Informatik als Nebenfach



  • Hallo zusammen,

    ich fange dieses Jahr mit dem Studium an, und hab mich eigentlich schon auf Physik festgelegt. Hab aber auch Lust etwas mit Informatik zu machen. Also kam mir die Idee Physik als Hauptfach und Informatik als Nebenfach zu Studieren. Die Möglichkeiten die ich hab sind Momentan folgende:

    1. Ich Studiere nur Physik und las Informatik einfach weg

    Vorteile:
      - Mehr Zeit während des Studiums
      - Ich kann mir durchaus vorstellen später in einem Bereich in der Physik zu arbeiten, bei der ich Informatik kaum brauch
    

    2. Ich Studiere Physik und Informatik als Nebenfach mit 30 ECTS Punkten

    Auf der Webseite der Universität steht dazu folgendes:

    Bei der Variante mit 30 ECTS wird nicht davon ausgegangen, dass die Studierenden später im Beruf selbst als Informatikerinnen und Informatiker tätig sind, wohl aber mit Informatikerinnen und Informatiker zusammen in Projekten arbeiten. Als Hauptansprechpersonen der Informatikerinnen und Informatiker sollten sie die Konzepte der Informatik so gut kennen und verstehen, dass sie mit Kolleginnen und Kollegen aus der Informatik fachlich kommunizieren können. Die in der 30 ECTS-Punkte-Variante vermittelten Kenntnisse sollten darüber hinaus ausreichen, die Arbeit der Informatikerinnen und Informatiker auch beurteilen und sogar kontrollieren zu können.

    Vorteile:
      - Hört sich von der Beschreibung eigentlich sehr gut an, so will ich ja nicht unbedingt direkt als Informatiker tätig sein
      - Vom Umfang hört sich das im Zusammenspiel mit einem Physikstudium machbar an
      - Als Physiker kommt man wohl nur schwer ohne Informatik aus, bei der Jobsuche wäre ich evtl. im Vorteil
    

    3. Ich Studiere Physik und Informatik als Nebenfach mit 60 ECTS Punkten

    Auf der Webseite der Universität heist es dazu:

    Die 60 ECTS-Punkte-Variante entspricht, wenn man vom Nebenfach und der Grundausbildung in Mathematik, die im Studium der Informatik als Hauptfach geleistet wird, absieht, der Hälfte des Studiums der Informatik als Hauptfach. Der Modulkatalog umfasst dabei im Wesentlichen die Module, für die man eine geringere mathematische Grundausbildung benötigt. Das Studium konzentriert sich daher auf die praxisrelevanten Anteile, so dass die Absolventinnen und Absolventen nach dem Abschluss Tätigkeiten aufnehmen können, die durchaus anspruchsvolle Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem IT-Bereich erfordern.

    Vorteile:
      - Ich könnte mehr in Richtung Informatik machen
      - Ähnlich wie Informatik mit 30 ECTS Punkten
    

    4. Ich studiere Physik und Informatik

    - Hier fallen mir eigentlich nur Nachteile ein, ein Haufen Arbeit, so viel Informatik werde ich wahrscheinlich nie brauchen, etc.
    

    Außerdem noch ein paar weiter Fragen:
    - Zu welcher der von oben genannten Möglichkeiten würdet ihr mir raten? Hab ich irgendwelche wichtigen Punkte übersehen?
    - Sowohl bei Physik als auch bei Informatik hat man viele Mathevorlesungen. Ist die Mathematik der beiden Fächer "ähnlich"? Sodass ich mir einen Großteil der Mathevorlesungen bei einem Fach schenken kann?
    - Hat, oder ist jemand von euch gerade dabei Physik mit Informatik als Nebenfach zu studieren? welche Erfahrungen hat er gemacht?
    - Wie groß sind die Vorteile mit Informatik (entweder als 30/60 Nebenfach bzw. als volles Studium) als Physiker, insbesondere da ich mich soweit ich es bis hierher abschätzen kann mich in Richtung Theoretische Physik spezialisieren will?

    Schreibt einfach eure Meinung, kann ja nicht schaden 🙂
    floorball



  • > - Zu welcher der von oben genannten Möglichkeiten würdet ihr mir raten? Hab
    > ich irgendwelche wichtigen Punkte übersehen?

    Weißt du denn grob, was man im Informatikstudium macht? Insbesondere dass das Informatikstudium kein Programmierkurs ist (jedenfalls nicht ausschließlich).
    Ich nehme mal an, du willst an die LMU. Guck doch mal da einfach in die Vorlesungsthemen und schau, ob dich das wirklich interessiert (Sachen wie Algos&Datenstrukturen, Automatentheorie, Rechnernetze, um nur ein paar Themen zu nennen).
    Wenn es dir vor allem um den Spaß am Programmieren und das Finden von Algorithmen geht, ist die Numerik des Physikstudiums (und später Computational Physics) vielleicht ausreichend. Das kannst du zwar nicht mit Softwareentwicklung vergleichen, da es da mehr um das Berechnen mathematischer Probleme mithilfe von Programmiersprachen geht als ganze Software zu designen, aber vielleicht ist das ja schon die eigentliche Quintessenz, die dich interessieren könnte. Im Physikstudium an der LMU arbeitet man im Fach Numerik ausschließlich mit C++.

    > - Sowohl bei Physik als auch bei Informatik hat man viele Mathevorlesungen.
    > Ist die Mathematik der beiden Fächer "ähnlich"? Sodass ich mir einen
    > Großteil der Mathevorlesungen bei einem Fach schenken kann?

    Ohne den Informatikern zu nahe treten zu wollen, aber Physiker müssen naturgemäß viel mehr Mathematik als Informatiker beherrschen (sehr pauschal und in Ausnahmen auch durchaus mal anders, aber nicht die Regel); nur Mathematiker machen noch mehr Mathe als Physiker, denke ich. Von daher bist du, sofern du die Physiker-Mathe kannst, in Informatik voll bedient und brauchst diese Veranstaltungen nicht zu besuchen.

    > - Wie groß sind die Vorteile mit Informatik (entweder als 30/60 Nebenfach
    > bzw. als volles Studium) als Physiker, insbesondere da ich mich soweit ich
    > es bis hierher abschätzen kann mich in Richtung Theoretische Physik
    > spezialisieren will?

    Du weiß jetzt schon, dass du theoretische Physik machen willst? Wow.
    Also ein Informatikstudium hilft dir in Richtung theoretischer Physik kaum bis garnicht, sind wirklich ziemlich unterschiedliche Sachen. Wo sich Themen der Physik und Informatik wirklich kreuzen wirst du halt auf Gebiete wie Computational Physics oder Quanteninformatik treffen; bei beidem liegt der Schwerpunkt deutlich auf der Seite der Physik und erfordert meines Erachtens kein Informatikstudium bzw. es bringt einem keinen nennenswerten Vorteil in diesen Gebieten.

    Noch was grundlegendes: Physik an sich ist nicht ganz ohne, vor allem an der LMU. Bist du topfit in Mathe? Besonders die ersten Semester in Physik können sehr nervenaufreibend, frustrierend und zeitaufwändig (!) sein. Ein Nebenfach, besonders wenn es 60 ETCS sind, sind eine ziemliche Mehrbelastung. Physik-Klausuren, besonders in theoretischer Physik, haben nicht selten eine Durchfallquote über 50% (und das sicher nicht nur an der LMU). Oder hast du schon etwaige Erfahrungen mit Informatik und Physik gemacht?



  • Aus meiner Sicht kannst du Informatik weglassen (ich selber habe Informatik studiert), wenn du Physik studierst. Als Physiker oder Mathematiker wirst du in deinem Job wahrscheinlich viel programmieren müssen und an sich würden hier Informatikgrundlagen schon weiterhelfen. Allerdings muss man das jetzt nicht unbedingt studieren. Die meisten (auch theoretischen) Grundlagen, die man in der Praxis tatsächlich braucht sind relativ einfach, man muss da nicht besonders in die Tiefe gehen. Wichtiger wäre, gut programmieren zu können (was du im Studium sehr wahrscheinlich nicht lernen wirst), und wenn man gut programmieren gelernt hat, dann hat man dabei eh schon viele wichtige Informatikgrundlagen mitgelernt.



  • floorball schrieb:

    - Sowohl bei Physik als auch bei Informatik hat man viele Mathevorlesungen. Ist die Mathematik der beiden Fächer "ähnlich"? Sodass ich mir einen Großteil der Mathevorlesungen bei einem Fach schenken kann?

    Die Mathematikvorlesungen haben einen gewissen Überlapp in Linearer Algebra und in Analysis. Ich würde sagen, dass man ungefähr 50% Überschneidung hat. Jenseits davon unterscheidet sich die Mathematik, die man in beiden Fächern benötigt. Aus meiner Sicht ist der Grund dafür, dass man in der Physik eher mit "kontinuierlichen Systemen" in Berührung kommt, während man es in der Informatik eher mit "diskreten Systemen" zu tun hat. Entsprechend ist die Analysis-Ausbildung im Physikstudium wesentlich ausgeprägter. Zudem kriegst Du es dort massiv mit Funktionalanalysis und Funktionentheorie zu tun. Unter Umständen setzt man im Physikstudium auch noch etwas Darstellungstheorie von Gruppen drauf. Im Informatikstudium hat man es demgegenüber eher mit "Diskreter Mathematik" und später auch ausgeprägt mit Stochastik zu tun. Mit Stochastik und Funktionentheorie kriegt man es auch etwas im jeweils anderen Gebiet zu tun, aber jeweils in wesentlich geringerem Maße.

    floorball schrieb:

    - Wie groß sind die Vorteile mit Informatik (entweder als 30/60 Nebenfach bzw. als volles Studium) als Physiker, insbesondere da ich mich soweit ich es bis hierher abschätzen kann mich in Richtung Theoretische Physik spezialisieren will?

    1. Als Physiker braucht man im Wesentlichen keine Informatik. Es ist sinnvoll, etwas programmieren zu können. Aber die Dinge, die man programmiert, stellen einen eher nicht vor informatische Herausforderungen. Du wirst dort also eher nicht mit Problemstellungen konfrontiert werden, bei denen es von Vorteil ist, dass Du zum Beispiel im Hinterkopf hast, dass es einen effizienten Approximationsalgorithmus für das metrische Traveling Salesman Problem gibt, während das bei der nichtmetrische Version dieses Problems nicht der Fall ist.

    2. Glaube mir: Du kannst vor dem Studium noch nicht abschätzen, was nach einigen Semestern Deine Interessen sein werden.

    EDIT: Dir sollte klar sein, dass nach dem Studium bzw. nach der Promotion viele Physiker aus der Wissenschaft weggehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Du dann von Informatik-Wissen profitieren kannst.



  • Jodocus schrieb:

    Ohne den Informatikern zu nahe treten zu wollen, aber Physiker müssen naturgemäß viel mehr Mathematik als Informatiker beherrschen (sehr pauschal und in Ausnahmen auch durchaus mal anders, aber nicht die Regel); nur Mathematiker machen noch mehr Mathe als Physiker, denke ich. Von daher bist du, sofern du die Physiker-Mathe kannst, in Informatik voll bedient und brauchst diese Veranstaltungen nicht zu besuchen.

    1. In beiden Gebieten wendet man Mathematik in erster Linie an. Man nutzt sie also, um damit zu rechnen, wobei "physikalische Formeln herleiten" als rechnen gilt. Hierbei muss in der Physik definitiv mehr gerechnet werden. Wobei es, wie oben schon erwähnt, auch einige Themengebiete gibt, die in der Informatik stark gebraucht werden, in der Physik aber eher weniger.

    2. "Mathematik betreiben", im Sinne so eines "Definition-Satz-Beweis"-Schemas, wirst Du als zentrale Arbeitsweise eher in einigen Bereichen der theoretischen Informatik als in Bereichen der Physik finden. Das betrifft im Informatikstudium aber nicht direkt die Mathematik, die man in den Mathevorlesungen kennenlernt, sondern eben den Stoff aus Vorlesungen in theoretischer Informatik. Also im Bereich der Logik, der Automatentheorie, der Formalen Sprachen, der Komplexitätstheorie und so weiter.


  • Mod

    Es gibt schon auch mathematische Physik, die auch wirklich mathematisch vorgeht, nicht "nur" Mathematik anwendet. Das ist halt relativ unauffaellig und wird nur von wenigen Leuten gemacht, aber an vielen Hochschulen gibt es eine kleine, versteckte Gruppe dafuer (viel mehr als einen Stuhl, Tisch, Tafel, viel Kreide und einen Computer braucht's schliesslich nicht). Der TE sagt ja, dass er theoretische Physik machen moechte 😉 .
    Letzteres hat ein Smiley dran, weil jeder, der Physik studiert hat weiss, dass er sich vor dem Studium Physik ganz anders vorgestellt hat. Insbesondere die ersten wirklich theoretischen Vorlesungen sind oft ernuechternd.

    Es gibt an manchen Hochschulen auch einen Studiengang "naturwissenschaftliche Informatik". Das ist ein quasi ein (vollwertiges!) Informatikstudium mit starker Betonung eines naturwissenschaftlichen Nebenfachs (z.B. Physik, kann man selber waehlen). Man wird damit zu einem Informatiker, der Themen aus diesen Wissenschaften verstehen kann und diese dann mit "richtigen" Informatikmethoden bearbeiten kann. Leute, die nur eins gemacht haben, haben oft das Problem, dass sie den jeweils anderen Komplex nicht gut genug verstehen.



  • SeppJ schrieb:

    Letzteres hat ein Smiley dran, weil jeder, der Physik studiert hat weiss, dass er sich vor dem Studium Physik ganz anders vorgestellt hat. Insbesondere die ersten wirklich theoretischen Vorlesungen sind oft ernuechternd.

    Das ist wohl bis zu einem gewissen Grad bei jedem Studium so. Vermutlich hat man bei der Physik noch eine relativ gute Vorstellung von dem, was einen erwartet. Aber generell gibt es diesbezüglich einige ganz massive Aha-Erlebnisse im Studium. In der Informatik ist es glaube ich etwas schlimmer.

    @floorball: Weißt Du, was Physik ist und was für Arbeitsmethoden dort zur Anwendung kommen? Erzähl doch mal ein bisschen, was diesbezüglich Deine Vorstellung ist. 😋



  • So wie´s ausschaut rät mir wohl niemand zu einem parallelen Informatikstudium. Ist wahrscheinlich auch besser so, Physik alleine dürfte wohl schon nicht ganz einfach werden und mit Informatik bzw. Programmierung dürfte ich im Ansatz ja trotzdem in Kontakt kommen. Also eigentlich genau das was ich will.

    floorball



  • floorball schrieb:

    So wie´s ausschaut rät mir wohl niemand zu einem parallelen Informatikstudium. Ist wahrscheinlich auch besser so, Physik alleine dürfte wohl schon nicht ganz einfach werden und mit Informatik bzw. Programmierung dürfte ich im Ansatz ja trotzdem in Kontakt kommen. Also eigentlich genau das was ich will.

    Ich habe beides studiert und kenne auch noch einige andere Leute, die 2 Faecher studiert haben. Ich sehe vor allem ein zentrales Problem: Es wird Dich Zeit kosten. Du wirst dadurch fuer Dein Studium laenger brauchen.

    Generell wuerde ich aber sagen: Mach das, was Dich interessiert. Wenn Du aus Interesse in beide Gebiete einen tiefen Einblick bekommen moechtest, dann studier beides. Wenn Du das ganze hingegen nur als eine Art strategischen Bonus siehst und Dir denkst, dass Du dann wichtige Qualifikationen hast, die Dich fuer einen Bereich sehr sehr wertvoll machen, dann sage ich Dir: Mach Dir nichts vor. Das ganze wuerde Dir aus "wirtschaftlicher Sicht" mehr kosten als nuetzen.


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