Programmieren/SW-Entwicklung künftig outgesourced nach Indien/China?



  • gunnag schrieb:

    ich bin Berufseinsteiger und habe Informatik studiert. Ich frage mich bei den ganzen aktuellen Meldungen/Meinungen die heißen dass die SW-Entwicklung/Programmierung immer mehr in billig-lohn Länder outgesourced werden ob es überhaupt Sinn macht sich in einen Entwickler-Job zu stürzen. Es bringt mir doch herzlich wenig wenn ich nach 5 Jahren berufserfahrung gut Entwickeln/Programmieren kann aber alles ins Ausland ausgelagert wird und ich ohne Job dastehe.

    Als Berufseinsteiger hatte ich die gleichen Sorgen. Damals hieß es ja noch "Kinder statt Inder", weil man halb Indien mit einer Greencard locken wollte, was natürlich die Gehälter drücken würde... also wenn Inder gekommen wären, aber es kamen ja nur eine Hand voll...

    Ein Kommilitone hat das Niedriglohnland Indien gleich ausgenutzt, sich eine Firma in Indien gesucht und dort Aufträge vermittelt. Er sah sich schon das große Geld machen.

    Nach einigen Monaten sprachen wir miteinander und er wollte, dass ich für ihn einen kleinen Job mache. Ich erwiderte, dass ich von dem Thema keine Ahnung habe, ergo nicht weiß, ob ich das so kann, bzw. das entsprechend mehr Zeit kostet und teurer würde, wenn ich mich da rein fuchse. Aber er wollte das so.

    Am Ende stellte ich eine Richtung von iirc 140 Euro aus. Als Feedback bekam ich die Info, dass mein Programm läuft und er zuvor den gleichen Auftrag nach Indien gegeben hat an Leute die sich auskennen. Dort hat er ein Vielfaches für die Info bezahlt hat, dass sein Wunsch technisch nicht umsetzbar ist.
    Er hat seine Firma kurz darauf mit Verlust geschlossen. Ursprünglich wollte er ein Produkt in Indien entwickeln lassen und hatte dafür auch Geldgeber und alles. Nur offenbar konnte keiner programmieren und ohne Produkt gab es vermutlich Ärger mit dem Geldgeber.

    Ähnliches höre ich von Freunden, die mit Indien zusammenarbeiten oder auch vor Ort sind. Entweder stimmt die Qualität nicht, oder es ist mindestens genauso teuer wie in Deutschland entwickeln zu lassen. Immerhin arbeiten die Inder zu anderen Zeiten, man muss alles erstmal übersetzen, kein Kunde will nachts an den Support oder Bugmeldungen auf englisch einreichen... anderes muss man erstmal breit erklären, da man nicht davon ausgehen darf, dass die Idee "Kreditkarte" dort ebenso geläufig ist wie in den USA.

    Die Firma, in der ich arbeite, hat das auch ausprobiert und GUI-Entwicklung ausgelagert. So gab es einen indischen Ansprechpartner für uns, dessen Person und Name konstant blieb, dessen Stimme und Codequalität aber tagesformabhängig war. Außerdem wurden Absprachen laufend vergessen.
    Keiner weiß, wie oft unser Ansprechpartner ausgetauscht wurde, ohne dass die Firma das mitgeteilt bekommen hätten.
    Als ich hier eingestellt wurde, musste ich den Indien-Code erstmal komplett überarbeiten/ersetzen. Die Kontakte nach Indien wurden damit eingestellt.

    Ich kenne bisher noch keine Firma, die mit Indien erfolgreich war.

    gunnag schrieb:

    Wie ist da eure Meinung/Erfahrung? Bitte keine troll-antworten. Ich stehe wirklich vor einer Entscheidung die mir Probleme macht...

    Entspann Dich...

    Die Gefahr aus Indien ist doch Schnee von Gestern. Heute steht der Chinese vor der Tür.

    Spannender wirds wenn die Spanier, Griechen, Italiener etc. kommen. Denn die stehen wirklich bei uns vor der Tür, sind nicht schlechter ausgebildet und brauchen keine Greencard. Und vor allem: Sie haben Hunger.

    Aber Deine Kenntnisse werden hier - vor Ort in Deutschland - weiterhin benötigt, da sehe ich keine Probleme.



  • Xin schrieb:

    Am Ende stellte ich eine Richtung von iirc 140 Euro aus.

    Fehlt da eine 0?



  • gunnag schrieb:

    HIch frage mich bei den ganzen aktuellen Meldungen/Meinungen die heißen dass die SW-Entwicklung/Programmierung immer mehr in billig-lohn Länder outgesourced werden ob es überhaupt Sinn macht sich in einen Entwickler-Job zu stürzen.

    Ich kenne Fälle in denen tatsächlich Projekte in andere Länder gegeben wurden sind. Nur von wenigen habe ich "positives" gehört* (wenn man mal von Kundenkritik an schlecht übersetzen Texten, schlechten Support usw. absieht - was langfristig einem auch das Rückgrat brechen kann). Von einigen hat man niemals mehr gehört, und andere haben wieder die Aufträge zurückgeholt.

    Unabhängig davon bekomme ich bei manchen Gehältern im IT-Bereich eine Gänsehaut, es gibt Regionen/Firmen die für einen Entwickler nicht mehr als für eine Vollzeit-Putzfrau zahlen wollen (und das sind nicht selten Firmen, die sich anderseits über einen Fachkräftemangel beschweren)...



  • maximAL schrieb:

    Xin schrieb:

    Am Ende stellte ich eine Richtung von iirc 140 Euro aus.

    Fehlt da eine 0?

    Nö, das war wirklich nur ein winzig kleiner Job. Nur das wusste ich vorher ja auch nicht. Irgendwas mit Visual Basic For Applications (was ich nie vorher gesehen hatte, die Syntax nicht kannte, geschweige denn wusste, ob oder wie man das installiert). Das war superbillig, so dass mir die 140 Euro nachher schon unfair vorkamen.
    Es war 'ne Kleinigkeit, selbst wenn man keinen Plan hat. Die Firma in Indien hat 'ne Woche zu mehreren Personen dran gesessen und das Thema dann als unlösbar abgehakt.

    Für mich war das der erste Hinweis, dass ein gut ausgebildeter Entwickler durchaus mehr Geld wert ist, selbst dann, wenn er erstmal keinen Plan hat, insbesondere wenn am Ende ein funktionierendes Programm rauskommt im Vergleich zu nicht funktionierenden Experimenten.

    Für den Kollegen sollte das vermutlich auch nur der Beweis sein, dass er die Jungs aus Indien nicht teuer bezahlen will, wenn er für kleines Geld in Deutschland eine funktionierende Lösung bekommen kann.



  • gunnag schrieb:

    ich bin Berufseinsteiger und habe Informatik studiert. Ich frage mich bei den ganzen aktuellen Meldungen/Meinungen die heißen dass die SW-Entwicklung/Programmierung immer mehr in billig-lohn Länder outgesourced werden ob es überhaupt Sinn macht sich in einen Entwickler-Job zu stürzen. Es bringt mir doch herzlich wenig wenn ich nach 5 Jahren berufserfahrung gut Entwickeln/Programmieren kann aber alles ins Ausland ausgelagert wird und ich ohne Job dastehe.

    Mich würde in diesem Zusammenhang mal interessieren, wie sich die Zahl der weltweit benötigten Softwareentwickler zeitlich entwickelt. Ich meine, wir leben in einer Zeit, in der das Moore'sche Gesetz immer mehr Einsatzmöglichkeiten für Computer und eingebettete Systeme eröffnet. Das muss ja im Prinzip auch zu einem massiven Anstieg der benötigten Entwickler führen.



  • Gregor schrieb:

    Mich würde in diesem Zusammenhang mal interessieren, wie sich die Zahl der weltweit benötigten Softwareentwickler zeitlich entwickelt.

    Neulich war so ein kurzer Artikel bei Heise. Da stand irgendwie, dass die Zahl der Programmierer in den nächsten Jahren von 18 auf 26 Mio oder so steigen wird, hauptsächlich in China und Russland. Keine Ahnung, finde die Zahl 18 Mio schon sehr hoch.



  • Mechanics schrieb:

    Gregor schrieb:

    Mich würde in diesem Zusammenhang mal interessieren, wie sich die Zahl der weltweit benötigten Softwareentwickler zeitlich entwickelt.

    Neulich war so ein kurzer Artikel bei Heise. Da stand irgendwie, dass die Zahl der Programmierer in den nächsten Jahren von 18 auf 26 Mio oder so steigen wird, hauptsächlich in China und Russland. Keine Ahnung, finde die Zahl 18 Mio schon sehr hoch.

    Dazu muss man vielleicht zu bedenken geben, dass ich damals (TM) vor 23 Jahren mein erstens Programm kommerziell veröffentlicht. Ich war 13, das Programm lief teilweise auf der Konsole, teilweise im Grafikmodus. Es wurde als gut betitelt - gut der Distributor war vermutlich auch nicht vollständig objektiv.

    Anyway - was ich damals da gebastelt hatte, reichte um verkauft zu werden. Heute brauchst Du schon ein Team qualifizierter Entwickler um irgendwas zu schreiben, was nicht in dutzendfacher Ausfertigung als OpenSource gibt.

    Es steigt also auch der Bedarf der Entwickler, ansonsten würden 8 Millionen Entwickler nämlich verhungern. ^^
    Und ich vermute von den 18 Millionen sind noch lange nicht alle gut...



  • unsere Firma hat auch schon einige Teile der SW in östlichen Nachbarländern machen lassen, da sich die Herrn BWLer über die niedrigen Entwicklungskosten gefreut haben.
    Inzwischen hat jeder eingesehen, dass die Qualität zu wünschen übrig lässt und dass die Kommunikation schwierig ist.

    Inzwischen wird der Großteil wieder am Standort selbst entwickelt. Offensichtlich hat es sich bis oben hin durchgesprochen, dass Fachkräfte am Standort doch ihr Geld wert sind.

    Also für gute Fachkräfte ist immer Bedarf vorhanden. Man darf nicht alles, was "Wirtschaftsexperten" behaupten, zu ernst nehmen. Vor allem, weil deren Trefferquote meist noch schlechter ist als der Wetterbericht.



  • Ich finde, es wäre aber auch gefährlich, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Man hört überall, dass die Qualität in Indien einfach nicht stimmt und praktisch alle Projekte sich im Nachhinein als teurer erweisen oder komplett neuentwickelt werden müssen. Aber es muss ja nicht immer so bleiben.
    Mein alter Arbeitgeber hat auch mal ein Projekt in Indien entwickeln lassen. Zuvor haben wir eine deutsche Firma gefragt. Sie haben den Auftrag abgelehnt, weil das Projekt nicht zu ihrem Profil gepasst hat. Also haben wir das damals über Vermittler bei einer Firma in Indien bestellt.
    Auch das war jetzt nicht unbedingt eine Erfolgsstory. Vor allem die Kommunikation hat sich als schwierig erwiesen. Das war wohl das größte Problem, es hat immer sehr lang gedauert zu erklären, was wir wollten, und dann hat es auch sehr lang gedauert, bis Bugs gefixt wurden und wenn die nicht so richtig gefixt wurden, hats wieder ewig gedauert, zu erklären, was da genau nicht funktioniert... Am Ende habe ich das Projekt dann übernommen und die Bugs selber gefixt. Auch im Code gabs einige komische Stellen, vor allem war das ganze recht inkonsistent (vielleicht weil verschiedene Entwickler dran gearbeitet haben).
    Aber im Endeffekt muss ich sagen, dass die Basisversion des Projekts durchaus brauchbar umgesetzt wurde und der Code im großen und ganzen auch akzeptabel war, da habe ich auch von deutschen Firmen schlimmeres gesehen. Und auch wenn das ganze deutlich länger gedauert hat als geplant und wir den Feinschliff dann selber übernommen habe, war das Projekt im Endeffekt recht günstig.
    Der Unterschied zwischen deutschen und indischen Firmen ist aus meiner Sicht also nicht weltbewegend. Wenn die Kommunikation mal besser klappt, die Inder bei der Qualität etwas aufholen und besser verstehen, worauf Europäer wert legen, könnten hier in Europa einige Softwarefirmen Probleme bekommen.



  • Mechanics schrieb:

    Der Unterschied zwischen deutschen und indischen Firmen ist aus meiner Sicht also nicht weltbewegend. Wenn die Kommunikation mal besser klappt, die Inder bei der Qualität etwas aufholen und besser verstehen, worauf Europäer wert legen, könnten hier in Europa einige Softwarefirmen Probleme bekommen.

    Indien ist günstig, weil aufgrund der Probleme es ansonsten keinen Grund gibt, Aufträge nach Indien zu geben. Es gibt in Indien qualifizierte Unternehmen, die absolut problemlos arbeiten.
    Nur kosten die genausoviel wie ein deutsches oder amerikanisches Unternehmen. Qualität kostet auch im Ausland Geld.

    Ein Freund von mir arbeitete in Indien und hat dort für seinen Arbeitgeber ausgebildet. Er war zweimal in Indien. Beim zweiten Mal waren von den ausgebildeten Leuten keiner mehr - die haben sich dann besser bezahlte Jobs als qualifizierte Entwickler gesucht und waren dann eben nicht mehr so "günstig", wie zu dem Zeitpunkt als sie vom Arbeitgeber meines Freundes eingestellt wurden.

    Seitdem sehe ich die Indienfrage als geklärt an. Ich habe Standortvorteil und bin auch nicht teurer als ein qualifizierter Inder, aber deutlich günstiger als ein Unqualifizierter.



  • Das Outsourcing passiert durch aus, und wird evtl. die einfachen Jobs in Deutschland langfristig rarer machen.
    Beispiel: Vodafone verlagert sehr viel nach Indien oder Osteuropa. Nicht zwangsläufig nur die Entwicklung.

    Wenn man aber keine Qualtitätskontrolle vor Ort hat, wird es häufig schwierig. In Indien scheint halt immer die Sonne, da ist es schwierig den Projektstand einschätzen zu können.

    Als freelancer habe ich schon mal ein Projekt aus Osteuropa von innen gesehen, wenn die kommentare auf polnisch/tschechisch/russisch sind, und der Code sonst auch grässlich hat man wohl am falschen Ende gespart...

    Für deine eigene Karriere denke ich ist es wichtig dass du eine gewisse Expertise in den Dingen die du tust entwickelst, Fachkräfte werden halt immer gebraucht. Und Netzwerke aufbauen ist heute sehr wichtig.



  • Ich stelle i.M. eher einen anderen Trend fest:

    Tausende IT Firmen in der EU versuchen süd- oder osteuropäische SW-Entwickler einzukaufen und sie dann billig in IT-Projekten vorort in D, AUT, LUX, CH, NL, LIE etc. über Kampfpreise zu platzieren.

    Funzt nur solange bis sie einen Dt.-sprachligen brauchen und dann schlecht ihren Kunden verkaufen können, dass sie jetzt die Preise 30-40% aufschlagen müssen, weil sie die vielen teueren Eingeborenen einkaufen müssen.

    Wenn man dann fließend Englisch spricht und ein bisschen sein CV fakt, ist der Quereinstieg in der IT jetzt ziemlich easy. Weil die jeden nehmen, den sie für die Ramschpreise bekommen können, um den Kunden zu zeigen, sie können überhaupt jemanden liefern. 🙄


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