Wozu braucht es das schwaches Gesetz der großen Zahlen?



  • Wieso steht überall, wenn von den Gesetzen der großen Zahlen die Rede ist, das schwache Gesetz der großen Zahlen zusammen mit dem starken Gesetz großen Zahlen?

    Die Gesetze besagen, dass für unabhängige (nicht notwendigerweise gleichverteilte) Zufallsvarablen X\_1,X\_2,\dots mit \mathbb E(X\_1)=\mathbb E(X\_2)=\dots=m<\infty für die Mittelwerte X_n=1n(X_1++Xn)\overline{X}\_n=\frac1n(X\_1+\cdots+X_n) gilt:

    • Schwaches Gesetz: Xn\overline{X}_n konvergiert stochastisch gegen mm für nn\to\infty.
    • Starkes Gesetz: Xn\overline{X}_n konvergiert fast-sicher gegen mm für nn\to\infty

    Wegen "fast-sichere Konvergenz \implies stochastische Konvergenz" folgt das schwache offensichtlich aus dem starken Gesetz.

    Was hat das schwache Gesetz für eine Daseinsberechtigung? Reicht es nicht, ein einziges Gesetz der großen Zahlen zu haben?


  • Mod

    Du hast die beiden Gesetze falsch formuliert. Sie gelten nicht für beliebige Zufallsvariablen. Sie stellen vielmehr eine Aussage über die Eigenschaften einer Folge von Zufallsvariablen dar, nämlich ob und auf welche Art und Weise deren Mittelwert konvergiert. Da gibt es logischerweise verschiedene Abstufungen, das heißt es gibt Folgen von Zufallsvariablen, deren Mittelwert stochastisch konvergiert, aber nicht fast-sicher.

    Ein paar Beispiele für Zufallsvariablenfolgen, bei denen das schwache Gesetz der großen Zahlen gilt, aber nicht das starke, findest du auf Wikipedia:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Law_of_large_numbers#Differences_between_the_weak_law_and_the_strong_law

    Überhaupt hätte sich die Frage sofort von selber beantwortet, hättest du zuerst bei Wikipedia geguckt, wie die beiden Gesetze überhaupt lauten.



  • SeppJ schrieb:

    Du hast die beiden Gesetze falsch formuliert.

    Ich habe sie so formuliert, wie ich sie kenne und das scheint allgemeiner zu sein als die Version in Wikipedia. Tut hier aber nichts zur Sache, also nehme an, sie wären iid.

    SeppJ schrieb:

    Sie stellen vielmehr eine Aussage über die Eigenschaften einer Folge von Zufallsvariablen dar, nämlich ob und auf welche Art und Weise deren Mittelwert konvergiert. Da gibt es logischerweise verschiedene Abstufungen

    Das ist mir klar, aber wenn die Annahmen die gleichen sind, bin ich doch nur an der stärksten Aussage interessiert?

    SeppJ schrieb:

    das heißt es gibt Folgen von Zufallsvariablen, deren Mittelwert stochastisch konvergiert, aber nicht fast-sicher.

    Ein paar Beispiele für Zufallsvariablenfolgen, bei denen das schwache Gesetz der großen Zahlen gilt, aber nicht das starke, findest du auf Wikipedia:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Law_of_large_numbers#Differences_between_the_weak_law_and_the_strong_law

    Kannst du mir spezifisch nennen, welches du davon meinst?
    - Beispiel 1 hat eine Zufallsvariable, die nicht Lebesgue-messbar ist.
    - Beispiel 2 hat einen unendlichen Erwartungswert, was im Artikel ausgeschlossen ist.
    - Beispiel 3 nimmt nur an, dass der Hauptwert des Integrals der Dichtefunktion existiert, ist also wieder nicht Lebesgue-messbar.

    Keines davon ist konsistent mit dem Wikipediaartikel oder meiner Definition. Der Erwartungswert wird auch in Wikipedia mit dem Lebesgue-Integral bestimmt.

    SeppJ schrieb:

    Überhaupt hätte sich die Frage sofort von selber beantwortet, hättest du zuerst bei Wikipedia geguckt, wie die beiden Gesetze überhaupt lauten.

    Ich habe ihn nicht verstanden. Hätte ich das erwähnen sollen?


  • Mod

    Schwaches Geschlecht schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Du hast die beiden Gesetze falsch formuliert.

    Ich habe sie so formuliert, wie ich sie kenne und das scheint allgemeiner zu sein als die Version in Wikipedia. Tut hier aber nichts zur Sache, also nehme an, sie wären iid.

    Doch, das tut alles zur Sache. Das eine sind die schwachen und starken Gesetze der großen Zahlen, das andere ist irgendwas, das du dir selber ausgedacht hast (oder falsch beigebracht bekommen).

    Die beiden Gesetze sind Begriffsdefinitionen, keine mathematischen Sätze. Vergleichbar mit der Definition von punktweiser und gleichmäßiger Konvergenz. Jetzt kommst du und sagst "aus gleichmäßiger Konvergenz folgt punktweise Konvergenz" (korrekt) und "ich kenne eine Funktionsfolge, die gleichmäßig konvergiert" (kann schon sein) und folgerst "der Begriff punktweiser Konvergenz ist unnötig". WTF? Das ist ein totaler Fehlschluss.



  • SeppJ schrieb:

    Die beiden Gesetze sind Begriffsdefinitionen, keine mathematischen Sätze.

    Das würde das ganze erklären, gibt es dann gleichzeitig noch einen Satz, der genauso heißt?

    https://en.wikipedia.org/wiki/Law_of_large_numbers schrieb:

    In probability theory, the law of large numbers (LLN) is a theorem that describes the result of performing the same experiment a large number of times.

    ...

    The weak law of large numbers states:

    Theorem: \overline{X}_n \, \xrightarrow{P} \, \mu \qquad\textrm{for}\qquad n \to \infty.

    Oder wie kann eine Begriffsdefinition bewiesen werden?

    Und wieso steht im Wikipediaartikel für die Begriffsdefinition die Annahme

    \overline{X}_n \, \to \, \mu \qquad\textrm{for}\qquad n \to \infty,

    where X1, X2, ... is an infinite sequence of i.i.d. Lebesgue integrable random variables with expected value E(X1) = E(X2) = ...= µ. Lebesgue integrability of Xj means that the expected value E(Xj) exists according to Lebesgue integration and is finite.

    Nach dieser Seite wäre das eine hinreichende Bedingung für fast-sichere Konvergenz.

    PS: Wenn ich in meinen Unterlagen genau nachschaue, sehe ich, dass irgendwo tief im Beweis des schwachen Gesetzes implizit die Annahme limnV(Xn)=0\lim_{n\to\infty}\mathbb V(\overline X_n)=0 getroffen wurde. Wenn du in Wikipedia den Beweis mit der Chebyshev-Ungleichung anschaust, siehst du, dass das hinereichend ist um die Konvergenz zu zeigen. Das starke Gesetz blieb ohne Beweis.

    Wie heißt dann "meine Version" von schwachen Gesetz?



  • Ich habe folgendes gefunden:

    https://terrytao.wordpress.com/2008/06/18/the-strong-law-of-large-numbers/ schrieb:

    The weak law is easy to prove, but the strong law (which of course implies the weak law, by Egoroff’s theorem) is more subtle, and in fact the proof of this law (assuming just finiteness of the first moment) usually only appears in advanced graduate texts.

    Es sind also wirklich Sätze. So wie ich das interpretiere, gibt es die beiden nur, weil die starke Version schwieriger zu beweisen ist.

    Sind die Gegenbeispiele im Wikipedieartikel also falsch?


  • Mod

    Wenn man gewisse Annahmen an die Zahlenfolgen stellt, dann folgt gegebenenfalls, dass diese dem schwachen bzw. starken Gesetz der großen Zahlen folgen. So herum kann man es natürlich auch formulieren, wenn man möchte und das kann man natürlich auch jeweils beweisen.

    Wenn man beispielsweise voraussetzt, dass die Zufallsvariablen unabhängig, identisch verteilt, und mit endlichem Erwartungswert sind, dann kann man beweisen, dass diese dem starken Gesetz der großen Zahlen gehorchen. Und damit auch automatisch dem schwachen Gesetz der großen Zahlen. Aber es sind andere Voraussetzungen an die Zufallsvariablen denkbar, bei denen diese nur dem schwachen Gesetz der großen Zahlen (oder gar keinem Gesetz der großen Zahlen!) gehorchen.



  • SeppJ schrieb:

    Aber es sind andere Voraussetzungen an die Zufallsvariablen denkbar, bei denen diese nur dem schwachen Gesetz der großen Zahlen (oder gar keinem Gesetz der großen Zahlen!) gehorchen.

    [Citation needed]
    Wo werden die Gesetze als Eigenschaften definiert und nicht als Sätze? Was sind die allgemeine Definitionen (mit Quelle)?



  • Ich denke die stochastische Konvergenz und die "fast" Konvergenz sind die Definitionen und die Gesetze der großen Zahlen die Sätze.



  • Bengo schrieb:

    Ich denke die stochastische Konvergenz und die "fast" Konvergenz sind die Definitionen und die Gesetze der großen Zahlen die Sätze.

    Also ist das schwache Gesetz überflüssig, wenn man das starke hat?


  • Mod

    Schwaches Geschlecht schrieb:

    Bengo schrieb:

    Ich denke die stochastische Konvergenz und die "fast" Konvergenz sind die Definitionen und die Gesetze der großen Zahlen die Sätze.

    Also ist das schwache Gesetz überflüssig, wenn man das starke hat?

    Was meinst du mit "das starke Gesetz haben"?



  • SeppJ schrieb:

    Schwaches Geschlecht schrieb:

    Bengo schrieb:

    Ich denke die stochastische Konvergenz und die "fast" Konvergenz sind die Definitionen und die Gesetze der großen Zahlen die Sätze.

    Also ist das schwache Gesetz überflüssig, wenn man das starke hat?

    Was meinst du mit "das starke Gesetz haben"?

    Damit meinte ich den Satz, wie er in Wikipedia steht (in seinem Zitat steht Gesetz=Satz und darauf habe ich mich bezogen).


  • Mod

    Du hast es immer noch nicht kapiert. Oder stellst dich dumm. Ich gebe jedenfalls alle Erklärungsversuche auf.



  • SeppJ schrieb:

    Du hast es immer noch nicht kapiert. Oder stellst dich dumm. Ich gebe jedenfalls alle Erklärungsversuche auf.

    Mir ist deine Sichtweise schon klar.

    Es gibt:
    A1 = schwache Konvergenz des Mittelwerts von Zufallsvariablen gegen den erwarteten Mittelwert
    A2 = starke Konvergenz des Mittelwerts von Zufallsvariablen gegen den erwarteten Mittelwert
    B1 = Satz/Beweis, dass A1 für iid Zufallsvariablen gilt
    B2 = Satz/Beweis, dass A2 für iid Zufallsvariablen gilt

    Du behauptest: Schwaches Gesetz = A1, starkes Gesetz = A2 (und manchmal ungenaue Bezeichnung von B1/B2 als "Gesetz")
    Mein Problem dabei: A1 und A2 sind nicht genau spezifiziert, in keiner Quelle die ich gefunden habe, wird A1 oder A2 explizit definiert.

    Bengo behauptet: A1, A2 haben keinen Namen, dass ist einfach schwache/starke Konvergenz von irgendetwas. schwaches Gesetz = B1, starkes Gesetz = B2
    Das war auch meine ursprüngliche Sicht.
    Dabei stellt sich aber die Frage, was der Sinn von B1 ist, wenn es von B2 dominiert wird (meine Frage im Eingangspost).



  • Klar A1 ist "stochastisch konvergieren" und A2 ist "fast-sicher konvergieren", beides hat einen Namen und ist auch definiert.


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