peinlicher ZEIT-Artikel



  • Muss man das verstehen?
    Approximiert das Polygon 15. Grades etwa den Wanderweg?
    Warum ist das letzte Stück ("das u-förmige Teilstück") maßgeblich? Dass dort alle etwaigen Steigungen vorkommen, ist ja einleuchtend, aber was bringt das?



  • Ah, sehe gerade das Stichwort Mehrfachregression, danke.



  • Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Die ZEIT, eine Zeitung mit dem Anspruch intellektuell zu sein (behaupte ich mal), bringt in ihrer Printausgabe einen eine komplette Seite ausfüllenden Artikel über solche Banalitäten!



  • jepp. peinlich ist das. statt 'nen vernünftiges modell aufzustellen, dessen parameter aus den messwerten per least squares fit berechnet werden, nehmse dieses bekloppte polynom 15ten grades, was wie wild zu oszillieren scheint. wie kommt man auf so einen scheiß?



  • Was ist da jetzt peinlich? Das Modell oder der Artikel? Die ironische Distanz des Artikels ist euch hoffentlich nicht verborgen geblieben ... es kann also zwar sein, dass beides peinlich ist, dann aber aus unterschiedlichen Gründen.



  • Nunja, mit der Argumentation kann man jeden Blödsinn rechtferitgen.



  • Während in vielen Ländern Europas unzählige bunte Markierungen fröhliches Chaos verbreiten, herrscht auf Schweizer Wanderwegen einheitliches Gelb, genauer gesagt: Gelb RAL 1007.

    Wahnsinn. Ich denk nur: erzaehlt mir mehr... aber es wird besser:

    Darauf kommt die Astra-Frutiger zum Einsatz, ein schlanker, eleganter Schrifttyp, der in der Schweiz für Straßenschilder vorgeschrieben ist.

    Einfach - boah. Astra-Frutiger, besoffenen-Handschrift vielleicht?

    Die Kurve, die dieses Polynom 15. Grades beschreibt, sieht aus wie der Schwanz eines Drachen«, versucht Kromer die Sache plastisch zu machen

    Kromer ist so cool.

    Er selbst fährt häufig »ins Feld«. Denn die verwendeten Geodaten sind nicht immer auf dem allerneusten Stand. Heute wandert er in der Gegend von Interlaken über eine neue Hängebrücke. Für die ursprüngliche Route durch die Schlucht hat die PC-Software eine Marschzeit von 13 Minuten ausgespuckt. Über die Brücke braucht Maerten nur knapp fünf Minuten. Die Angaben auf dem Wegweiser vor der Schlucht sind seit dem Bau der Brücke also um zehn Minuten zu hoch.

    Maerten legt die Stirn in Falten. Wenn die Zeitangaben auf einem Wegweiser nicht stimmen, hat eine Korrektur für viele weitere Standorte Konsequenzen. Würde man etwa den Hauptwegweiser vor dieser Schlucht ändern, wären 19 weitere Wegweiser betroffen. Soll er die alle erneuern lassen, wegen knapp zehn Minuten? Maerten seufzt. Er will noch einmal darüber schlafen.

    First-World Problems

    Was fuer ein Wahnsinnsfortschritt! Weiter so! Als naechstes kommt wahrscheinlich "Perfekte Formel fuer Klopapier - wieviel bei wieviel?"



  • Ich stimme bei einigen Kommentaren zu. Das mit der Schriftfarbe und dem Schrifttyp ist natürlich lächerlich und dass es sich hier um ein ganz und gar unwichtiges Problem (First World Problems) handelt ist auch klar.

    Aber ansonsten sehe ich das nicht so negativ:

    1. Warum nicht eine Regression? Warum nicht eine mit dem Polynom 15. Grades? Womöglich haben sie dort im Vergleich zu anderen Polynomen oder linearen Modellen super Ergebnisse im letzten u-förmigen Bereich erzielt. Die werden da schon einiges getestet haben

    2.@krümelkacker: Woher willst du wissen wie sie die Konstanten berechnet haben? Die kommen auch aus irgendwelchen Messwerten.

    3. Das ist ein Zeitungsartikel, kein wissenschaftliches Paper, die Erklärungen sind daher oberflächlich, da steckt mit Sicherheit schon etwas mehr dahinter:

    Und dann gibt es noch 15 Konstanten, die sich aus mathematischen Gründen als notwendig herausgestellt haben, etwa C0 = 14,27, C1 = 0,37, C2 = 0,03.

    4. Also Leutz, nicht immer so negativ 👍

    Greets


  • Mod

    Mathias1986 schrieb:

    4. Also Leutz, nicht immer so negativ 👍

    Wieso aus Prinzip nicht kritisieren, was nicht gut ist? Jeder Physikstudent im fünften Semester kann dir erklären, warum eine Regression mit einem Polynom 15. Gerades sowohl von der Modellierung als auch von der Numerik her Unsinn ist. Polynome hohen Grades an Kurven zu fitten ist ein typischer Anfängerfehler von Leuten, die zwar Kurvenfits kennen, aber nicht genug Erfahrung haben, worauf es ankommt. Würde jemand in einem Fortgeschrittenenpraktikum damit ankommen, wäre das Durchgefallen.



  • SeppJ schrieb:

    Mathias1986 schrieb:

    4. Also Leutz, nicht immer so negativ 👍

    Wieso aus Prinzip nicht kritisieren, was nicht gut ist? Jeder Physikstudent im fünften Semester kann dir erklären, warum eine Regression mit einem Polynom 15. Gerades sowohl von der Modellierung als auch von der Numerik her Unsinn ist. Polynome hohen Grades an Kurven zu fitten ist ein typischer Anfängerfehler von Leuten, die zwar Kurvenfits kennen, aber nicht genug Erfahrung haben, worauf es ankommt. Würde jemand in einem Fortgeschrittenenpraktikum damit ankommen, wäre das Durchgefallen.

    Ich bin MatheStudent. Ich weiß wie ein Kurvenfit mit Polynomen funktioniert und kann mir vorstellen, dass man da beim 15. Grad numerisch Probleme bekommt.

    Aber warum von der Modellierung her Unsinn?



  • Mathias1986 schrieb:

    1. Warum nicht eine Regression? Warum nicht eine mit dem Polynom 15. Grades? Womöglich haben sie dort im Vergleich zu anderen Polynomen oder linearen Modellen super Ergebnisse im letzten u-förmigen Bereich erzielt. Die werden da schon einiges getestet haben

    Polynome eines hohen Grades haben enorm viele Freiheitsgrade, so dass man sie natuerlich an alles moeglich anfitten kann und dann auch herauskriegt, dass der Fehler bezueglich der Daten, die man reingesteckt hat, sehr klein ist. Aber: Diese Polynome neigen dazu, wild hin und her zu oszillieren, so dass Du aus so einem Fit keine guten Vorhersagen bezueglich anderer Messungen ziehen kannst. Im Prinzip wird ja sogar gesagt, wie das ganze aussieht:

    Die Kurve, die dieses Polynom 15. Grades beschreibt, sieht aus wie der Schwanz eines Drachen«, versucht Kromer die Sache plastisch zu machen, »eine Wellenlinie mit acht Bögen nach oben und sieben nach unten.«

    Wenn man da eine "Wellenlinie" hat, dann heisst das, dass bei diesem Polynom der "durchschnittlichen Steigung" bestimmte Steigungen existieren, die die Wanderer besonders schnell machen und andere, die die Wanderer besonders langsam machen. Das heisst, im Prinzip kann es passieren, dass Wanderer bei einer groesseren Steigung wesentlich schneller sind. Du kannst Dir ja mal durch den Kopf gehen lassen, ob das Deinem generellen Verstanednis dieser Problematik entspricht.

    Ok, letztendlich steht in dem Artikel ja auch, dass wohl nur ein einziger "Bogen" der Wellenlinie fuer die Wanderwege relevant ist. Man hat also vielleicht sogar Glueck gehabt und sieht dieses Verhalten nicht in dem Bereich, der gebraucht wird. Und vermutlich hat man auch das Glueck und sieht in diesem Bereich keine negativen Wanderzeiten. Aber: Ueberleg mal, welche Modellvorstellung man da reinsteckt. Das ist gar keine. Man fittet eine beliebige Kurve an einen Datensatz und versucht, daraus Vorhersagen fuer andere Messungen zu ziehen. Im allgemeinen funktioniert das nicht. In sinnvollen Vorhersagen steckt auch immer ein sinnvolles Modell. Wenn Du ein Polynom hoher Ordnung an irgendwelche Datenpunkte anfittest, wirst Du im Allgemeinen Overfitting kriegen. Das heisst, letztendlich fittest Du an Messfehler an, so dass Dir die Kurve, die rauskommt, am Schluss wesentlich besser vorkommt, als sie in Wirklichkeit ist. Sie wuerde einem Test an einem Kontrolldatensatz nicht standhalten.

    Mir ist nicht bekannt, dass in irgendeiner Wissenschaft irgendwo ein Polynom 15. Grades benoetigt wird. In der Physik hat man es haeufiger mal mit Polynomen zu tun, weil man bestimmte Zusammenhaenge mittels Taylor-Entwicklungen vereinfacht, die man dann allerdings nach einem der ersten Terme abbricht. Da geht man maximal bis zur 3. Ordnung oder so, meistens nur bis zur 1. Ordnung.



  • @Gregor: Vielen Dank für diese hervorragende Erklärung!!! 👍 👍 👍

    P.S. Was ein geiles Zitat, hatte ich noch nie gehört(klar) bzw. gelesen:

    "The problem with quotes on the Internet is that it is hard to verify their authenticity" - Abraham Lincoln



  • Hallo,

    Zur Berechnung des Sättigungsdampfdruckes von Wasser nimmt man schonmal Polynome 6. oder 8. Grades.
    siehe hier.
    http://rams.atmos.colostate.edu/cotton/vita/71.pdf



  • Ich sehe nirgends ein Polynom mit Grad 15. Oder sollte s_2 eigentlich s^2 sein?


  • Mod

    Mal als Nachtrag: Die Zeit hat's wohl selber bemerkt, dass der Artikel fachlich nicht so top ist:
    http://www.zeit.de/2012/32/N-Wanderformel-Ziegler



  • Gregor schrieb:

    Mir ist nicht bekannt, dass in irgendeiner Wissenschaft irgendwo ein Polynom 15. Grades benoetigt wird.

    x^15 - x - 1 für die Gruppe s15 in der Galoistheorie z.B.

    überhaupt in der Zahlentheorie - Polynome von beliebig hohem Grad, natürlich auch 15, wo man nur hinschaut (x^15 - 1, zyklotomische Polynome), in der diskreten Mathematik (Rückführung von 5 Polynomen vom Grad 3 auf ein erfüllbarkeitsäquivalentes Polynom vom Grad 15),

    in der Numerik: Eigenwerte von 15x15-Matrizen sind Nullstellen eines Polynoms det(A-t*Id) vom Grad 15, Determinante einer 15x15-Matrix usw um nur mal ein paar Beispiele zu nennen.


  • Mod

    buchstaben schrieb:

    Galoistheorie...Zahlentheorie...

    Mathematik um ihrer selbst willen ist keine "Wissenschaft", in dem Sinne wie Gregor das Wort benutzte. Polynome 15. Grades braucht man nirgends für die Beschreibung von "echten" Zusammenhängen, außer vielleicht zur Beschreibung eines an eine Tafel gezeichneten Polynoms 15. Grades.



  • Dann sollte Gregor Naturwissenschaft schreiben 🙂

    //edit und natürlich ist Mathematik um ihrer selbst Willen eine Wissenschaft. Die Physiker haben ja auch genug von den Ergebnissen profitiert.


  • Mod

    Die Aussage gilt auch für alle anderen Wissenschaften, nicht nur Naturwissenschaften. Eben nur nicht für die Zweige Mathematik die sich mit den Eigenschaften von Polynomen 15. Ordnung beschäftigen.



  • @buchstaben: Ok, ein Polynom 15. Grades ist natuerlich ein mathematisches Objekt, das man betrachten kann. Wenn man sich aber von der Mathematik entfernt und einer Natur- oder Ingenieurwissenschaft oder einer beliebigen anderen Wissenschaft zuwendet, dann nutzt man die Mathematik dort zur Modellierung von bestimmten Sachverhalten. In dem Zusammenhang machen Polynome 15. Grades keinen Sinn. Das wollte ich mit meinem Beitrag ausdruecken.

    buchstaben schrieb:

    in der Numerik: Eigenwerte von 15x15-Matrizen sind Nullstellen eines Polynoms det(A-t*Id) vom Grad 15, Determinante einer 15x15-Matrix usw um nur mal ein paar Beispiele zu nennen.

    DAS ist richtig und eigentlich auch ganz interessant. Eigenwerte und Eigenvektoren sind numerisch AFAIK etwas recht stabiles. Wenn man da ein bisschen an einem Wert innerhalb einer Matrix wackelt, dann wird einem das verziehen. Mit dem Verhalten eines Polynoms 15. Grades kann ich das nur schwer gedanklich unter einen Hut bringen. Sind die Nullstellen von derartigen Polynomen numerisch tatsaechlich auch derart stabil? Weiss das einer genauer? Naja, ich glaube, Matrizen dieser Groesse werden nicht mehr diagonalisiert, indem man das charakteristische Polynom aufstellt und dann damit rechnet. Da wird man andere Verfahren haben.


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