Analysis und Lineare Algebra anwenden



  • Hallo,

    ich beschäftige mich zur Zeit viel mit der Analysis und der Linearen Algebra. Mein Problem ist, dass ich Theorie nur schwer lernen kann wenn ich sie nicht anwenden kann. Am liebsten würde ich ein paar Programme schreiben, mit denen ich konkrete Probleme lösen kann.

    Ich habe jede Menge Bücher mit Beispielaufgaben gefunden, da ging es aber irgendwie immer nur um Rechenaufgaben und um theoretische Herleitungen aber nie darum wie man das Wissen auf Situationen aus der realen Welt übertragen kann.

    Ich brauche einfach irgendetwas das mir zeigt was ich mit der Mathematik später in meinem Leben alles machen kann. So Threads wie Mathematik in der Informatik bringen mich auch nicht weiter, da sie nur zeigen was man machen kann aber nicht wie (wurde auch hier kritisiert: Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Mathematik in der Informatik-Threads).

    Gibt es überhaupt eine Möglichkeit wie man sich außer mit Rechnen an die Themen herantastet oder muss man darauf warten, dass das einem in kleine Stücke verteilt, über die Jahre hinweg, in den Schoß fliegt?



  • Wenn Du konkrete Beispiele bzw. Programmieraufgaben suchst, musst Du auch konkretere Themen aus diesen beiden riesigen Bereichen listen.

    ...es sei denn, Du entscheidest Dich einfach mal, ein Computeralgebrasystem zu programmieren. 😉

    Zur linearen Algebra koenntest Du zum Beispiel eine ganze Menge in der Grafikprogrammierung machen. Dort machst Du Dinge wie Basistransformationen und so. Schreib doch mal einen einfachen Raytracer.

    Oder mach etwas mit Bildern. Schreib ein Programm, dass Dir Bilder vergroessert. Mit einem bikubischen Interpolator. Dann musst Du zumindest mal ein groesseres Gleichungssystem loesen. Sowieso kann man auf Bildern jede Menge machen. Zum Beispiel kann man sie im Frequenzraum manipulieren. Dann muesstest Du eine Diskrete Fouriertransformation realisieren.

    EDIT: Allerdings sehe ich Dein Problem. Mir ist es damals auch sehr schwer gefallen, Mathematikthemen zu lernen. Und viel ist nicht haengengeblieben. Jetzt im Nachhinein begegne ich allerdings oft irgendwelchen interessanten Dingen, die man mal machen koennte, wo ich ploetzlich irgendeinen Bereich aus der Mathematik benoetige, den ich laengst wieder vergessen habe.



  • Schreibe ein einfaches Computerspiel mit Physik, Datenkomprimierung, Verschluessellungsprogramm. Tutorials gibt es genug.



  • Gregor schrieb:

    ...es sei denn, Du entscheidest Dich einfach mal, ein Computeralgebrasystem zu programmieren. 😉

    Guter Vorschlag. Daran hab ich mich sogar schon einmal dran versucht. Bin nur nicht sehr weit gekommen, weil ich nicht gewusst habe wie ich z.B. das Lösen/Umformen von Gleichungen angehen soll. Das lief bei mir alles auf Brute-Force Methoden heraus und die waren nicht sehr erfolgversprechend. Kannst du mir da Bücher/Artikel empfehlen, die ein wenig an das Thema heranführen.

    Gregor schrieb:

    Wenn Du konkrete Beispiele bzw. Programmieraufgaben suchst, musst Du auch konkretere Themen aus diesen beiden riesigen Bereichen listen.

    Wie sieht es bei der Analysis z.B. mit Folgen/Reihen und deren Konvergenz/Divergenz/Häufungspunkte/Infima/Suprema aus? Wofür bräuchte man so etwas?

    Gregor schrieb:

    Zur linearen Algebra koenntest Du zum Beispiel eine ganze Menge in der Grafikprogrammierung machen. Dort machst Du Dinge wie Basistransformationen und so. Schreib doch mal einen einfachen Raytracer.

    Das wäre eine Möglichkeit, ich hatte bei LA bisher aber mehr das Problem zu verstehen was der Sinn von abstrakten Gebilden wie Körpern oder Vektorräumen ist. Vordefinierte Algorithmen anzuwenden und zu verstehen war weniger das Problem.

    Oder mach etwas mit Bildern. Schreib ein Programm, dass Dir Bilder vergroessert. Mit einem bikubischen Interpolator. Dann musst Du zumindest mal ein groesseres Gleichungssystem loesen. Sowieso kann man auf Bildern jede Menge machen. Zum Beispiel kann man sie im Frequenzraum manipulieren. Dann muesstest Du eine Diskrete Fouriertransformation realisieren.

    Gregor schrieb:

    EDIT: Allerdings sehe ich Dein Problem. Mir ist es damals auch sehr schwer gefallen, Mathematikthemen zu lernen. Und viel ist nicht haengengeblieben. Jetzt im Nachhinein begegne ich allerdings oft irgendwelchen interessanten Dingen, die man mal machen koennte, wo ich ploetzlich irgendeinen Bereich aus der Mathematik benoetige, den ich laengst wieder vergessen habe.

    Ich sehe das so: Wenn ich merke, dass ich irgendwo Defizite habe, dann kann ich mir das nötige Wissen jederzeit aneignen. Warum also Zeit mit dem Lernen von irgendetwas beschäftigen, das ich (noch) nicht anwenden kann, wenn ich statt dessen etwas anderes lernen kann das ich sofort anwenden kann? Vor allem ist ja auch nicht sicher, ob ich das ganze zu lernende Wissen überhaupt jemals benötige. Wenn ich nur 10% Wissen aus einem Themengebiet jemals benötige, dann würde ich 90% meiner Zeit verschwenden wenn ich alles lernen würde.

    knivil schrieb:

    Schreibe ein einfaches Computerspiel mit Physik, Datenkomprimierung, Verschluessellungsprogramm. Tutorials gibt es genug.

    Komprimierungen und Verschlüsselungen klingen gut. Hab dazu schon ein paar einfache Sachen gemacht. Bei denen ging es aber mehr um logisches Verständnis als um das Anwenden von mathematischer Theorie. Kann aber sein, dass sich das mit steigender Komplexitätsstufe ändert.



  • Antoras schrieb:

    Ich sehe das so: Wenn ich merke, dass ich irgendwo Defizite habe, dann kann ich mir das nötige Wissen jederzeit aneignen.

    Warum studierst du dann? Mach doch was sinnvolles und lies bei Bedarf nach, was du nicht weißt.



  • Bashar schrieb:

    Antoras schrieb:

    Ich sehe das so: Wenn ich merke, dass ich irgendwo Defizite habe, dann kann ich mir das nötige Wissen jederzeit aneignen.

    Warum studierst du dann? Mach doch was sinnvolles und lies bei Bedarf nach, was du nicht weißt.

    Ich möchte das jetzt nicht ausdiskutieren, da es eigentlich nicht in den Thread gehört. Ich finde es nur sehr schade und es gibt mir zu denken, wenn alle Studierten, mit denen ich bisher geredet habe, immer nur sagen, dass sie mittlerweile was ganz anderes machen als das was sie eigentlich studiert haben oder dass sie das Meiste aus dem Studium schon wieder vergessen haben. Natürlich überlege ich mir da warum ich etwas studieren soll wenn ich es gleich wieder vergessen kann. Das ist nicht der Sinn der Sache und so will ich es auf keinen Fall machen.

    Da lerne ich lieber nur einen Teil, verstehe den dafür richtig und kann ihn - was viel wichtiger ist - dann auch anwenden. Den Rest hole ich dann nach wenn die Zeit es erlaubt. Das klingt für mich viel lukrativer als sinnloses Auswendig lernen.



  • Antoras schrieb:

    Ich möchte das jetzt nicht ausdiskutieren, da es eigentlich nicht in den Thread gehört. Ich finde es nur sehr schade und es gibt mir zu denken, wenn alle Studierten, mit denen ich bisher geredet habe, immer nur sagen, dass sie mittlerweile was ganz anderes machen als das was sie eigentlich studiert haben oder dass sie das Meiste aus dem Studium schon wieder vergessen haben. Natürlich überlege ich mir da warum ich etwas studieren soll wenn ich es gleich wieder vergessen kann. Das ist nicht der Sinn der Sache und so will ich es auf keinen Fall machen.

    Da lerne ich lieber nur einen Teil, verstehe den dafür richtig und kann ihn - was viel wichtiger ist - dann auch anwenden. Den Rest hole ich dann nach wenn die Zeit es erlaubt. Das klingt für mich viel lukrativer als sinnloses Auswendig lernen.

    Wenn jemand nach einem Studium sagt, dass er etwas vergessen hat, dann meint er damit vor allem die Details. An die grobe Struktur erinnert man sich. Und man erinnert sich daran, wann man etwas wo anwenden kann. Deshalb kann man sich, wenn man spaeter etwas aus diesem Bereich benoetigt, die Details wieder sehr gezielt beibringen. Das ist eine voellig andere Situation als wenn man sich mit der Thematik nie auseinandergesetzt hat.

    Und: Die Details vergisst man so oder so. Egal wie "richtig" man es lernt und wie sehr man es zu irgendeinem Zeitpunkt mal konnte.



  • ging es aber mehr um logisches Verständnis als um das Anwenden von mathematischer Theorie

    Denk nochmals ueber diese Aussage nach.

    Das klingt für mich viel lukrativer als sinnloses Auswendig lernen.

    Niemand redet von auswendig lernen.

    Warum also Zeit mit dem Lernen von irgendetwas beschäftigen, das ich (noch) nicht anwenden kann, wenn ich statt dessen etwas anderes lernen kann das ich sofort anwenden kann?

    Grundlagen sind das A und O. Auch bei einem Haus muss das Fundament am besten sein, obwohl niemand nur darin wohnt. Du kannst kein lineares Gleichungssystem numerisch stabil loesen (bzw. Algorithmus entwickeln), wenn du nichts ueber Matrixkonditionen, Kompatibilitaeten und Normen weisst.



  • @Antoras
    Schaums Outlines sind recht nett und bieten viel Übungsstoff.



  • @Antoras: Wie willst du ein Teil (eines Ganzen) RICHTIG verstehen wenn du das Ganze nicht kennst ?

    Es macht schon durchaus Sinn Sachen zu lernen die man nicht sinnvoll findet
    (das Problem als Lehrling ist ja das man garnich erkennen kann was sinnvol ist). Man erkennt dann häufig erst später dass es doch sinnvoll war. Lernt man diese Sachen nun erst garnich kann man diese Erkenntnis garnich bekommen.

    Oder anders, woher willst du denn wissen was du nachlernen musst wenn du den Zusammenhang garnich siehts. Du musst das Nachzulernen also eigentlich schon kennen.

    Oder noch anders: Der Mensch ist ein kleines Kombinierwesen, und je mehr da ist je mehr kannst du auch kombinieren, was dir letztendlich neue Erkenntnisse bringt.



  • @Shiba
    Danke für den Tipp, werde ich mir mal anschauen.

    @Rest
    Ok, ihr habt ja Recht. Ich kann wenig kritisieren solange ich nicht die Gesamtheit kenne. Ich komme da in ein paar Jahren darauf zurück. Mal schauen wie ich dann drüber denke.



  • Antoras schrieb:

    Wie sieht es bei der Analysis z.B. mit Folgen/Reihen und deren Konvergenz/Divergenz/Häufungspunkte/Infima/Suprema aus? Wofür bräuchte man so etwas?

    Hallo Antoras,

    ein konkretes Beispiel kann ich Dir mit (fast) allen der genannten Punkte nennen:

    Wenn Du in der klassischen Kontinuumsmechanik die Deformation eines Körpers beschreiben willst, wirst Du im einfachsten Fall unter anderem die folgende Gleichung auf dem betrachteten Körper (numerisch) lösen müssen:

    \operatorname{div} \sigma = 0.

    Dabei ist σ\sigma die gesuchte Spannung an einem Körperpunkt. Wenn Du zusätzlich Mikromechanik betreiben willst, daß heißt Materialien, welche erst nach starker Vergrößerung eine spezielle Form/Struktur aufweisen, so ändert sich die Ausgangsgleichung bei speziellen Ansätzen zu

    \operatorname{div} \sigma^{\epsilon} = 0,

    wobei das Epsilon ϵ^\epsilon den Größenunterschied zwischen Beobachterskala und Mikrostrukturskala widerspiegelt. Was Epsilon genau zu bedeuten hat, ist an dieser Stelle erstmal nicht weiter von Belang. Leider müßte man extrem fein rechnen, um alle mikroskopischen Eigenheiten erfassen zu können, was auf aktuellen Rechnern kaum zu bewerkstelligen ist. Ein Ausweg besteht in der Betrachtung der Grenzwertes

    \lim_{\epsilon \to 0}\operatorname{div} \sigma^{\epsilon} = 0,

    welcher auf der rechten Seite offensichtlich gleich Null ist, auf der linken aber im Allgemeinen nicht so einfach zu bestimmen ist. Ein verwandtes Problem, bei dem zusätzlich ein Infimum gebraucht wird, ist folgendes:

    \lim_{\epsilon \to 0} \int_V \; \psi \left( \sigma^{\epsilon} \right) \operatorname{dx} = ?

    Dieses Integral stellt (grob gesprochen und stark vereinfacht) die Gesamtenergie eines mechanischen Körpers dar. ψ\psi ist dabei eine Funktion, welche eine andere Funktion - die Spannung σ\sigma - als Argument besitzt. Der exakte Grenzwert läßt sich i.A. nicht bestimmen, es gibt aber manchmal die Möglichkeit einer solchen Abschätzung:

    \lim_{\epsilon \to 0} \int\_V \; \psi \left( \sigma^{0} \right) \operatorname{dx} \le \lim \inf\_{\epsilon \to 0} \int_V \; \psi \left( \sigma^{\epsilon} \right) \operatorname{dx} ,

    wobei σ0\sigma^0 der (bekannte) Grenzwert von limϵ0σϵ\lim_{\epsilon \to 0} \sigma^{\epsilon} ist. Du kannst also deine exakte aber unbekannte Lösung durch eine einfacheren Ausdruck abschätzen, indem du dieselbe Funktion ψ\psi auf den Grenzwert des Arguments anwendest; denn normalerweise gilt limϵ0ψ(σϵ)ψ(σ0)\lim_{\epsilon \to 0} \psi \left( \sigma^{\epsilon}\right) \ne \psi \left( \sigma^0\right).

    Noch Fragen? Nur zu! 🙂

    Edit: Jetzt seh ich erst, daß Du mit "Divergenz" nicht den Operator, sondern das Konvergenzverhalten meinst... egal :xmas2:



  • Was sehen meine entzündeten Augen da -- \LaTeX geht wieder!



  • Grossmeister schrieb:

    Edit: Jetzt seh ich erst, daß Du mit "Divergenz" nicht den Operator, sondern das Konvergenzverhalten meinst... egal :xmas2:

    Joa, ich verstehe größtenteils Bahnhof. Ich hab mich mit dem genannten Thema noch nie beschäftigt, weshalb ich mir da keine Zusammenhänge vorstellen kann. Trotzdem vielen Dank für deine Mühe. Ich werde mir den Beitrag merken und falls ich mich mal näher mit dem Thema beschäftigen sollte werde ich darauf zurückkommen.



  • Konvergenzsätze braucht man in der angewandten Mathematik ständig.

    Beispiel numerische Lösung von linearen problemen mithilfe der Fixpunktmethode.

    Wann immer du klassische Integral- oder Differentialrechnung anwendest, benutzt du implizit die Konvergenz einer Folge (Differential) oder einer Reihe (Integral).

    Ob Suprema in der Praxis besonders wichtig sind, müßte ich erst genauer drüber nachdenken, aber Maximalprobleme kommen bei der praktischen Lösung von Optimierungsproblemen ständig vor: finde das Maximum der Funktion f über den konvexen Bereich P. Simplex-Algorithmus.



  • Mit den Beispielen aus der Praxis dürfte es etwas schwierig werden. Dafür gibt es mehrere Gründe:

    1. Bei vielen Themengebieten benötigst Du ein mehr oder wenig großes Hintergrundwissen, ansonsten kannst Du mit der Aufgabenstellung nichts anfangen.

    2. In vielen Bereichen benutzen die Mathematiker die Mathematik anders als z.B. Ingenieure oder Wirtschaftswissenschaftler. Z.B. benutzt der Elektrotechniker die Delta-Distribution wie eine Funktion, während Dir ein Mathematiker sagen würde, dass das gar nicht geht. In einigen Büchern über Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler steht z.B. eine andere (einfachere) Formel für Standardabweichung.

    3. In der Mathematik wird der Schwerpunkt auf den mathematischen Gehalt gelegt, während bei den Anwendern die Lösung des Problems im Vordergrund steht. Ein beispiel hierfür ist die Codierungstheorie. In der Elektrotechnik benutzt man fast ausschließlich sog. Faltungscodes. Die geben aber mathematisch nur recht wenig her. In der Mathematik liegt der Schwerpunkt eher auf algebraischen Codes, da hier z.B. Gruppentheorie angewandt werden kann.


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