Griechenland. Ein Land kurz vor dem Konkurs?
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@muemmel: genau richtig, was Du da schreibst.
Tsipras knickt offenbar immer mehr ein. Die EU hätte von Anfang an mehr Kontra geben sollen. Dennoch sehe ich - im Gegensatz zu den Börsen - nicht den geringsten Grund zum Optimismus, denn nun ist alles falsch.
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Nun widersprechen sich auch noch Juncker, Hollande und Merkel in den zitierten Äußerungen. Schäuble sieht keine Basis für seriöse Verhandlungen/Absprachen. Tsipras zockt mal wieder. Rente mit 67: erst ab 2022. Vielleicht schafft er es doch noch, weiter ungeniert auf Pump zu leben. Ach ja, fast hätte ich es vergessen, er braucht mal schnell 29 Mrd.
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Jaja, der böse linke Tsipras fährt das Land an die Wand weil Linke bekanntlich nicht wirtschaften können. Wobei, die Schulden hat Tsipras eigentlich von der Vorgängerregierung "geerbt", die nicht links war. Und die Ursache für das Problem haben Neoliberale verschuldet. Ups.
Dieses Griechen-Bashing ist lächerlich. Aber bei den Anderen lässt es sich bekanntlich am schönsten kürzen. Wenn Deutschland in dieser Situation wäre, würden die Rentner hierzulande auch nicht altruistisch auf ihre Rente verzichten wollen. Schaut euch an was hierzulande für ein Theater wegen dem Bau von Stromtrassen gemacht wird. Und das Ganze wegen ein paar bayerischen Bauern. Was glaubt ihr, was hier los wäre, wenn Renten gekürzt würden? Die Antwort ist lautet: Diejenigen die gegen die Griechen am lautesten schimpfen, würden als erste auf die Strasse gehen mit den Worten "Ich habe mir die Rente verdient".
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es auch für die Griechen das beste wäre, wenn diese Bankrott gehen würden in Verbindung mit einem Schuldenschnitt und ggf. einer eigenen Währung.
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Jaja, der böse linke Tsipras fährt das Land an die Wand weil Linke bekanntlich nicht wirtschaften können.
Nein, das Problem begann 2007. Er gibt der ganzen Sache nur den Rest und entfernt Griechenland bewusst vom restlichen Europa. Beim "Referendum" weiß auch keiner mehr, um was es eigentlich genau geht. Selbst bei NEIN will er nun im Euro bleiben, ist auch egal, weil jeden Tag, manchmal sogar stündlich, anders.
Er hat es mit seiner Unberechenbarkeit und Ziellosigkeit inzwischen geschafft, die extrem europafreundliche Frau Merkel in die Starre zu treiben.
T&V verprellen alle, die restliche EU, den IWF, die eigene Notenbank. Als Nächstes folgt vielleicht das eigene Volk, das diese Polit-Clowns in "Frührente" schicken könnte.
Fazit: Mit T&V geht nix mehr, was in der Praxis Sinn macht.
Das griechische Volk muss das alles leider aushalten. Einen "Freund" hat es noch, nämlich die unerschütterliche EZB, die brav die Geldautomaten weiter füllt, zumindest in einem gewissen Rahmen. Ansonsten wäre schon längst Schicht im Schacht.
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Ich glaube nicht, dass es die beste Option wäre, wenn Griechenland ausscheidet; eine vernünftige Steuerung der Währungsunion wäre besser im Interesse aller, weil feste Wechselkurse grundsätzlich etwas wünschenswertes sind (z.B. weil sie den Handel fördern). Nur sehe ich nicht, wie unsere wirtschaftspolitischen Köpfe eine Währungsunion steuern wollen, wenn sie die grundlegenden Funktionsprinzipien eines Währungsraums nicht verstanden haben, oder dieses Verständnis zumindest energisch leugnen. Die deutsche Regierung bestreitet ja - im Widerspruch zu nahezu allen internationalen Ökonomen, und im Widerspruch zu diversen internationalen Partnerländern - dass der deutsche Außenhandelsüberschuss ein Problem sein könnte. Deswegen gehe ich davon aus, dass ein Grexit langfristig unvermeidlich ist, weil uns die Währungsunion solange immer wieder um die Ohren fliegen wird, bis die Politiker verstanden haben, wie man sowas stabilisiert.
Die Sache mit den Forderungen von Gläubigern und Schuldnern ist insgeamt ziemlich lächerlich. Natürlich kann man Bedingungen stellen, auch solche, von denen man weiß, dass der andere sie nicht annehmen kann, aber dann soll man nicht rumheulen, wenn man zurückgewiesen wird (egal für wie idiotisch man diese Entscheidung des Gegenübers hält). Das ist eben so in Verhandlungen, da hat jede Seite das Recht, "Nein" zu sagen. Von diesem Recht macht unsere Regierung ja übrigens auch derzeit Gebrauch. Und es täte allen Verhandlungspartnern auch gut, zu verstehen, dass der Gegenüber andere Vorstellungen von guter Wirtschaftspolitik hat. Ich halte ja das, was unser Land tut, für große Misswirtschaft, aber damit leben muss ich als Demokrat trotzdem, weil eine Mehrheit hierzulande anderer Auffassung ist. Aber ich fühle mich schon im Recht, wenn ich denselben demokratischen Anstand auch von der anderen Seite erwarte.
MrX hat es theoretisch korrekt dargestellt, sich allerdings auf die Beziehung D <--> Südliche Euro-Länder konzentriert. Wichtig für D sind aber die wirtschaftlichen Beziehungen zu USA, China, Japan etc.
Das stimmt, dass diese Beziehungen für uns wichtig sind. Es hat allerdings wenig mit dem Eurozonen-Problem zu tun, dass das Ergebnis einer inneren Abwertung ist. Die Eurozone als ganze ist nämlich in einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, mit moderatem Leistungsbilanzüberschuss und stabiler Währung. Die innere Abwertung hat uns in Deutschland zwar auch im Handel mit Ländern außerhalb der Eurozone Vorteile verschafft (unser gigantischer Leistungsbilanzüberschuss), aber nur auf Kosten anderer Eurostaaten, deren Marktanteile wir übernommen haben (Deren Defizit. Anders formuliert: Damit nehmen wir nicht China, sondern den anderen Euroländern Anteile am Weltmarkt ab). Die Eurozone als Ganzes kann von einer inneren Abwertung nicht profitieren, weil in der Konsequenz der Euro sofort aufwerten würde. Der Außenhandel der ganzen Eurozone würde auch keineswegs beeinträchtigt, wenn diese wieder in ein Gleichgewicht gebracht würde, indem Deutschland seine Löhne erhöht. Deutschland würde dann zwar an Marktanteil verlieren, nicht aber die Eurozone. Ob dies Deutschland überhaupt absolut (und das ist die einzige relevante Größe, wenn es um unser Wohlbefinden geht) schadet, ist damit nicht einmal gesagt, wenn es gelingt, in diesem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht ein insgesamt höheres Wachstum zu erzielen. Ohnehin habe ich ja auch bereits gesagt, dass wir unsere Export nicht einschränken müssen, sondern unseren Import an den Export anpassen müssen. Dann würden wir ja sogar mehr konsumieren als zuvor, uns ginge es dann also noch besser.
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Selbst, wenn D die Löhne erhöhen würde, hilft das GR nicht wirklich. Ich poste jetzt bewusst einen Link, der bereits 5 Jahre alt ist, denn Tsipras ist nicht für die langfristige Entwicklung verantwortlich: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/produkte-aus-hellas-griechen-das-kaufen-wir-euch-ab-1984784.html
Er bietet nur keinen Ausweg aus der Situation. Im Gegenteil, er zeigt überdeutlich auf, dass GR nicht in die EU gehört, zumindest nicht mit ihm, das hat er gestern gesagt. Den Euro nimmt er aber gerne von der EZB, zumindest geschenkt.
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Erhard Henkes schrieb:
Selbst, wenn D die Löhne erhöhen würde, hilft das GR nicht wirklich. Ich poste jetzt bewusst einen Link, der bereits 5 Jahre alt ist, denn Tsipras ist nicht für die langfristige Entwicklung verantwortlich: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/produkte-aus-hellas-griechen-das-kaufen-wir-euch-ab-1984784.html
Der Artikel widerspricht mir nicht, ganz im Gegenteil. Die Produkte, die Griechenland damals exportierte, waren "leicht ersetzbare Zwischenprodukte", die sich "auch von anderen Abnehmern beziehen, wenn der Preis nicht stimmt". Das sind genau die Mechanismen, von denen ich rede. Weiteres Zitat: "Im Schiffsverkehr sind griechische Reeder bereits Weltspitze, und ihre Kapazitäten wären bei sinkenden Preisen wohl noch viel stärker gefragt." Das ist doch eben der Punkt, der Preis der griechischen Warem muss relativ zu den anderen Ländern sinken. Aber eben relativ, d.h. es wirkt genauso, wenn der Rest aufwertet. Griechenland hat durch Lohnsenkungen längst den Anteil kompensiert, um den im Vorfeld der Krise die Löhne dort zu stark gestiegen sind. Nur das reicht nicht, wenn in Deutschland und einigen kleineren Nordländern die Löhne zu schwach gestiegen sind, und diese Länder ihren Anteil nicht auch kompensieren.
Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass über Nacht in dem korrupten Land "blühende Landschaften" aus dem Nichts entstehen können. Die Strukturen dort sind ein erhebliches Hindernis beim Aufbau jeder Art von Wirtschaft, und würden den J-Kurven-Effekt (s.o.) einer äußeren Abwertung nach einem Grexit erheblich verlängern, sodass Griechenland dann im Grexit-Fall auch länger als ein weniger korruptes Land von der Eurozone gestützt werden müsste, wenn man eine humanitäre Katastrophe verhindern will. Aber der Artikel verdeutlicht, dass es durchaus Produkte gab, die Griechenland exportieren konnte, und das heißt, dass die Ausgangslage für außenwirtschaftliches Gleichgewicht besser sind, als man vielleicht erstmal glaubt. Diese Wirtschaft müsste nämlich glücklicherweise nicht aus dem Nichts entstehen, oder hätte dies zumindest vor 5 Jahren nicht gemusst. Nur sind die Voraussetzungen nicht gegeben, weil wir das Lohnstückkostengefälle nicht beseitigt haben...
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Erhard Henkes schrieb:
Er bietet nur keinen Ausweg aus der Situation. Im Gegenteil, er zeigt überdeutlich auf, dass GR nicht in die EU gehört, zumindest nicht mit ihm, das hat er gestern gesagt. Den Euro nimmt er aber gerne von der EZB, zumindest geschenkt.
Du solltest mal probieren es aus Sicht von Griechenland zu sehen. Die Troika Vorgaben fuehren das Land ans Ende. Diese Vorgaben verschlimmern die Situation - wie du ja selber zugegeben hast.
Was also ist die Loesung? Irgendwer muss eine Reissleine ziehen wenn der eingeschlagene Weg in eine Sackgasse fuehrt. Von der EU wird das Griechenlandproblem leider nur verschleppt, da kaum ein Politiker sich traut unpopulaere Massnahmen zu setzen. Das ist eben das doofe an einer Demokratie.
Aber mich wuerde mal dein Loesungsvorschlag fuer das Problem interessieren.
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Shade Of Mine schrieb:
Du solltest mal probieren es aus Sicht von Griechenland zu sehen. Die Troika Vorgaben fuehren das Land ans Ende. Diese Vorgaben verschlimmern die Situation - wie du ja selber zugegeben hast.
Vor den letzten Neuwahlen in Griechenland sah es so aus, als ob Griechenland gerade dabei war, die Kurve zu kriegen. Es hätte nicht mehr viel gefehlt. Die Neuwahlen haben aber natürlich alles verändert. Wer soll denn in der jetzigen Situation in Griechenland investieren?
Es hat übrigens nie eine griechische Regierung die Reformen, die mit den internationalen Geldgebern ausgehandelt wurden, zu 100% umgesetzt. Vielleicht ist das ja auch ein Problem.
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Gregor schrieb:
Vielleicht ist das ja auch ein Problem.
Das Problem ist jedenfalls, dass Fr. Merkel sich zu der Aussage durchringt.
"Ein guter Europäer ist derjenige der sich an die Gesetze der EU hält."
In Anbetracht der Rechtsbrüche innerhalb der EU, gibt es keinerlei "gute" Europäer
Die Aussage aber soll dennoch den Schein erwecken, es gäbe sie.Normalerweise würde ich Straßenschlachten in Berlin und Paris erwarten.
Das Bier ist eindeutig noch zu billig und das Werbefernsehen zu bunt !
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Gregor schrieb:
Shade Of Mine schrieb:
Du solltest mal probieren es aus Sicht von Griechenland zu sehen. Die Troika Vorgaben fuehren das Land ans Ende. Diese Vorgaben verschlimmern die Situation - wie du ja selber zugegeben hast.
Vor den letzten Neuwahlen in Griechenland sah es so aus, als ob Griechenland gerade dabei war, die Kurve zu kriegen. Es hätte nicht mehr viel gefehlt. Die Neuwahlen haben aber natürlich alles verändert. Wer soll denn in der jetzigen Situation in Griechenland investieren?
Na das ist aber schon deutlich mehr als optimistisch betrachtet. Aber ein Fakt der rein Objektiv bewertbar ist, ist dass die Wirtschaft in Griechenland in der Zeit der Troika Vorgaben deutlich geschrumpft ist.
Es hat übrigens nie eine griechische Regierung die Reformen, die mit den internationalen Geldgebern ausgehandelt wurden, zu 100% umgesetzt. Vielleicht ist das ja auch ein Problem.
Das liegt in der Natur der Sache. So funktioniert die Welt eben. Griechenland kann ja gar nicht alle Vorgaben umsetzen, denn wenn sie es könnten, dann wären die Vorgaben zu lasch und das wäre sehr bedenklich.
Deine Lösung wäre also gewesen weiter zu machen wie bisher. Gut, das kann man aus deutscher Sicht verstehen. Doof ist es halt für die EU als ganzen, aber prinzipiell ist es etwas dass die deutsche Position innerhalb der EU nur verbessert.
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@Mr.X
Wie stellst du Dir so eine Erhöhung der Löhne in Deutschland vor?
Die Löhne entscheiden in D immer noch die Tarifpartner, bzw allgemein der Arbeitsmarkt.
Dass sich die deutschen Arbeiter mit relativ geringeren Löhnen (bzgl. ihrer Wirtschaftsleistung) zufrieden geben ist eben auch Teil der "Tüchtigkeit" unseres Landes.
Natürlich erarbeitet man sich so einen Vorteil gegenüber anderen Ländern, die für die gleiche Arbeit mehr verlangen, oder bei gleichem Lohn weniger leisten, früher in Rente gehen, etc.
Diese Art von Konkurrenz zwischen Ländern muss wohl erlaubt sein
Sie folgt dem Grundsatz, dass es dem Tüchtigsten am Schluss am besten gehen soll und daher jeder aufgerufen ist so tüchtig wie möglich zu handeln, sei es individuell oder als Staatsgemeinschaft.
(Ich weiss, dieser Grundsatz gilt bei der Linken nicht unbedingt - Das ist letztlich die gleiche Diskussion zwischen Links und Rechts die auch innenpolitisch in jedem Land stattfindet)Ich halte nichts davon Schulden zu erlassen. Aus moralischen Gründen. Aber ich habe auch nichts dagegen, dass Gläubiger bei Zahlungsausfall auf ihren Schulden sitzen bleiben. Das ist eben das Risiko wenn man Geld leiht.
Problem ist aber dass nicht die EZB (unser) Geld ausleihen sollte, denn uns hat niemand gefragt ob wir bereit sind das Risiko zu tragen. Warum kann sich nicht jedes Land selbst privat finanzieren?
Dann kommt bei schlecht gewirtschafteten Ländern eben irgendwann der Punkt an dem ihnen niemand mehr Geld leihen will und sie einsehen müssen dass sie was tun müssen.
Dann braucht es auch keine demütigende Auflagendiktate. Das Land muss selbst auf ne Lösung kommen und anpacken.
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Vielleicht doch ein wenig Fernsehen:
http://www.youtube.com/watch?v=fy6BE0F6dkE(Früher gab es in Griechenland das Orakel von Delphi -> http://de.wikipedia.org/wiki/Orakel_von_Delphi . Das Vergnügen des Vorhersagens wurde leider von einem christlichen Kaiser beendet. Den Begriff "Drachen" gibt es in der Originalversion nicht, dort heißt es "Let's go fly a kite", der Bezug ist also eher deutsch. )
@scrontch es gibt sein einiger Zeit die Umsetzung von "Mindestlöhnen".
Die deutschen Arbeiter? Die sind wohl eher "jung und dumm"(?)(könnten bei Bewerbungsgesprächen fette Boni heraushandeln...). Die (ältere und größer werdende Mehrheit bezieht Rente + Einkommen aus Aktien(-spekulationen), Versicherungs- oder Wohnungsspekulationen usw.
Der Spruch mit der "Tüchtigkeit" ist nicht wirklich weit von "Arbeite und Bete" entfernt.
(Und für die griechische Wirtschaft sind die vielen Kontrollen nicht so toll. Es könnte helfen, wenn man das ganze Land in eine zentrale "Offshore"handelszone verwandelt (von der auch andere südliche Länder profitieren können)).
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Gregor schrieb:
Vor den letzten Neuwahlen in Griechenland sah es so aus, als ob Griechenland gerade dabei war, die Kurve zu kriegen. Es hätte nicht mehr viel gefehlt.
Hätte, hätte, Fahrradkette. Benenne bitte dieses "nicht mehr viel" konkret. Wäre ein neuer Wirtschaftszweig vom Himmel gefallen? Von Irgendwo muss der Überschuss kommen, um die Kurve zu kriegen.
Gregor schrieb:
Wer soll denn in der jetzigen Situation in Griechenland investieren?
Es werden die selben Leute in Griechenland investieren, die auch vor Tsipras in Griechenland investiert hatten: Niemand. Und da wären wir wieder bei der Fahrradkette
Ich hoffe wir lernen für die Zukunft etwas dazu:
1. Wenn wir helfen, werden wir als erste bedient, also nch vor dem IWF.
2. Wir bezahlen nicht die anderen Gläubiger aus, wenn wir selber Gläubiger sind.
3. Wir überlegen uns ganz genau an wen wir uns (Finanz-)wirtschaftlich binden wollen.
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@Mr.X
Wie stellst du Dir so eine Erhöhung der Löhne in Deutschland vor?
Die Löhne entscheiden in D immer noch die Tarifpartner, bzw allgemein der Arbeitsmarkt.
Dass sich die deutschen Arbeiter mit relativ geringeren Löhnen (bzgl. ihrer Wirtschaftsleistung) zufrieden geben ist eben auch Teil der "Tüchtigkeit" unseres Landes.
Natürlich erarbeitet man sich so einen Vorteil gegenüber anderen Ländern, die für die gleiche Arbeit mehr verlangen, oder bei gleichem Lohn weniger leisten, früher in Rente gehen, etc.
Diese Art von Konkurrenz zwischen Ländern muss wohl erlaubt sein
Sie folgt dem Grundsatz, dass es dem Tüchtigsten am Schluss am besten gehen soll und daher jeder aufgerufen ist so tüchtig wie möglich zu handeln, sei es individuell oder als Staatsgemeinschaft.
(Ich weiss, dieser Grundsatz gilt bei der Linken nicht unbedingt - Das ist letztlich die gleiche Diskussion zwischen Links und Rechts die auch innenpolitisch in jedem Land stattfindet)Es ist vollkommen richtig: Der Tüchtigste sollte am Ende auch am meisten in der Tasche haben. Deswegen muss die allgemeine Lohnentwicklung der Produktivitätsentwicklung angepasst sein.
Die Frage, wie man das gesamtwirtschaftlich sicherstellt, ist eine der spannendsten Fragen überhaupt, da wir es ja, wie Du korrekt schreibst, mit einer Entscheidungsfindung unter privaten Akteuren zu tun haben. Wie diese Entscheidung ausgeht, kann als Ergebnis einer Machtfrage gesehen werden. Der Staat nimmt auf dieses Machtgefüge in vieler Hinsicht Einfluss: Indem er die Koalitionsfreiheit und andere Rechte der Gewerkschaften herstellt, indem er Mindestlöhne festlegt, oder indem er Sozialleistungen (Arbeitslosengeld beispielsweise) leistet. Seit 2000 wurde der Sozialstaat zurückgebaut, und den Unternehmen Alternativen zum Normalarbeitsverhältnis angeboten hat (Leiharbeit, Minijobs, etc.), was das Machtgefüge zugunsten der Unternehmerseite verändert hat. Dies hat Druck auf das Lohngefüge ausgeübt, sodass die Lohnentwicklung unter der Produktivitätsentwicklung lag. Analog ließe sich entsprechend eine Bewegung in die andere Richtung bewerkstelligen, ohne in die Tarifautonomie einzugreifen. Es gab auch schon diverse runde Tische unter Beteiligung von Arbeitnehmern, -gebern und Staat, die zu einer Steuerung der Lohnentwicklung führen sollten, wobei das zugegebenermaßen nie besonders erfolgreich war (Konzertierte Aktion, Bündnis für Arbeit). EDIT: Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Renten sind übrigens Einkommen, die der Staat ja unmittelbar kontrollieren kann. Nichts davon ist jedoch mit der Produktivität gewachsen, obwohl die Produktivitätsfortschritte genau dies zuließen.Shade Of Mine schrieb:
Gregor schrieb:
Shade Of Mine schrieb:
Du solltest mal probieren es aus Sicht von Griechenland zu sehen. Die Troika Vorgaben fuehren das Land ans Ende. Diese Vorgaben verschlimmern die Situation - wie du ja selber zugegeben hast.
Vor den letzten Neuwahlen in Griechenland sah es so aus, als ob Griechenland gerade dabei war, die Kurve zu kriegen. Es hätte nicht mehr viel gefehlt. Die Neuwahlen haben aber natürlich alles verändert. Wer soll denn in der jetzigen Situation in Griechenland investieren?
Na das ist aber schon deutlich mehr als optimistisch betrachtet. Aber ein Fakt der rein Objektiv bewertbar ist, ist dass die Wirtschaft in Griechenland in der Zeit der Troika Vorgaben deutlich geschrumpft ist.
Generell sind solche Anzeichen für Aufschwünge höchst trügerisch. Während der großen Depression in den USA schien es bereits vor 1933 zwei oder drei Mal so, als sei die Talsohle erreicht. Dann brachen die nächsten Banken zusammen. Anzeichen für bevorstehende Wirtschaftswunder in Griechenland haben wir in den letzten 5 Jahren dauernd gesehen, wenn wir sie sehen wollten. Kleine Auswahl:
2011: http://www.welt.de/wirtschaft/article13369871/Der-Aufschwung-in-Europa-erreicht-Griechenland.html
2013: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/griechenland-aufschwung-per-traube-und-olive/7658216.html
2013: http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/griechenland-im-aufschwung--71803600.html
2014: http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-im-aufschwung-durch-die-talsohle-aber-noch-nicht-ueber-den-berg/11016682.html
Nichts davon ist leider eingetreten. Und natürlich war das Geschwätz vom Aufschwung in Griechenland zur Jahreswende 2014/15 auch von dem Wahlkampf dort getrieben, weil ein Aufschwung der Nea Demokratia recht und Syriza unrecht gegeben hätte. Das wäre für die griechische Regierung uns für unsere Regierung opportun gewesen, denen ja nichts an einem Regierungswechsel in Griechenland lag. Entsprechend werden dann auch die vorliegenden Zahlen gedeutet.
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Loesungsvorschlag fuer das Problem
Wenn man ein Problem nachhaltig lösen will, muss man zunächst eine überzeugende "root cause analysis" durchführen. Ich kenne bisher nur das Symptom genau:
Staatsverschuldung in Relation zum BIP ca. 175%
2004 - 2007 war die im Bereich 98 -107%. Da muss GR wieder hin.
Damit haben wir eine wichtige Messgröße und ein Ziel.Mögliche Wege: 1) Schulden erlassen (das macht gerade GR selbst, politisch ist das möglich, finanziell ist das allerdings die Bankrott-Erkärung), 2) BIP erhöhen
Zunächst müssen wir mal das BIP über der Zeit anschauen:
Peak waren 355 Mrd US-$ in 2008. Zur Zeit liegt es bei ca. 250 Mrd US-$.Man könnte also versuchen, die Schere zwischen Schulden (2014: 317 Mrd. €) und BIP von beiden Seiten schließen. So weit ist das nun auch nicht auseinander. Wenn die EZB schon wieder 90 Mrd. € über die Banken ins Land gepumpt hat, fragt man sich wirklich, wo das Geld bleibt. Man könnte vlt. auch mal die Binnenkonjunktur ankurbeln. Das erfordert allerdings politisches Vertrauen. Politiker, die sich verhalten wie Kleinkinder und mit Rücktritt drohen, wenn sie ihren Willen, der sich täglich ändert, nicht bekommen, müssen da erst mal weg von der Bühne. Das stört nur.
Hier gibt es genaue Zahlen:
http://www.haushaltssteuerung.de/staatsverschuldung-griechenland.html
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Erhard Henkes schrieb:
Loesungsvorschlag fuer das Problem
Wenn man ein Problem nachhaltig lösen will, muss man zunächst eine überzeugende "root cause analysis" durchführen. Ich kenne bisher nur das Symptom genau:
Staatsverschuldung in Relation zum BIP ca. 175%
2004 - 2007 war die im Bereich 98 -107%. Da muss GR wieder hin.
Damit haben wir eine wichtige Messgröße und ein Ziel.Diese Schuldenquote ist leider ein problematisches Ziel, weil die Tragfähigkeit eines bestimmten Schuldenstands von unzähligen anderen Größenordnungen (Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum, Neuverschuldung, Zins, ...) abhängt. Die Maastricht-Kriterien stellen beispielsweise mit den 3% Neuverschuldung bei 2% Wirtschaftswachstum ein Gleichgewicht dar, das (ceteris paribus) zu einer konstanten Schuldenquote von 60% führen würde. Das ist zumindest die Bedeutung, die die Ökonomen diesen Kriterien nachträglich gegeben haben. Aussagen, dass eine bestimmte Schuldenquote ein wirtschaftspolitisches Ziel sein sollte, sind nicht ökonomisch begründbar. Und die wissenschaftlichen Studien, die ab bestimmten Schuldenquotienten gesamtwirtschaftliche Effekte gesehen haben, gelten inzwischen als widerlegt.
Ich schlage hiermit mal die Kriterien des magischen Vierecks (übrigens die nach §1 StabG in Deutschland offiziellen Ziele der Wirtschaftspolitik) als Zielmarke vor: Angemessenes Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigungsstand, Preisniveaustabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht.
Griechenland erfüllt keines dieser Ziele; Wirtschaft schrumpft seit Jahren, 25% Arbeitslosigkeit, Deflation seit Jahren, und zumindest über lange Jahre zuvor ein Leistungsbilanzdefizit.
Meine Analsyse macht das jahrelange Außenhandelsungleichgewicht für die anderen Probleme verantwortlich, also sollte man dort ansetzen (da hat Deutschland ja eben auch ein massives Ungleichgewicht, um das sich unsere Regierung (rechtswidrigerweise, nur leider ist das StabG heutzutage totes Recht) nicht schert).
Also: Weitere Deflation verhindern, also die Löhne in Griechenland nicht weiter drücken. Investieren, um Wirtschaftswachstum zu erzeugen, damit einher geht Arbeitslosigkeitsabbau, den man aktiv betreiben muss (wenn die Arbeitslosigkeit nicht abgebaut wird, fehlen am griechischen Binnenmarkt Absatzchancen, sodass auch kein Unternehmen investieren würde). Natürlich darf man nicht nur ein Strohfeuer anzünden, sonst bringt ein temporärer Abbau der Arbeitslosigkeit nichts. Soetwas muss von Investitionen flankiert werden, die der Privatwirtschaft helfen, sonst bringt es nichts, außer, dass man Geld zum Fenster rausgeworfen hat. Die Investitionen müssen vom Ausland finanziert werden, Griechenland hat kein Kapital mehr, aus dem sich das bewerkstelligen ließe. Das Stichwort Marshall-Plan (aus diesem ist nämlich unsere KfW entstanden) ist da hilfreich. Und zuletzt trägt Deutschland bitte mal seinen Anteil zu außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, in dem es sein Lohnniveau und damit seine Leistungsbilanz in Ordnung bringt, sonst wird man die Ursache für die ganze Krise nicht los, wenn man nicht weitere Deflation und Schwächung des Binnenmarktes in Griechenland riskieren will.Man könnte vlt. auch mal die Binnenkonjunktur ankurbeln. Das erfordert allerdings politisches Vertrauen.
Das ist völlig richtig. Die Korruption muss weg, um private Investitionen in Griechenland zu fördern. Es sind nämlich nicht die aktuellen griechischen Politiker (die im Hinblick auf Korruptionsbekämpfung aber leider auch nichts geleistet haben), sondern der korrupte Staatsapparat, dem man nicht vertrauen kann (die vielzitierte "Klientelwirtschaft"). Leider gibt es kein erwiesenermaßen funktionsfähiges Konzept, wie man Korruption wieder los wird, wenn man sie einmal hat.
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Erhard Henkes schrieb:
Mögliche Wege: 1) Schulden erlassen (das macht gerade GR selbst, politisch ist das möglich, finanziell ist das allerdings die Bankrott-Erkärung), 2) BIP erhöhen
Interessant, weil du ja so stark gegen den Schritt der Griechen hetzt die eben eine BIP Erhöhung erreichen wollen.
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Mr X,
Verstanden. Aber letztlich ist was du Dir wünscht dann nichts weiter als eine Nivellierung der Produktivität nach unten hin (Lohnstückkosten nach oben), auf den gemeinsamen Nenner mit Ländern wie Griechenland. Aber das ist zu schlecht für den Weltmarkt! Griechenland muss hochkommen, statt Deutschland absteigen. Und das liegt vor allem an Griechenland. (Also müssen dort die Löhne runter.)
Das meinte ich mit Tüchtigkeit auf der Ebene des Staates, nicht nur des einzelnen.
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scrontch schrieb:
Mr X,
Verstanden. Aber letztlich ist was du Dir wünscht dann nichts weiter als eine Nivellierung der Produktivität nach unten hin (Lohnstückkosten nach oben), auf den gemeinsamen Nenner mit Ländern wie Griechenland. Aber das ist zu schlecht für den Weltmarkt! Griechenland muss hochkommen, statt Deutschland absteigen. Und das liegt vor allem an Griechenland. (Also müssen dort die Löhne runter.)
Das meinte ich mit Tüchtigkeit auf der Ebene des Staates, nicht nur des einzelnen.Das ist nicht richtig. Die Produktivität (also den Gegenwert dessen, was wir pro Stunde herstellen) können wir gerne weiter steigern, das ist unproblematisch. Wir dürfen nur nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöhen (d.h. die Lohnstückkosten senken). Das ist ein feiner aber wichtiger Unterschied, denn ein Produktivitätswachstum ermöglicht uns einen weiter steigeden Lebensstandard, und das läuft bei entsprechender Lohnentwicklung auch überhaupt nicht auf Kosten anderer. Eine Lohnstückkostensenkung erhöht unseren Lebensstandard nicht (weil wir uns dank der fehlenden Reallohnsteigerung nicht mehr leisten können), sondern nur unsere Produktion. Und das geht nur auf Kosten anderer.
Auch sage ich nicht, dass nur wir uns an Griechenland anpassen müssen, denn Griechenland hat ja über seinen Verhältnissen gelebt. Inzwischen hat Griechenland seine Reallöhne aber um ~20% abgebaut, sodass die ihren Überhang (mehr als) abgebaut haben.
Was unser Verhältnis zum Weltmarkt betrifft: Wenn wir alle unproduktiv werden, senkt das unseren Lebensstandard und verschlechtern natürlich unsere Handelsposition am Weltmarkt. Das wollen wir natürlich nicht. Müssen wir ja auch nicht. Wenn die Eurozone aber versucht, ihre Lohnstückkosten zu senken, wird der Euro sofort aufwerten, sodass sich dadurch keine Vorteile am Weltmarkt mehr ergeben.