Universums" stammt und vor knapp 13 Milliarden Jahren losgeschickt wurde, dann sind wir 13 Milliarden Lichtjahre von diesem Punkt entfernt. Und trotzdem sehen wir in allen Richtungen Galaxien, also auch in diesen Richtungen, die vom Zentrum wegzeigen.

    Würde das dann nicht bedeuten, dass diese Galaxien sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegt haben, da sie ja weiter vom Zentrum weg sind als es das Alter des Universums eigentlich erlaubt?


  • Mod

    Ich denke, die Vorstellung, dass es im Universum einen "Rand" und einen "Mittelpunkt" gibt, ist falsch. Urknall heißt zwar, dass das Universum früher mal kleiner war, aber es heißt nicht, dass es einen Rand gibt oder einen Mittelpunkt, von dem sich alles wegbewegt. Deswegen ist die Hintergrundstrahlung auch aus allen Richtungen ungefähr gleich stark.

    Die Raumausdehnung war in der inflationären Phase enorm schnell, deswegen heißt die "inflationär". Lichtgeschwindigkeit ist da keine Grenze, auch heute nicht. Der Theorie nach ist es nicht die Materie, die die Ausdehnung macht, sondern der Raum selbst.

    Wenn du zwei sehr weit entfernte Galaxien hast, dann dehnt sich der Raum auf der Strecke zwischen diesen Galaxien aus. Dadurch wächst der Abstand zwischen diesen beiden Galaxien. Dieser Abstand kann auch mit Überlichtgeschwindigkeit wachsen, es bewegt sich dabei ja nichts mit Überlichtgeschwindigkeit. Wenn der Abstand mit Überlichtgeschwindigkeit wächst, dann heißt das aber natürlich, dass die beiden Galaxien sich gegenseitig nicht mehr sehen können.

    (Alles natürlich nur AFAIK und bitte die Uhrzeit beachten.).



  • Der Theorie nach ist es nicht die Materie, die die Ausdehnung macht, sondern der Raum selbst.

    Man kann sich dazu einen aufgeblasenen Ballon vorstellen auf dem zwei Punkte eingezeichnet ist. Bläst man den Ballon jetzt weiter auf, so erhöht sich automatisch die Distanz zwischen den beiden Punkten, obwohl sich die Punkte an sich nicht selbst bewegen !

    Ferner kann man damit auch die Hintergrundstahlung verstehen, in dem man annimmt, dass die Luft anfangs in dem Ballon eine gewisse Temperatur hat, welche der Hintergrundstrahlung entsprechen soll. Dehnt sich nun den Ballon durch äußere mechanische Kräfte aus, verteilt sich das Gas automatisch auf den kompletten Raum so dass die Anzahl der Gasteilchen pro definierten Kubikmeter abnimmt. Dadurch sinkt die durchschnittliche Temperatur eines Kubikmeter Raumes je weiter man den Ballon dehnt. Und genau dieses Verhalten sehen wir heute bei der Hintergrundstrahlung.



  • Christoph schrieb:

    Wenn der Abstand mit Überlichtgeschwindigkeit wächst, dann heißt das aber natürlich, dass die beiden Galaxien sich gegenseitig nicht mehr sehen können.

    d.h. unser Universum besteht aus "Inseln" von Galaxien, die sich einander sehen können, aber jeweils nichts von der Nachbarinsel wissen können?



  • Add.:
    ... aber die "Nachbarinsel" evtl in Form von Graviation oder Energie von unbekannter Herkunft wahrnehmen können?



  • Überlichtgeschwindigkeit

    Gibt's nicht.
    Zumindest in diesem Zusammenhang:

    Christoph schrieb:

    Dieser Abstand kann auch mit Überlichtgeschwindigkeit wachsen, es bewegt sich dabei ja nichts mit Überlichtgeschwindigkeit.

    Es stimmt zwar schon: aus unserer Sicht können sich zwei Galaxien mit Überlichtgeschwindigkeit entfernen, aber aus der Sicht von einer der beiden Galaxien stimmt das wiederum nicht. Da bewegt sich die jeweils andere nur mit fast-Lichtgeschwindigkeit weg. Schon mal etwas von Relativitätstheorie gehört?



  • d.h. unser Universum besteht aus "Inseln" von Galaxien, die sich einander sehen können, aber jeweils nichts von der Nachbarinsel wissen können?

    Ich kann sie doch sehen, also weiss ich was von ihnen ...

    Das Luftballonbeispiel ist ziemlich treffend. Aber nur die Gummihaut, dort wo die Punkte aufgemalt sind entspricht unserem Universum und die Hintergrundstrahlung (vielleicht) der dicke der Gummihaut. Dehnt sich der Luftballon aus, wird die Gummihaut duenner. Was dem Absinken einer Temperatur entspricht bzw. der Hintergrundstrahlung. So gesehen ist alles auf dem "Rand" des Luftballons und der Rand ist 3-dimensional. Hintergrundstrahlung wird es also immer geben, solange es das Universum gibt. Ob sie spaeter (nach weiteren 13 Mrd. Jahren) noch nachweissbar ist, ist natuerlich fraglich.

    Die Frage ist: Kann das Gummihaut-Universum platzen?


  • Mod

    Super-Luminator schrieb:

    Überlichtgeschwindigkeit

    Gibt's nicht.
    Zumindest in diesem Zusammenhang:

    Christoph schrieb:

    Dieser Abstand kann auch mit Überlichtgeschwindigkeit wachsen, es bewegt sich dabei ja nichts mit Überlichtgeschwindigkeit.

    Es stimmt zwar schon: aus unserer Sicht können sich zwei Galaxien mit Überlichtgeschwindigkeit entfernen, aber aus der Sicht von einer der beiden Galaxien stimmt das wiederum nicht. Da bewegt sich die jeweils andere nur mit fast-Lichtgeschwindigkeit weg. Schon mal etwas von Relativitätstheorie gehört?

    In dieser Situation wird die eine Galaxie die andere einfach gar nicht sehen können. Insofern wird sie auch keine überlichtschnelle Bewegung direkt beobachten können. Sie entfernen sich voneinander aber dennoch überlichtschnell:

    While special relativity constrains objects in the universe from moving faster than the speed of light with respect to each other, there is no such theoretical constraint when space itself is expanding. It is thus possible for two very distant objects to be moving away from each other at a speed greater than the speed of light (meaning that one cannot be observed from the other). The size of the observable universe could thus be smaller than the entire universe.

    ( http://en.wikipedia.org/wiki/Metric_expansion_of_space )



  • knivil schrieb:

    Die Frage ist: Kann das Gummihaut-Universum platzen?

    👍
    Vielleicht ist es das schon? Woran würde wir merken, dass wir nicht auf einem Gummifetzen durch die Raumzeit segeln? 🙂


  • Mod

    !rr!rr_. schrieb:

    d.h. unser Universum besteht aus "Inseln" von Galaxien, die sich einander sehen können, aber jeweils nichts von der Nachbarinsel wissen können?

    Dies ist zumindest eine Möglichkeit, ist aber naturgemäs schwer zu überprüfen, weil man ja nichts über die anderen Inseln wissen kann.

    !rr!rr_. schrieb:

    Add.:
    ... aber die "Nachbarinsel" evtl in Form von Graviation oder Energie von unbekannter Herkunft wahrnehmen können?

    Nein. Auch Gravitation hält sich an die Lichtgeschwindigkeit.



  • knivil schrieb:

    Die Frage ist: Kann das Gummihaut-Universum platzen?

    Ist das nicht mehr oder weniger das, was man unter dem Big Rip versteht?



  • Danke schonmal soweit.

    Wenn der gesamte Raum expandiert, expandiert dann auch z.B. die Größe eines Elementarteilchens? D.h. ist ein Elektron (oder etwas noch kleineres) heute größer als vor Milliarden Jahren, als der Raum noch nicht so weit expandiert war?

    Und wenn ja, hat das irgendeine Auswirkung auf die "Funktionsweise" unserer Welt? Könnte es passieren, dass irgendwann die Atome einfach nicht mehr stabil sind, weil sich die Größen der Teilchen verändert haben?



  • Wie gross ist denn ein Elektron heute?


  • Mod

    @halbzeitpause: Lies den Link von Gregor zu Big Rip durch.



  • SeppJ schrieb:

    !rr!rr_. schrieb:

    Add.:
    ... aber die "Nachbarinsel" evtl in Form von Graviation oder Energie von unbekannter Herkunft wahrnehmen können?

    Nein. Auch Gravitation hält sich an die Lichtgeschwindigkeit.

    und deswegen frage ich:

    vor einigen Jahren geisterte eine Theorie herum, daß bestimmte Abweichungen (zwischen Expansionsgeschwindigkeit des Universums vs Dichte des Universums oder in den Gravitationsgesetzen vs Messungen) dadurch "erklärlich" seien, daß die Gravitation(sgesetze) von Materie beeinflußt wird, die die Astronomen nicht "sehen" können.

    Denn richtig sein kann ja nur eins von beiden: entweder Gravitation wirkt mit < Lichtgeschwindigkeit oder Gravitation wird von Materie beeinflußt, die "außer Sichtweite" liegt.



  • !rr!rr_. schrieb:

    Denn richtig sein kann ja nur eins von beiden: entweder Gravitation wirkt mit < Lichtgeschwindigkeit oder Gravitation wird von Materie beeinflußt, die "außer Sichtweite" liegt.

    Glaub mir, wenn es so einfach wäre, hätten wir Kosmologen echt nicht viel zu tun...


  • Mod

    !rr!rr_. schrieb:

    Denn richtig sein kann ja nur eins von beiden: entweder Gravitation wirkt mit < Lichtgeschwindigkeit oder Gravitation wird von Materie beeinflußt, die "außer Sichtweite" liegt.

    Möglichkeit 3: Die Hintergrundstrahlung wurde durch Materie beeinflusst, die heute nicht mehr sichtbar ist.


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