Charta der Laizität
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Naja, anscheinend siehst du nicht, daß der Glauben bestimmte Handlungsweisen vorgibt und du, wenn du Handlungsweisen verbietest (was du ja "neutral" nennst), damit den Glauben einschränkst. Wenn mir mein Glauben gebietet, mir alle sechs Stunden die Hände zu waschen, ich dies in der Schule jedoch nicht darf, dann wird doch mein Glauben beeinträchtigt, denn dieser gebietet mir ein anderes Handeln. Aus meiner Sicht ist das halt ein Widerspruch. Beispiele habe ich genannt.
Anscheinend meinst du, daß der pure Glaube erlaubt ist, aber man den komplett vom Handeln trennen kann. Das scheint mir aber keine zutreffende Ansicht, denn bei den meisten gläubigen Menschen wirkt sich doch Glauben aufs Handeln aus (eben durch Regeln, die der Glauben vorgibt). Siehe auch die Beschneidungssache, nach deiner Ansicht wurde hier gar kein Glauben beeinträchtigt, aber die Juden und Moslems, die sich aufregten, sahen das wohl anders, und das kann ich auch nachvollziehen.
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Die logische Folgerung ist also, dass keine Regelung neutral sein kann.
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@scrub
Ja, ich denke ich sehe das gänzlich anders als du.Ich denke man kann die Sache nur auf zwei Arten verstehen.
- Neutralität gegenüber Glauben != Neutralität gegenüber Ausübung des Glauben. Das ist mein Standpunkt. Du hältst den nicht für sinnvoll. Kann ich nicht nachvollziehen, weil ich nicht verstehe wie man es anders sehen kann, aber OK. Vielleicht ist es schwierig für dich diesen Standpunkt zu verstehen weil es um Religion geht, und uns von klein auf eingetrichtert wurde dass Religion etwas ist was man irgendwie speziell respektieren muss. Dass es mehr ist als etwas was sich jemand einfach nur ausgedacht hat.
Mir fällt gerade kein anderes gutes Beispiel ein, aber ich hab ein möglicherweise akzeptables:
Die Eltern von Susi behaupten neutral demgegenüber zu sein mit wem sie befreundet ist. Susi möchte mit Hugo befreundet sein.
Hugo ist das dümmste Arschloch das die Welt jemals gesehen hat. Gleichzeitig verlangt Hugo von seinen Freunden dass er sie 3x pro Woche in ihrer Wohnung besuchen kommen darf -- und besucht sie auch regelmässig.
Müssen die Eltern von Susi nun dulden dass dieses dämliche Arschloch 3x pro Woche bei ihnen rumhängt, nur weil sie Susi versprochen haben ihr ihren Freundeskreis nicht vorzuschreiben?
Mmn. ganz klar nein.Ich gebe zu dass hier eine sprachliche Grauzone existiert. Wenn Susis Eltern versprochen hätten ihr alles zu erlauben was sie zur Pflege ihrer Freundschaften tun möchte/muss, dann wäre die Sache klar. Genau so wäre die Sache klar wenn sie gesagt hätten "du kannst mögen wen du willst, aber deswegen kannst du noch lange nicht tun was du willst".
Und letzteres - auf das Thema Religion zurückgemünzt - ist mMn. ziemlich genau das was in der Charta steht.
- Etwas schwieriger zu erklären. Es ist Neutralität gegenüber Ausübung des Glauben gemeint. Gleichzeitig aber natürlich auch Neutralität in Hinsicht darauf für welchen (wenn überhaupt einen) Glauben man sich entscheidet. Also keine Beeinflussung.
Das kann aber nur heissen, dass die Freiheit der Ausübung des Glaubens dort enden muss, wo die Freiheit der Ausübung bzw. Wahl des Glaubens von anderen beeinträchtigt wird.
Da der Staat vorschreibt dass Kinder in die Schule gehen, muss die Schule also neutral gehalten werden. Auf die Kneipe ums Eck trifft das nicht zu, da muss ich ja nicht reingehen.
Und damit die Schule neutral bleibt, muss ich dort auch alles verbieten was diese Neutralität zerstören würde.
D.h. auch die plakative zur Schau Stellung einer bestimmten Glaubensrichtung. Sonst wäre nämlich eine Schule wo 90% X-Gläubige Schüler rumlaufen nicht mehr neutral.
Diese Auslegung führt auf gewisse Weise zu einem Widerspruch. Allerdings zu einem, den man vermutlich in jeder Verfassung und vielen ähnlichen Texten finden wird. "Life, liberty and the pursuit of happiness" hat genau das selbe Problem. Die Leute scheinen sich allerdings damit abgefunden zu haben, dass jede Garantie einer bestimmten Freiheit bzw. eines bestimmten Rechts automatisch mit der Einschränkung "bis dahin wo es ebendiese Freiheit/ebendieses Recht anderer beschränken würde" versehen ist.
(Ausgenommen die Freiheit/das Recht wird nur für eine einzige Person garantiert, dann wäre diese Einschränkung natürlich nicht nötig.)Und wenn man diese Einschränkung implizit annimmt, dann sehe ich auch mit dieser Auslegung keinen inneren Widerspruch in der Charta.
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hustbaer schrieb:
Neutralität gegenüber Glauben != Neutralität gegenüber Ausübung des Glauben. Das ist mein Standpunkt. Du hältst den nicht für sinnvoll. Kann ich nicht nachvollziehen, weil ich nicht verstehe wie man es anders sehen kann, aber OK. Vielleicht ist es schwierig für dich diesen Standpunkt zu verstehen weil es um Religion geht, und uns von klein auf eingetrichtert wurde dass Religion etwas ist was man irgendwie speziell respektieren muss. Dass es mehr ist als etwas was sich jemand einfach nur ausgedacht hat.
Man kann es anders sehen, wenn man annimmt: Glauben und Handeln hängen zusammen. Ich dachte übrigens auch mal anders, aber ich bin von der Meinung abgekommen, auch aus persönlichen Gründen. Weil ich nämlich darauf gekommen bin, daß vieles, was nur im Kopf ist, aber nicht nach außen kann oder darf, einen Dreck wert ist.
Und ich meine, das sehen die meisten Menschen um uns herum auch so. Und die sehen eine solche "neutrale" Charta eben nicht als neutral an. Ich auch nicht, wobei ich nichtmal gläubig bin.Aber das kann man ja ganz einfach beheben: Einfach das Gesülz von Neutralität weglassen und reinschreiben, daß religiöse Überzeugungen gegenüber allgemeinen Gesetzen und Regeln zweitrangig sind. Oder den Begriff der Neutralität anders auslegen, nur deine Auslegung ergibt meiner Meinung nach echt keinen Sinn.
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@scrub
Du bewertest das ganze emotional.
Auch OK. Dann würde ich aber nicht von "innerem Widerspruch" sprechen, denn das ist für mich eine logische Sache, keine emotionale.Sag von mir aus die Charta ist unglücklich formuliert oder sowas.
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hallo
ich sehe das wie scrub. man kann glauben und dessen ausführung nicht einfach trennen. die rituellen handlungen sind doch integraler bestandteil des glaubens. deswegen soll man auch nicht so tun, als sei man dem gegenüber neutral. ich kann eine obergrenze definieren (das gültige gesetz) und dann all dem gegenüber neutral sein, was diese grenze nicht überschreitet. sobald diese grenze überschritten wird, darf ich so tun, als sei ich neutral, sondern muss das klar unterbinden. viele glaubensrichtungen halten sich aber per eigener definition nicht an diese obergrenze also stehe ich diesen auch nicht neutral gegenüber.
chrische
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Hi Scrub,
scrub schrieb:
Meine Religion verlangt, daß ich missioniere
Dann gehe doch dahin, wo Deine Religion Staatsreligion ist, oder wenn sie es nirgends ist sammle Geld, kaufe von bestehenden Staaten Land ab und Gründe dort einen eigenen Staat, in dem Deine Religion dann Staatsreligion ist.
Im Gegensatz zur DDR ist um die BRD keine mauer mehr gebaut, und Du kannst auswandern wohin Du willst.Im übrigen harmonieren wir beide hervorragend miteinander, denn mein Glaube gebietet mier, alle die mcih missionieren wollen umzubringen. :p
DFie Freiheit des einzelnen endet unzweifelhaft immer dort, wo sie in die Freiheit eines anderen eingreift. Und mir gehen religiöse Eiferer, die mich von irgendwas missionieren wollen gewaltig auf den Sack.
Im übrigen habe ich nichts dagegen, wenn Frauen (oder Männer) gegen die Kälte eine Kopfbedeckung tragen.
Aber wenn Frauen immer ein Kopftuich tragen um anderen einen Blick auf ihre Haare zu verweigern, aber in ein Land gehen, wo man keines trägt und dann die anderen angucken, dann empfinde ich das auf einer Ebene stehend mit denen, die angezogen an den FKK-Strand gehen und dort die Nackten angaffen.
Gruß Mümmel
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hustbaer schrieb:
@scrub
Du bewertest das ganze emotional.
Auch OK. Dann würde ich aber nicht von "innerem Widerspruch" sprechen, denn das ist für mich eine logische Sache, keine emotionale.Sag von mir aus die Charta ist unglücklich formuliert oder sowas.
Ich bewerte nichts emotional, ich sehe nur, daß Neutralität und Verbote sich widersprechen. Den einen wird mehr verboten, den anderen weniger. In der Charta steht was von Gleichheit und Neutralität.
muemmel schrieb:
DFie Freiheit des einzelnen endet unzweifelhaft immer dort, wo sie in die Freiheit eines anderen eingreift. Und mir gehen religiöse Eiferer, die mich von irgendwas missionieren wollen gewaltig auf den Sack.
Du gehst mir schon lange auf die Nüsse und bist auch nicht der einzige, aber irgendwie werden wir es trotzdem auf die Reihe kriegen, ohne daß wir uns wechselseitig was verbieten, oder?
muemmel schrieb:
Im übrigen habe ich nichts dagegen, wenn Frauen (oder Männer) gegen die Kälte eine Kopfbedeckung tragen.
Aber wenn Frauen immer ein Kopftuich tragen um anderen einen Blick auf ihre Haare zu verweigern, aber in ein Land gehen, wo man keines trägt und dann die anderen angucken, dann empfinde ich das auf einer Ebene stehend mit denen, die angezogen an den FKK-Strand gehen und dort die Nackten angaffen.
Ohje, bist du wirklich so strunz? Diesen Standpunkt exploiten die Leute schon lange, geh mal in eine Schule und frag dort im Hochsommer die Mädchen mit Kopftuch, ob sie nicht ganz fürchterlich schwitzen: Nein, tun sie natürlich nicht.
Und du hast schlicht kein Recht, anderen Leuten auf die Haare zu gucken. Daher kann man dir da mit keinem Kleidungsstück etwas verwehren. Außerdem ist es doch wohl eher so, daß solchen Frauen der Blick auf unverhüllte Haare unangenehm ist, anstatt daß sie zum nackte-Haare-Gaffen extra nach Mitteleuropa kommen.
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scrub schrieb:
hustbaer schrieb:
@scrub
Du bewertest das ganze emotional.
Auch OK. Dann würde ich aber nicht von "innerem Widerspruch" sprechen, denn das ist für mich eine logische Sache, keine emotionale.Sag von mir aus die Charta ist unglücklich formuliert oder sowas.
Ich bewerte nichts emotional, ich sehe nur, daß Neutralität und Verbote sich widersprechen. Den einen wird mehr verboten, den anderen weniger. In der Charta steht was von Gleichheit und Neutralität.
Nein, es wird allen das selbe verboten. Klar, es trifft diejenigen weniger die in ihrem Glauben weniger Glaubenssymbole vorgeschrieben bekommen u.ä.
Das ist der Charta aber egal. Es muss ihr auch egal sein, sonst wäre sie nämlich nicht mehr neutral. Und das Wort Gleichheit wäre dann auch nicht mehr angebracht.
Neutralität gegenüber Religion heisst ja nicht auf jede Religion einzugehen, sondern genau das Gegelteil: sich nicht darum zu kümmern was jmd. für eine Religion hat, EDIT: und auch nicht darum zu kümmern was irgendwelche Religionen ihren Anhängern vorschreiben. /EDITOder ist die Charta so zu verstehen dass eine Christin z.B. ein Kopftuch tragen darf, eine Muslimin aber nicht? Bzw. die Muslimin mit einer Kette mit Kreuz rumlaufen darf, die Christin aber nicht? Das wäre natürlich total dämlich.
Wenn dann gehört geregelt was als religiöses Symbol gilt, und diese müssen dann innerhalb der Schule alle verboten sein -- unabhängig davon wer sie trägt.
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muemmel schrieb:
scrub schrieb:
Meine Religion verlangt, daß ich missioniere
Dann gehe doch dahin, wo Deine Religion Staatsreligion ist, oder wenn sie es nirgends ist sammle Geld, kaufe von bestehenden Staaten Land ab und Gründe dort einen eigenen Staat, in dem Deine Religion dann Staatsreligion ist.
Im Gegensatz zur DDR ist um die BRD keine mauer mehr gebaut, und Du kannst auswandern wohin Du willst.
[...]
DFie Freiheit des einzelnen endet unzweifelhaft immer dort, wo sie in die Freiheit eines anderen eingreift. Und mir gehen religiöse Eiferer, die mich von irgendwas missionieren wollen gewaltig auf den Sack.Schön, und mir gehen Werbeflyer und das Fernsehprogramm auf den Sack.
Wir sind hier, wie Du hier gerade ungeschickt versucht zu schreiben, ohne den offensichtlichen Widerstand zu bemerken, eine halbwegs freie Gesellschaft. Das bedeutet unter anderem, dass es keine vom Himmel herabgefallenen Wahrheiten gibt und man seinen Standpunkt im Zweifel durch Diskussion verteidigen muß. Wenn dir jemand im Supermarkt Johgurt andreht oder davor ein Exemplar von Dianetics oder der Bibel -- wo ist der Unterschied und wies0 meinst Du, das eine verbieten zu können und das andere nicht?
Nur weil dir etwas "auf den Sack" geht, ist eine totalitäre Begründung.
Und an einem "geh doch nach drüben"-Argument hat auch seine Grenzen. Als die Leute hergekommen sind, war doch noch gar nicht klar, dass irgendwelche Erleuchteten ihre Meinung der Gesamtgesellschaft aufdrücken werden.
Im Gegenteil, üblicherweise kommt man "hier" her, weil der Raum, in dem man tun und lassen kann, was man will, versucht wird zu maximieren. Klar gibts Grenzen. Aber es ist eben qualitativ nicht das gleiche wenn man auf der Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit besteht, oder fordert, dass sich Leute auf einer öffentlichen Straße einen Satz Standardklamotten von H&M anzieht.
Auch aus rein strategischer Überlegung ist es doch zweifelhaft. Was gewinnst Du damit, außer innere Spannungen und daß im Zweifel wirklich Leute dein Land verlassen, was (toll) deine Steuerbasis verkleinert. Wie gesagt, dafür muß man meiner Meinung nach schon sehr erleuchtet sein, damit man erst mal auf so eine Idee kommt.
Aber wenn Frauen immer ein Kopftuich tragen um anderen einen Blick auf ihre Haare zu verweigern, aber in ein Land gehen, wo man keines trägt und dann die anderen angucken, dann empfinde ich das auf einer Ebene stehend mit denen, die angezogen an den FKK-Strand gehen und dort die Nackten angaffen.
Jupp, siehste "empfinden". Damit muß man in einer halbwegs freien Gesellschaft leben.
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Hi,
das Grundprinzip dabei ist eben nicht alles zu erlauben, denn dann muss schon wieder hinterfragt werden was man erlauben will (auch Menschenopfer) sondern Religion als das zu betrachten was sie ist, nämlich Privatsache. Das hat in staatlichen und öffentlichen Institutionen nichts zu suchen. Nur so ist Gleichbehandlung möglich. Wobei ich noch einen Schritt weiter gehen würde und nicht nur Religion, sondern auch Ideologie unter diese Regelung fasllen lassen würde, denn die Übergänge sind da zum Teil recht fließend (ist Antroposophie eine Religion oder Ideologie?).
Es geht also nicht darum alles zu erlauben (was sowieso unmöglich ist) sondern in Fragen Religion (und Ideologie) nichts zu verlangen.
Gruß Mümmel
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muemmel schrieb:
Wobei ich noch einen Schritt weiter gehen würde und nicht nur Religion, sondern auch Ideologie unter diese Regelung fasllen lassen würde, denn die Übergänge sind da zum Teil recht fließend (ist Antroposophie eine Religion oder Ideologie?).
Du meinst Weltanschauung?
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Hi Camper,
camper schrieb:
muemmel schrieb:
Wobei ich noch einen Schritt weiter gehen würde und nicht nur Religion, sondern auch Ideologie unter diese Regelung fasllen lassen würde, denn die Übergänge sind da zum Teil recht fließend (ist Antroposophie eine Religion oder Ideologie?).
Du meinst Weltanschauung?
Nein, Ideologie.
http://de.wikipedia.org/wiki/IdeologieEine Weltanschauung kan man haben, Ideologie wird vermittelt (oder eingebläut).
Gruß Mümmel
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... und dann "hat man sie".
muemmel schrieb:
Es geht also nicht darum alles zu erlauben (was sowieso unmöglich ist) sondern in Fragen Religion (und Ideologie) nichts zu verlangen.
Was meinst du denn in dem Zusammenhang mit "verlangen"?