Ein paar Laien-Fragen zur Quantenphysik



  • Frage 1: Messungen
    Wie ist "Messung" bzw. "Beobachtung" definiert? Offenbar muss das System (siehe delayed choice quantum eraser) Information nach außen transportieren um die Welle "kollabieren" zu lassen.

    Aber eine Messung kann ja nicht "vom Menschen beobachtet" bedeuten. Was zählt als Messung? Interagieren nicht auch einzelne Teilchen immer irgendwie mit ihrer Umgebung? Welcher Versuchsaufbau kann schon ein totales Vakuum und Sicherheit vor jeglicher äußerer Beeinflussung garantieren? Wird also nicht immer "gemessen"?

    Frage 2: Doppelspaltexperiment
    Woher "weiß" das Teilchen, dass es einen Doppelschlitz durchwandert hat und sich ab nun mit sich selbst interferiert bzw. sich als Welle verhalten soll? Da ja auch einzelne Partikel mit sich selbst interferieren: welche Kraft sorgt für eine Ablenkung?

    Stand der Forschung scheint ja zu sein, dass das Teilchen gar nicht abgelenkt wird sondern sich "überall" mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit befindet. Aber muss nicht irgendeine physikalsiche Kraft letztlich den Pfad eines Teilchens bestimmen?

    Frage 3: Delayed choice quantum eraser
    Wenn ich einen Veruschsaufbau wie im EN-Wiki-Artikel beschrieben habe, wird ja behauptet keine die Kausalität verletztende Eigenschaften beobachten zu können. Das Interferenzmuster wird ja erst *nach* der Zuordnung beobachtbar, heißt, es ist schon bekannt ob gemessen wurde oder nicht.

    Nun aber folgende Idee: ich verlängere den Weg der Teilchen zu den Detektoren D1-D4 auf eine sehr große Weite und entferne die Detektoren D3 und D4 während des Weges (aber zeitlich nach dem Aufschlag auf D0). Sollte D0 jetzt nicht statt einer vollen Fläche nur noch ein Interferenzmuster zeigen können?

    Beachte: zum Entfernen von D3 und D4 muss ich nicht unbedingt überlichtschnell hinlaufen, ich kann die Partikel auch bevor sie die Detektoren erreichen in eine Schleife wandern lassen die sie x-Millionen-fach durchlaufen bevor sie die restlichen 2m weiterwandern. D.h. ich kann durchaus erst nach dem Aufschlag auf D0 die Detektoren anbringen oder entfernen...wie ist der Versuchsausgang?

    MfG SideWinder



  • SideWinder schrieb:

    Frage 1: Messungen
    Wie ist "Messung" bzw. "Beobachtung" definiert? Offenbar muss das System (siehe delayed choice quantum eraser) Information nach außen transportieren um die Welle "kollabieren" zu lassen. Aber eine Messung kann ja nicht "vom Menschen beobachtet" bedeuten. Was zählt als Messung?

    Geschichten wie der Kollaps der Wellenfunktion sind allesamt Interpretationen oder Anschauungen. Mathematisch betrachtet ist eine Messung einer Observablen das Anwenden eines Operators (der insbesondere komplexzahlig sein kann, aber hermitesch sein muss, damit seine Eigenwerte reell sind bzw. seine Eigenvektoren eine Orthonormalbasis bilden) auf einen quantenmechanischen Zustand, ähnlich dem Anwenden einer Matrix auf einen Vektor (nur eben nicht unbedingt linear und endlichdimensional). Dabei "kollabiert" dir dein Ausgangszustand in einen Eigenzustand (bzw. Eigenvektor) des Operators, der zugehörige Eigenwert ist der Messwert, also eine Zahl in Meter, Energie etc. Schau dir dafür mal den Bra-Ket-Formalismus an, da wird dir klar, was Messungen sind und wie sie mit den Wahrscheinlichkeiten zusammenhängen.

    SideWinder schrieb:

    Interagieren nicht auch einzelne Teilchen immer irgendwie mit ihrer Umgebung?

    Klar tun sie das. Der Zustand eines einzelnen Teilchens verändert sich mit der Zeit, ausgedrückt mit dem Zeitentwicklungsoperator.

    SideWinder schrieb:

    Wird also nicht immer "gemessen"?

    Ich würde es nicht so nennen. Messungen verändern den Zustand, aber der verändert sich auch in der Zeitentwicklung. Der Unterschied ist, dass der unitär ist und nicht hermitesch, also gibt es auch keine Messwerte.

    SideWinder schrieb:

    Welcher Versuchsaufbau kann schon ein totales Vakuum und Sicherheit vor jeglicher äußerer Beeinflussung garantieren?

    Garkeins. Es gibt kein absolutes Vakuum, nicht mal theoretisch.

    SideWinder schrieb:

    Frage 2: Doppelspaltexperiment
    Woher "weiß" das Teilchen, dass es einen Doppelschlitz durchwandert hat und sich ab nun mit sich selbst interferiert bzw. sich als Welle verhalten soll? Da ja auch einzelne Partikel mit sich selbst interferieren: welche Kraft sorgt für eine Ablenkung?

    Was meinst du mt Ablenkung? Bei Elektronen lenken z.B. Lorentz-Kräfte. Du gehst aber falsch an die Sache heran: In der QM kannst du z.B. die Aufenthaltsw'keiten ausrechnen (ist das Betragsquadrat der Ortswellenfunktion). Diese Wellen können interferrieren und geben dir das Streifenmuster. Diese Orte sind also jene Orte, an denen das Elektron mit höherer W'keit sein könnte, wo es ist, weiß man nicht (delokalisiert), aber es bleibt dabei dennoch ein Punktteilchen. Wenn du nun viele Elektronen durch den Spalt jagst, ergibt sich das Verteilungsmuster dann von ganz alleine anhand der Aufenthaltsw'keiten.

    SideWinder schrieb:

    Stand der Forschung scheint ja zu sein, dass das Teilchen gar nicht abgelenkt wird sondern sich "überall" mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit befindet. Aber muss nicht irgendeine physikalsiche Kraft letztlich den Pfad eines Teilchens bestimmen?

    Der Kraftbegriff spielt in der QM keine große Rolle. Dort benutzt man den hamiltonischen Ansatz zur Beschreibung der Dynamik, nicht den newtonschen. Dein Ansatz klingt ein bisschen wie die De-Broglie-Bohm-Theorie (in der man auch von ganz bestimmten, "verborgenen" Trajektorien der Teilchen ausgeht. Aber das ist nur Interpretation der QM, neue Aussagen macht sie nicht (und umstritten ist sie auch, da es noch keine Beschreibung mit SRT gibt).

    Bzgl. deiner anderen Frage: Sorry, hab das Zeug nicht gelesen und leider auch keine Zeit, deswegen überlasse ich das mal anderen.



  • Jodocus schrieb:

    SideWinder schrieb:

    Frage 1: Messungen
    Wie ist "Messung" bzw. "Beobachtung" definiert? Offenbar muss das System (siehe delayed choice quantum eraser) Information nach außen transportieren um die Welle "kollabieren" zu lassen. Aber eine Messung kann ja nicht "vom Menschen beobachtet" bedeuten. Was zählt als Messung?

    Geschichten wie der Kollaps der Wellenfunktion sind allesamt Interpretationen oder Anschauungen. Mathematisch betrachtet ist eine Messung einer Observablen das Anwenden eines Operators (der insbesondere komplexzahlig sein kann, aber hermitesch sein muss, damit seine Eigenwerte reell sind bzw. seine Eigenvektoren eine Orthonormalbasis bilden) auf einen quantenmechanischen Zustand, ähnlich dem Anwenden einer Matrix auf einen Vektor (nur eben nicht unbedingt linear und endlichdimensional).

    Und wie bildet sich "anwenden eines Operators" auf die Realität ab?



  • hustbaer schrieb:

    Jodocus schrieb:

    SideWinder schrieb:

    Frage 1: Messungen
    Wie ist "Messung" bzw. "Beobachtung" definiert? Offenbar muss das System (siehe delayed choice quantum eraser) Information nach außen transportieren um die Welle "kollabieren" zu lassen. Aber eine Messung kann ja nicht "vom Menschen beobachtet" bedeuten. Was zählt als Messung?

    Geschichten wie der Kollaps der Wellenfunktion sind allesamt Interpretationen oder Anschauungen. Mathematisch betrachtet ist eine Messung einer Observablen das Anwenden eines Operators (der insbesondere komplexzahlig sein kann, aber hermitesch sein muss, damit seine Eigenwerte reell sind bzw. seine Eigenvektoren eine Orthonormalbasis bilden) auf einen quantenmechanischen Zustand, ähnlich dem Anwenden einer Matrix auf einen Vektor (nur eben nicht unbedingt linear und endlichdimensional).

    Und wie bildet sich "anwenden eines Operators" auf die Realität ab?

    In einer Änderung des Zustands, wie gesagt. Der Klassiker: Stern-Gerlach-Experiment. Durch das Filtern bestimmter Spin-Richtungen wird u.U. die Intensität hinter Polarisatoren wieder stärker, da man bei inkompatiblen Messungen (also 2 Operatoren haben keine gemeinsame Eigenbasis) sich den Zustand zerhaut. Das kann man ganz real beobachten.


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