Verständnisproblem bei Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)
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Hallo zusammen,
Es ist nun schon etwas her, als ich das letzte Mal Physik hatte. Wenn ich mich noch korrekt erinnere, dann fliessen bei Gleichstrom die Elektronen vom negativen Pol zum positiven. Beim Wechselstrom dagegen werden die Elektronen lediglich in Schwingung versetzt. Bei Gleichstrom braucht es ein Pool an Elektronen und einen "Abfluss". Bei Wechselstrom dagegen braucht es am einen Ende ein Gerät, welches die Elektronen in Schwingung versetzt und am anderen eine genügend grosse Menge, damit die Schwingung möglich ist, heisst woraus problemlos Elektronen gezogen (negative Amplitude?) und hinzugefügt (positive Amplitude?) werden können
Bei der Wechselstromübertragung ist somit meinem laienhaften Verständnis nach nur eine Leitung vom Generator zum Zielort mit einer Erdung nötig. Bei Gleichstrom dagegen wären zwei Leitungen nötig, da die Elektronen wieder zurück zum Generator müssten. Sonst würde man einfach den Zielort mit Elektronen aufladen und den Startort entladen.
Bei der HGÜ dagegen ist nun die Rede, dass es nur ein Kabel benötigt in eine Richtung. Das zeigt mir irgendwie auf, dass meine naive Überlegung hier wohl einen fatalen Fehler hat oder ich sonst etwas nicht korrekt verstanden habe. Doch was? Gibt es hier irgendwelche Elektroingenieure/Physiker/sonstige Experten, welche mir das im Bereich von Abiturphysik (mehr habe ich nie gehabt) erklären können?
Vielen Dank im Voraus.
Grüssli
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Die üblichen Hochspannungsleitungen übertragen Drehstrom, daher hat's dort drei Leitungen. "Normalen" Wechselstrom kannst du genau wie die Gleichspannung auch mit einer Leitung übertragen (und dann in beiden Fällen das gegenüberliegende Ende erden).
Übrigens ist die Vorstellung der mechanischen Elektronenbewegung eine, mit der du bei komplizierteren Phänomenen Schwierigkeiten bekommen wirst.
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SeppJ schrieb:
Die üblichen Hochspannungsleitungen übertragen Drehstrom, daher hat's dort drei Leitungen.
Drehstrom sind doch einfach drei Phasen an Wechselstrom, oder? Produziert durch die drei Spulen beim Generator.
SeppJ schrieb:
"Normalen" Wechselstrom kannst du genau wie die Gleichspannung auch mit einer Leitung übertragen (und dann in beiden Fällen das gegenüberliegende Ende erden).
Da ich mir eine mechanische Elektronenbewegung vorstelle, wie du das ausdrückst, macht das für mich bei Gleichstrom eben keinen Sinn. Dann lädt man doch den Zielort mit Elektronen auf. Aber dann ist eben meine Vorstellung falsch, daher:
SeppJ schrieb:
Übrigens ist die Vorstellung der mechanischen Elektronenbewegung eine, mit der du bei komplizierteren Phänomenen Schwierigkeiten bekommen wirst.
Ich werde kaum zu komplexeren Phönomenen kommen, aber wie soll man es sich dann vorstellen?
Grüssli
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Dravere schrieb:
SeppJ schrieb:
Die üblichen Hochspannungsleitungen übertragen Drehstrom, daher hat's dort drei Leitungen.
Drehstrom sind doch einfach drei Phasen an Wechselstrom, oder? Produziert durch die drei Spulen beim Generator.
Ja, netterweise so phasenverschoben, dass sie sich zu Null aufaddieren, sodass (theoretisch) keine Rückleitung nötig ist.
Da ich mir eine mechanische Elektronenbewegung vorstelle, wie du das ausdrückst, macht das für mich bei Gleichstrom eben keinen Sinn. Dann lädt man doch den Zielort mit Elektronen auf. Aber dann ist eben meine Vorstellung falsch
Stell dir vor, dass die Elektronen wegen der Erdung durch die Erde zum Ursprung zurückfließen.
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Michael E. schrieb:
Ja, netterweise so phasenverschoben, dass sie sich zu Null aufaddieren, sodass (theoretisch) keine Rückleitung nötig ist.
Man könnte nicht nur eine Phase zum Zielort bringen? Man muss immer alle drei Phasen übertragen?
Michael E. schrieb:
Stell dir vor, dass die Elektronen wegen der Erdung durch die Erde zum Ursprung zurückfließen.
Ok ... Erscheint mir ein wenig sehr vereinfacht ...
Grüssli
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Dravere schrieb:
Michael E. schrieb:
Stell dir vor, dass die Elektronen wegen der Erdung durch die Erde zum Ursprung zurückfließen.
Ok ... Erscheint mir ein wenig sehr vereinfacht ...
Wenn du in Hamburg einen Eimer Wasser füllst und ihn in New York ausschüttest, kannst du dir gerne vorstellen, dass das Wasser durch den Atlantik zurückfließt, musst es aber nicht.
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Bashar schrieb:
Wenn du in Hamburg einen Eimer Wasser füllst und ihn in New York ausschüttest, kannst du dir gerne vorstellen, dass das Wasser durch den Atlantik zurückfließt, musst es aber nicht.
Ok, falls man sich das so vorstellen darf, dass sich die Ladung einfach in der riesigen Masse ausgleicht.
Aber wie ist das mit dem Wechselstrom? Müssen nun für die Übertragung immer alle drei Phasen übertragen werden oder reicht auch nur eine Leitung mit einer Phase? Und wie soll man sich die Elektrizität vorstellen, wenn es um komplexere Phänomene geht? Oder gibt es dann keine Vorstellungsmöglichkeiten mehr und es gelten nur noch Formeln?
Grüssli
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Dravere schrieb:
Aber wie ist das mit dem Wechselstrom? Müssen nun für die Übertragung immer alle drei Phasen übertragen werden oder reicht auch nur eine Leitung mit einer Phase?
Standardmäßig werden alle drei Phasen zum Hausanschluss verlegt.
Vom Hausanschluss aus wird eine der Phasen zur Steckdose geführt, an der Dein PC angschlossen ist ...
Ein Haus hat i.d.R. mehrere Steckdosen, also werden mehrere Phasen vom Hausanschluss zu den Steckdosen geführt und es wird bemüht diese symmetrisch zu belasten. Da es aber immer Unsymmetrien gibt, fließt immer Strom zum Generator zurückt (das nichts zurück fließen muss ist nur Theorie). (Dann gibts da noch den Blindstrom, der aufgrund Kapazitäten und Induktivitäten in den Verbrauchern zwischen Erzeuger und Verbrauchern im Stromnetz hin und her pendelt.)Dravere schrieb:
Und wie soll man sich die Elektrizität vorstellen, wenn es um komplexere Phänomene geht? Oder gibt es dann keine Vorstellungsmöglichkeiten mehr und es gelten nur noch Formeln?
Was verstehst du unter komplexe Phänomene? Man kann jede noch so komplexe Schaltung rechnerisch oder durch Messung zu einem Ersatzwiderstand zusammenfassen und in einer Strom-/Spannungs-/Frequenz-Kennlinie etc. darstellen.
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Dravere schrieb:
Und wie soll man sich die Elektrizität vorstellen, wenn es um komplexere Phänomene geht? Oder gibt es dann keine Vorstellungsmöglichkeiten mehr und es gelten nur noch Formeln?
Ich finde es hilft, so zu denken wie die Elektriker, also in Spannungen, Strömen, Potentialen, Phasen, Widerständen und so weiter. Ein Verbundnetz mit Elektronenmechanik zu erklären, kann ich mir beispielsweise nicht mehr vorstellen, da müssen die Begriffe her, die die Effekte dieser Kollektivbewegung beschreiben, sonst wird es zu kompliziert.
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b.b. schrieb:
Standardmäßig werden alle drei Phasen zum Hausanschluss verlegt.
Vom Hausanschluss aus wird eine der Phasen zur Steckdose geführt, an der Dein PC angschlossen ist ...
Ein Haus hat i.d.R. mehrere Steckdosen, also werden mehrere Phasen vom Hausanschluss zu den Steckdosen geführt und es wird bemüht diese symmetrisch zu belasten. Da es aber immer Unsymmetrien gibt, fließt immer Strom zum Generator zurückt (das nichts zurück fließen muss ist nur Theorie). (Dann gibts da noch den Blindstrom, der aufgrund Kapazitäten und Induktivitäten in den Verbrauchern zwischen Erzeuger und Verbrauchern im Stromnetz hin und her pendelt.)Ist mir alles bekannt und beantwortet meine Frage nicht. Würde es für die Übertragung von Wechselstrom auch reichen, wenn man eine Leitung nimmt mit einer Phase und diese an der Zielstelle erdet? Genau wie dies mit Gleichstrom ebenfalls möglich ist?
b.b. schrieb:
Was verstehst du unter komplexe Phänomene?
Ich bezog mich auf die Aussage von SeppJ.
SeppJ schrieb:
Ich finde es hilft, so zu denken wie die Elektriker, also in Spannungen, Strömen, Potentialen, Phasen, Widerständen und so weiter. Ein Verbundnetz mit Elektronenmechanik zu erklären, kann ich mir beispielsweise nicht mehr vorstellen, da müssen die Begriffe her, die die Effekte dieser Kollektivbewegung beschreiben, sonst wird es zu kompliziert.
Also in erster Linie Formeln und allenfalls deren Darstellung als Graphen. Na gut
Grüssli
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Dravere schrieb:
SeppJ schrieb:
Ich finde es hilft, so zu denken wie die Elektriker, also in Spannungen, Strömen, Potentialen, Phasen, Widerständen und so weiter. Ein Verbundnetz mit Elektronenmechanik zu erklären, kann ich mir beispielsweise nicht mehr vorstellen, da müssen die Begriffe her, die die Effekte dieser Kollektivbewegung beschreiben, sonst wird es zu kompliziert.
Also in erster Linie Formeln und allenfalls deren Darstellung als Graphen. Na gut
Man kann da auch ein intuitives Gefühl für bekommen, wenn man sich länger damit beschäftigt. Eigentlich ist es sogar einigermaßen anschaulich, auch wenn es zu Anfang tatsächlich sehr abstrakt aussieht. Es hilft natürlich, in Schulphysik einen Lehrer gehabt zu haben, der begeisterter Hobbyelektroniker war
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Dravere schrieb:
Ist mir alles bekannt und beantwortet meine Frage nicht. Würde es für die Übertragung von Wechselstrom auch reichen, wenn man eine Leitung nimmt mit einer Phase und diese an der Zielstelle erdet? Genau wie dies mit Gleichstrom ebenfalls möglich ist?
Es funktioniert doch im Haus auch, also wieso sollte es zur "Übertragung" also nicht gehen. Klar, Du hast über lange Distanzen ein paar zusätzliche Effekte, aber die haben vor allem Effizienzauswirkungen; außerdem müsste man die Last kennen, damit man mit einer Phase konstant Leistung durch das Netz schieben kann.
Aber es geht. Siehe Bahnnetz.
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Dravere schrieb:
Ist mir alles bekannt und beantwortet meine Frage nicht.
Würde es für die Übertragung von Wechselstrom auch reichen, wenn man eine Leitung nimmt mit einer Phase und diese an der Zielstelle erdet? Genau wie dies mit Gleichstrom ebenfalls möglich ist?dann verstehe ich wohl deine frage nicht.
ich weiß ja nicht was du dir unter einer leitung vorstellst aber du brauchst in beiden fällen eine hin- und eine rückleitung.
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Daniel E. schrieb:
Aber es geht. Siehe Bahnnetz.
Ist bei der Bahn nicht die Schiene die Rückleitung?
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Daniel E. schrieb:
Es funktioniert doch im Haus auch, also wieso sollte es zur "Übertragung" also nicht gehen. Klar, Du hast über lange Distanzen ein paar zusätzliche Effekte, aber die haben vor allem Effizienzauswirkungen; außerdem müsste man die Last kennen, damit man mit einer Phase konstant Leistung durch das Netz schieben kann.
Aber es geht. Siehe Bahnnetz.
im haus fließt der strom über den nulleiter zum erzeuger zurück und im bahnnetz ist die schiene die rückleitung.
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b.b. schrieb:
ich weiß ja nicht was du dir unter einer leitung vorstellst aber du brauchst in beiden fällen eine hin- und eine rückleitung.
Bei der HGÜ brauchst du eben keine Rückleitung, bzw. man kann vielleicht die Erde als Rückleitung ansehen. Aber wenn ich dich richtig verstehe, benötigt man beim Wechselstrom ein Kabel zurück zum Generator? Die Gleichstromübertragung kommt somit mit einem Kabel aus und die Wechselstromübertragung benötigt mindestens zwei? Wieso geht es beim Wechselstrom nicht auch mit nur einem Kabel wie beim Gleichstrom mit der HGÜ?
Grüssli
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Dravere schrieb:
b.b. schrieb:
ich weiß ja nicht was du dir unter einer leitung vorstellst aber du brauchst in beiden fällen eine hin- und eine rückleitung.
Bei der HGÜ brauchst du eben keine Rückleitung, bzw. man kann vielleicht die Erde als Rückleitung ansehen. Aber wenn ich dich richtig verstehe, benötigt man beim Wechselstrom ein Kabel zurück zum Generator? Die Gleichstromübertragung kommt somit mit einem Kabel aus und die Wechselstromübertragung benötigt mindestens zwei? Wieso geht es beim Wechselstrom nicht auch mit nur einem Kabel wie beim Gleichstrom mit der HGÜ?
Kannst du bei Wechselstrom auch, aber man macht's bloß nicht, da Drehstrom nicht viel schwieriger, dafür aber viel effizienter ist.
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SeppJ schrieb:
Kannst du bei Wechselstrom auch, aber man macht's bloß nicht, da Drehstrom nicht viel schwieriger, dafür aber viel effizienter ist.
Das ist alles, was ich noch wissen wollte... Nein, eigentlich will ich noch mehr wissen, über vielerlei Dinge, aber über diesen Thread ist es für mich nun genug
Vielen Dank
SeppJ schrieb:
Es hilft natürlich, in Schulphysik einen Lehrer gehabt zu haben, der begeisterter Hobbyelektroniker war
Gute Lehrer sind immer sehr hilfreich, nur sind sie leider auch sehr sehr selten. Mein Physiklehrer war eine Katastrophe. Vom Chemielehrer wollen wir erst gar nicht reden. Im Bereich der Elektronik habe ich mir vieles selbst beigebracht, weil es mich interessiert hat, bzw. immer noch tut.
Grüssli
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b.b. schrieb:
Daniel E. schrieb:
Es funktioniert doch im Haus auch, also wieso sollte es zur "Übertragung" also nicht gehen. Klar, Du hast über lange Distanzen ein paar zusätzliche Effekte, aber die haben vor allem Effizienzauswirkungen; außerdem müsste man die Last kennen, damit man mit einer Phase konstant Leistung durch das Netz schieben kann.
Aber es geht. Siehe Bahnnetz.
im haus fließt der strom über den nulleiter zum erzeuger zurück und im bahnnetz ist die schiene die rückleitung.
Vielleicht verstehe ich den relevanten Punkt nicht, aber bei mir leuchtet der Phasenprüfer auf, wenn ich ihn an die Phase halte und ich versichere dir, dass ich dazu nicht mit meiner anderen Hand in der Steckdose rumfingern muß.
Edit: Wahrscheinlich verstehe ich den Punkt wirklich nicht. Der "Neutralleiter" (bzw. Nullleiter, das ist ne Diskussion für sich) liegt doch auf Erdpotential. Wieso nen großen Unterschied reingeheimsen?
Eigentlich darf der "Nullleiter" ja auf jedem konstanten Potential liegen, aber dann sieht man halt potentielle Leckströme über die Erde nicht, darum erdet man ihn, weil dann die Sicherung fliegt, bevor größere Leckströme auftreten. Und die Erde als Rückleiter zu nehmen, erfüllt nicht immer die technischen Ansprüche an Leitungsgüte usw. Darum macht man ein Kabel dazu.
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Warum glaubst du denn das man bei Gleichspannung immer 2 Leitungen braucht?
Du kannst die Gleichspannung auch gegen Erde abführen.
Bei einer HGÜ wird die Wechselspannung in Gleichspannung umgewandelt (Gleichrichten), übertragen auf die nächste Einheit, dann wieder in Wechselstrom umgewandelt (Wechselrichten).|AC| -> |DC|---------|DC| -> |AC| | | Erde Erde
PS: Drehstrom ist 3-Phasen-Wechselstrom
Eine Spannung besteht immer dann wenn es einen Potentialunterschied gibt.
Da die 3 Phasen um 120° verschoben sind (3 Abgriffe) gibt es einen Potentialunterschied, dadurch auch nicht |2 mal 230 Volt| sondern 'nur' 400 Volt.
Suchen nach Effektivwert.
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appeal schrieb:
Warum glaubst du denn das man bei Gleichspannung immer 2 Leitungen braucht?
Du kannst die Gleichspannung auch gegen Erde abführen.Sag ich doch?
Eine Spannung besteht immer dann wenn es einen Potentialunterschied gibt.
Da die 3 Phasen um 120° verschoben sind (3 Abgriffe) gibt es einen Potentialunterschied, dadurch auch nicht |2 mal 230 Volt| sondern 'nur' 400 Volt.
Suchen nach Effektivwert.Eher die Außenleiterspannung.