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Der vollständige Artikel aus der c't (sollte eigentlich alle diesbezüglichen Fragen beantworten):
Dr. M. Michael König
Schöpfungsprobleme
Gericht weist Urheberrechtsschutz für Programm ab
Ein Programmierer hatte sich dagegen gewendet, daß eine Firma Raubkopien seines Schaffens verkaufte. Er beschrieb dem Gericht den Funktionsumfang der Software und wie schwierig sich die Programmierung gestaltet hatte. Doch das reichte den Richtern nicht aus, um die Software nach dem Urheberrecht zu schützen. Er unterlag.
Unterthema: Verträge sorgfältig formulieren
Unterthema: Programme im Urheberrecht
Der Kläger ist selbständiger Programmierer. Er hat ein Programm entwickelt, mit dessen Hilfe sich CD-ROM-Laufwerke an Amiga-Computern betreiben lassen.
Die beklagte Firma handelt mit EDV-Produkten aller Art und hat von dem Programmierer bereits zirka 2000 Programmexemplare bezogen und weiterverkauft.
Nach Lektüre eines Firmenportraits in einer Zeitschrift wurde der Programmierer mißtrauisch. Hier las er, daß die Firma weit mehr Exemplare seiner Software verkauft hatte, als er ihr geliefert hatte. Er ließ durch Dritte Testkäufe durchführen. Diese erbrachten, daß in wenigstens drei Fällen raubkopierte Software geliefert worden war.
Auf seine Anzeige hin ermittelte die Staatsanwaltschaft und stellte bei einer Untersuchung der Geschäftsräume der Beklagten Raubkopien der Software nebst entsprechenden Aufklebern sicher.
Der Programmierer nahm die Firma vor dem Landgericht München auf Auskunft und Schadensersatz in Anspruch - und unterlag in der ersten Instanz [1].
Das Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Programmierer habe nicht dargelegt, daß seine Software ein individuelles Werk im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung gemäß § 69a III UrhG darstelle. Trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises habe er lediglich ausführlich beschrieben, welche Einsatzmöglichkeiten die Software habe, welche Funktionen sie biete und wie schwierig die Programmierung gewesen sei. Dies reiche jedoch nicht aus, eine persönliche geistige Schöpfung zu begründen.
Nach Auffassung des Landgerichts München genügt es nicht, die Individualität der Software darzulegen, also Programmiersprache, Titel, Programmeldungen, Bildschirmgestaltung, Aufteilung von Funktionen im Programm, Gliederung im Programm und Chronologie vorzutragen.
Erforderlich wäre gewesen, daß der Programmierer dargelegt hätte, `inwiefern die von ihm gewählten Einzelmerkmale nicht bereits durch die Problemstellung technisch vorgegeben waren beziehungsweise wodurch sich bei technischem Spielraum die vom ihm gewählte Programmierung von anderen technischen Möglichkeiten´ unterscheide.
Das Landgericht vermißte einen substantiierten Vortrag zur persönlichen geistigen Schöpfung, und sah daher auch keinen Anlaß, das angebotene Sachverständigengutachten einzuholen - denn dieses hätte keinen `entscheidungserheblichen Sachvortrag´ beweisen können. Der lag ja nach Meinung des Gerichts nicht vor. Der Sachverständige hätte allenfalls erst die Ermittlung dieser Tatsachen ermöglicht, und das würde einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.
Das Landgericht kam daher nicht nur zu dem Schluß, daß dem Kläger keine Ansprüche aus dem Urheberrechtsgesetz zustehen würden. Es sah auch Ansprüche aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nicht als begründet an. Denn aus dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, welche wettbewerbliche Eigenart sein Programm aufweise oder woraus sich diese ergeben sollen. Auf die Frage, ob besondere Unlauterkeitsmomente vorliegen würden, käme es daher nicht mehr an. Denn auch bei Ausnutzen eines Arbeitsergebnisses durch unmittelbare Übernahme sei erforderlich, daß das betreffende Erzeugnis eine wettbewerbliche Eigenart aufweise und besondere Unlauterkeitsmomente hinzutreten würden.
Kommentar
Sogar Vertreter einer eher gemäßigten Position wie ich müssen dieses Urteil strikt ablehnen und hoffen, daß es in der Berufung aufgehoben wird. Hier wird mit der grundsätzlich zu begrüßenden Abkehr von der seit einigen Jahren betriebenen Hetzjagd auf alles, was auch nur durch unbewiesene Behauptungen mit dem Stigma des Raubkopierens´ versehen wird, das Kinde mit dem Bade ausgeschüttet. Die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit berührt grundlegend die Frage, ob das Urheberrecht überhaupt der hierfür geeignete gesetzliche Rahmen ist. Bei Kenntnis des Zwecks und Inhalts des Urheberrechts einerseits und der Tätigkeit des Programmierens andererseits muß dies mit einem klaren Nein beantwortet werden. Das Urheberrecht schützt die individuelle Formgebung und Ausdrucksweisen. Gerade dies ist aber bei Software, die ja zu den Sprachwerken gezählt wird, kein brauchbares Kriterium, denn gerade in dieser Hinsicht sind dem Programmierer notwendig enge Grenzen gesetzt, die sich aus den Programmiersprachen und eben der Programmlösung als solcher ergeben. Die Besonderheit -Schöpfung´ - liegt auf einem anderen Gebiet, nämlich der Problemanalyse und des Lösungskonzepts sowie dessen fachmännischer programmiertechnischer Umsetzung.
Unerfreulich
Dies ist auch der Grund, warum ich mich trotz nach wie vor strikter Ablehnung des Softwareschutzes durch das Urheberrecht über Entscheidungen wie diese des Landgerichts München nicht freuen kann.
Sie ignoriert nämlich - offenbar aus grundlegender Unkenntnis des Wesens des Programmierens -, daß den aufgestellten Anforderungen kein Programm beziehungsweise Programmierer gerecht werden kann.
Was immer das Landgericht unter `Einzelmerkmalen´ verstehen mag - jede einzelne Programmzeile ist durch den Lösungsansatz und damit die Problemstellung `technisch vorgegeben´. Der `technische Spielraum´ des Programmierers ist bei der von `ihm gewählten Programmierung´ weitgehend null. Setzt man wirklich konsequent bei der programmiertechnischen Gestaltung an, muß man jeder Software den Schutz versagen. Setzt man vorher - etwa bei der Problemanalyse oder der Konzeption - an, kommt man in Bereiche, die mit dem Urheberrecht nicht mehr erfaßt werden können beziehungsweise bei denen die Entscheidung, ob die Software nun geschützt sei, nicht mehr vernünftig und reproduzierbar begründet werden kann.
Es ist allerdings müßig, über die Eignung des Urheberrechtsgesetzes zu streiten. Die Entscheidung ist nun einmal auf Grund der EG-Richtlinie trotz entgegenstehender Kritik zugunsten des Urheberrechts gefallen [2, 3], und es ist illusorisch zu glauben, daß man davon abkehren und einen wirklichen passenden Schutz schaffen würde. Man muß also damit leben, daß Software durch ein Gesetz geschützt werden soll, das schon vom Ansatz her in eine ganz andere Richtung zielt und bei konsequenter Berücksichtigung der Schutzanforderungen überhaupt kein Programm erfassen würde oder nur nach Kriterien - etwa Individualität der Kommentare und Variablennamen im Quellcode -, die den Fachkundigen zum Lachen reizen.
So bleibt nur, sich auf die Zielrichtung und erklärte Absicht des Gesetzgebers zu berufen. Danach soll die Schutzfähigkeit die Regel und das Fehlen von Schutz die Ausnahme sein.
Kleingeld
Entsprechend der Regelung solle bei `echten´ Sprachwerken auch die sogenannte `kleine Münze´ - also das eher alltägliche Werk - geschützt sein. Der Urheber solle nur darlegen müssen, daß er nicht lediglich das Werk eines anderen nachahme, sondern daß die Software seine geistige Schöpfung sei. Eine Ausnahme solle nur dann gelten, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, daß ein Programm sehr einfach strukturiert ist; dann solle eine nähere Erläuterung dessen Inhalts verlangt werden dürfen. Nötig sei eine Erleichterung der Darlegungslast, die eine mehr pauschale Beschreibung ermöglichen würde, dahingehend, daß die Software nicht völlig banal und daher zumindest als kleine Münze´ geschützt sei [4]. Hieraus ergibt sich unmittelbar, daß die Begründung des Landgerichts München an der Sache vorbeigeht und unzutreffend ist. Da konkrete Anhaltspunkte für eine bodenlose Banalität der Software nicht bestanden, hätte es der Klage ohne weiteres stattgeben müssen. Das erforderliche Mindestmaß an Vortrag zur Begründung wenigstens einerkleinen Münze´ lag ersichtlich vor: Es war klar, daß die Software nicht banal war und zumindest dem alltäglichen Programmiererschaffen entsprach. Mit auch nur etwas Programmier- und Sachkenntnis steht dies außer Zweifel. Hätten dennoch Zweifel bestanden, so würden sie durch die Tatsache ausgeräumt, daß die Beklagten die Software des Programmierers des Kopierens und Vertreibens als wert empfunden und in ihrem Firmenprofil erwähnt hat.
Hinsichtlich des Wettbewerbsrechts hat das Gericht verkannt, daß die wettbewerbliche Eigenart des Erzeugnisses schon daraus folgt, daß dessen Besonderheiten dem Erzeuger eine gewisse Gewinnchance ermöglichen. Speziell für Software gilt, daß allein ein Vorsprung im Wettbewerb genügt.
Dies ist bei einer Software wie dieser zweifellos der Fall. Eine Software zum Betreiben von CD-ROM-Laufwerken am Amiga ist weder trivial noch eine weitgehend wertlose Dutzendware. Allein schon der Umstand, daß die Beklagte diese des Kopierens und Vertreibens als wert empfunden und in ihrem Firmenprofil erwähnt hat, belegt, daß die Software die erforderliche wettbewerbliche Eigenart aufweist.
Die besondere Unlauterkeit folgt bei Software aus dem Umstand, daß das identische Kopieren keinen nennenswerten Aufwand erfordert. Das Landgericht war sich offenbar nicht bewußt, daß bei der identischen Übernahme von Software durch einfaches Kopieren kein Fertigungsprozeß wie bei anderen Waren erforderlich ist. Der bei normalen Waren nötige gewisse Aufwand rechtfertigt das Erfordernis der besonderen Unlauterkeit. Demzufolge reicht bei Software, daß diese ohne nennenswertem Aufwand einfach kopiert werden kann: hierdurch wird eine fremde Leistung faktisch ohne jeden eigenen Aufwand ausgenutzt.
Es fällt auf, daß im Urteil Ausführungen zu vertraglichen Ansprüchen fehlen. Offenbar hatte sich der Programmierer vertraglich nicht abgesichert. Allerdings würde es dabei nichts nützen, gebetsmühlenartig zu wiederholen, daß die Software eine persönliche geistige Schöpfung sei. Dies steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Es hätten vielmehr Kopierverbote und Auskunftsansprüche definitiv begründet werden müssen. (fm)
Literatur
[1] Urteil des Landgerichts München vom 28. 8. 1998, Aktenzeichen 7 O 3114/98, abgedruckt in Computer und Recht 1998, S. 655
[2] Dr. M. Michael König, Neue Hülle, c't 12/92 S. 100
[3] Dr. M. Michael König, Späte Zustimmung, c't 10/93 S. 58
[4] Prof. Dr. Jochen Marly, Softwareüberlassungsverträge, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 120
Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main
ra.dr.koenig@poboxes.com
http://www.netforward.com/poboxes/?ra.dr.koenig/
Kasten 1
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Verträge sorgfältig formulieren
Bei einer Klage wegen Urheberrechtsverletzung sollte man die Besonderheit und Eigenart der Software im Vergleich mit anderen (konkurrierenden) Programmen so gut es geht darlegen. Dies kann auch durch ein Parteigutachten erfolgen.
Ist man sich nicht sicher, ob die Software gesetzlich geschützt ist, sollte man bei Verträgen über die Software die erlaubte Verwertung, nicht erlaubte Handlungen und Auskunftsansprüche explizit regeln.
Kasten 2
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Programme im Urheberrecht
Paragraph 69a UrhG stellt klar, daß Computerprogramme als literarische Werke, also Sprachwerke, Urheberrechtsschutz genießen. Hierzu zählt auch das Entwurfsmaterial.
Damit ist die kuriose Folge eingetreten, daß ein rein technisches Erzeugnis, nämlich ein Computerprogramm, als Bestandteil einer Maschine ähnlich wie ein Gedicht als Sprachwerk gilt. Dies gilt für alle `Ausdrucksformen´ des Computerprogramms: als Firmware, als geladenes Maschinenprogramm (dies ist nichts anderes als ein entsprechend konfigurierter Teil des Hauptspeichers) und sogar als ein Nachbau oder Pendant in Form von Digitalelektronik.
Die dem Programm zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze bleiben jedoch ungeschützt. Die Absicherung erstreckt sich nur auf das, was der Programmierer konkret aus ihnen gemacht hat. Eine Abgrenzung ist schwierig und wird sicherlich die Gerichte noch häufig beschäftigen, denn wer vermag schon genau zu sagen, wo die `Ideen und Grundsätze´ enden und die `Ausdrucksformen´ beginnen?
Laut Absatz 3 werden Computerprogramme urheberrechtlich geschützt, `wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind´, wobei `zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit ... keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden´ sind. Hier der Gesetzestext:
§ 69a Gegenstand des Schutzes
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.
(3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden.
(4) Auf Computerprogramme finden die für Sprachwerke geltenden Bestimmungen Anwendung, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist.