Vögel auf Hochspannungsleitungen ?



  • tawa schrieb:

    Ok, verstehe es immer noch nicht: Warum ist eine solche Potentialdifferenz für einen Organismus nicht schädlich?

    das elektrische feld allein tut ja noch nicht weh. es müßte schon ein strom fließen. klar, der fließt. ich will mal versuchen, ein paar elektrische formeln zu finden und rumzurechnen.

    aber der vogel speichert total wenig ladung. der
    http://www.elektronik-kompendium.de/forum/forum_entry.php?id=14729&page=0&category=all&order=time
    meint, wenige pF, ich nehme mal willkürlich 20pF.

    nehmen wir mal als spannung 200kV

    welche ladung kann ich damit in den vogel schießen?

    Q=C*U // http://www.vienet.de/vienete/elektro/konden/kondenladu.htm

    200000*20/1000000000000=0.000004C

    Welchen Strom kriegen wir hin? Dazu müßte ich den Widerstand der Beine wissen.
    Keine Ahnung.
    Mal annehmen, daß der ähnlich ist wie beim Menschen.
    http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20080402105309AAVDmDt
    sein beinchen ist zwar kürzer, aber auch viel dünner. nehme ich einfach auch mal 500 Ohm an.
    I=U/R // http://www.elektronik-kompendium.de/sites/grd/0201113.htm

    macht 200000/500 = 400A
    Das ist ja schon eine ganze Menge.

    Wie lange fließt der Strom?
    t=Q/I // http://www.gymmelk.ac.at/the/phklass/klasse7/spannung/spannung.htm

    0.000004 / 400 = 0.00000001s
    Also 10 Nanosekunden. 10 Milliardstel Sekunden.

    Was macht das wohl aus?
    http://de.wikipedia.org/wiki/Stromunfall#Einwirkdauer

    Nix, würde ich sagen.

    Wollen wir zur Sicherheit nochmal gucken, um wieviel Grad sich der Vogelkörper erwärmt?

    W=Q*U // http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrische_Arbeit

    0.000004*200000=0.8J

    Ich man an, daß der Vogel 20 Gramm wiegt.

    E=m*c*t // http://de.wikipedia.org/wiki/Wärmeenergie
    mit c=4.187 J/(g*K) // http://de.wikibooks.org/wiki/Tabellensammlung_Chemie/_spezifische_Wärmekapazitäten
    und der annahme: ein vogel besteht fast nur aus wasser.

    t=E/m/c
    0.8/20/4.187=0.01

    er erwärmt sich durch diesen mini-stromschlag um 0.01 Grad. das ist auch nicht gesundheitsgefährdend.

    ich sehe jetzt keine gründe mehr, warum die lage für den vogel irgendwie gefährlich sein sollte.

    außerdem glaube ich meinen zahlen nicht und nehme an, daß noch viel weniger passiert, als ich berechnet habe. das laden des vogels müßte einer sättigungskurve folgen und nicht linear sein, zum beispiel. die würden nämlich sagen, daß der vogel bei 50 umladungen pro sekunde um ein halbes grad pro sekunde oder so wärmer werden würde.

    diese rechnung war unter der annahme, daß der vogel landet. was passiert, wenn innerhalb einer hundertstel sekunde das potential auf der leitung von -200kv auf +200kv geht während der vogel draufsitzt? (ja, 3 phasen, ist mir aber im moment egal, kommt ja erstmal nur auf die größenordnungen an).
    diesmal hast du die zeit, die spannung und die kapazität und mußt vielleicht nicht den widerstand schätzen. aber ich habe jetzt keine lust mehr zu rechnen und übergebe die weitere erforschung an dich zurück.



  • Danke für deine Mühe!

    Eins noch, dass ich nie wirklich verstanden habe:
    Elektrisches Potential oder (integriert) das elektrische Feld berechnet sich ganz einfach. Die elektrische Feldkraft ist proportional zu den Ladungen und umgekehrt prop. zu Abstand im Quadrat. Wie die Gravitationskrat eben.

    Aber wie zur Hölle ist es möglich, dass so wenig Ladung, so dermaßen viel Spannung erzeugt. Wie zum Beispiel beim Kamm oder dem Wohlpullover den man sich überstreift?

    Ja klar ich kann diverse Zahlen in irgendwelche Formeln einsetzen.
    Aber der intuitive Zusammenhang zwischen Spannung und Strom wird mir nicht endgültig klar.

    Hat jemand ein ganz einfaches, anschauliches Modell, womit verständlich wird, wie kleinste Ladungsmenge extreme Spannungen erzeugen können, sich aber nicht in hohem Strom endladen "müssen"?

    Danke und Gute Nacht,

    tawa



  • Ich hab jetzt zwar nicht wirklich viel Ahnung was genau beim Wohlpullover anziehen passiert, aber ich könnte mir folgendes zusammenreimen. Damit sich etwas aufladen kann, braucht es einen großen Widerstand (Luft) zur Erdung, weil sonst die Ladung einfach wegfließen könnte. Damit ein Funke überspringen kann muss die spannung sehr hoch sein (keine Ahnung warum und nach was man googlen könnte, ist aber so). Und mit I=U/R würde ich sagen, dass nicht viel I übrig bleibt, da R von Luft extrem hoch sein muss (weiß auch nicht wieviel, aber kein Messgerät mit Mega Ohm zeigt was an). Vielleicht muss man da aber auuch eine andere Formel verwenden, als I=U/R.





  • tawa schrieb:

    Aber der intuitive Zusammenhang zwischen Spannung und Strom wird mir nicht endgültig klar.

    stell' dir Strom als fließendes Wasser vor, und Spannung als Höhenunterschied:

    Spannung ist, wenn die Wasseroberfläche eines Stausees an der Staukante -zig Meter oberhalb des Tals liegt - und Strom ist, wenn der Stausee überläuft und das Wasser die -zig Meter nach unten rauscht. Der Widerstand wäre in diesem Fall gering.

    Flösse das Wasser nur durch einen dünnen Abfluß, wäre der Widerstand hoch, der Durchfluß (Strom) wäre bei gleichem Höhenunterschied (Spannung) entsprechend geringer. I = U/R halt.

    PS. Daß auch winzige Ladungen erheblich Spannungen verursachen können, ist doch keine Überraschung:

    Befände sich ein einzelnes Elektron auf einem 1 um^2 großen Plattenkondensator, und zöge man die Platten dann um 1 m auseinander, läge am Kondensator eine Spannung von ~18000 V an. Von einem einzigen Elektron !! (mit Formeln kannst du ja rechnen, wie du behauptest, also muß ich das nicht vorrechnen 😃 )



  • tawa schrieb:

    Aber wie zur Hölle ist es möglich, dass so wenig Ladung, so dermaßen viel Spannung erzeugt. Wie zum Beispiel beim Kamm oder dem Wohlpullover den man sich überstreift?

    Ja klar ich kann diverse Zahlen in irgendwelche Formeln einsetzen.
    Aber der intuitive Zusammenhang zwischen Spannung und Strom wird mir nicht endgültig klar.

    Hat jemand ein ganz einfaches, anschauliches Modell, womit verständlich wird, wie kleinste Ladungsmenge extreme Spannungen erzeugen können, sich aber nicht in hohem Strom endladen "müssen"?

    Danke und Gute Nacht,

    tawa

    Stell dir ein von der Grundfläche riesiges Wasserbecken vor (große Kapazität) und daneben ein Becken mit einer wesentlich geringeren Grundfläche (niedrige Kapazität). Beide Becken besitzen an der Unterseite ein kleines Loch (Widerstand), durch das das Wasser abfließt. Die Geschwindigkeit mit der das Wasser abfließt (Strom) hängt nur von der Tiefe des Wassers (Spannung) ab, nicht von der Kapazität.

    Da das große Becken wesentlich mehr Wasser (Ladung) aufnehmen muß, um die gleiche Tiefe (Spannung) zu erreichen, ist es natürlich einfacher die gleiche Wassertiefe am kleinen Becken zu erreichen. Fließt das Wasser aber ab und wird kein neues hinzugefüllt, sinkt der Wasserstand des kleinen Beckens natürlich auch viel schneller ab. Gleiche Spannung, gleicher Strom, aber weniger Zeit -> weniger Energie, insgesamt weniger Ladung die in den Körper fließt.

    Da in jedem Körper auch Kapazitäten vorkommen, kann es sein, daß die Ladung so gering ist, daß sie sich bereits früh irgendwo in den Kapazitäten komplett "absetzt". Sie ist also ungefährlich, da es nur an der Oberfläche zu einem hohen Strom kommt.



  • tawa,

    mir hat damals folgende webseite recht gut geholfen:
    http://leifi.physik.uni-muenchen.de/web_ph10/materialseiten/m01_ladungen.htm

    jede ladung wirkt auf andere ladungen. jede ladung wird von einem E-feld umgeben. bewegt man nun eine andere ladung in das e feld hinein, so wirkt auf diese eine kraft. stell dir nun vor du verschiebst die ladung und misst, wieviel arbeit du hineinstecken musst um diese zu verschieben. die spannung ist nun definiert als die ladungsbezogene arbeit.
    wenn spannung vorhanden ist, also ein E-feld existiert, so wirken auf die ganzen ladungen eine kraft. stell dir z.b. eine nicht angeschlossene batterie vor. es wirken an den anschlüßen zwar kräfte sodass die elektronenverteilung auf den anschlüssen nicht gleichmäßig ist, aber es kann kein strom fließen.
    sobald du den kontakt schließt, können die elektronen sich bewegen, die kraft wirkt ja weiterhin, weil die spannung und somit das E-feld durch chemische prozesse aufrechterhalten wird.
    du kannst dir die spannung also als treibende kraft vorstellen, und den strom dann als das, was tatsächlich fließt.

    um zum vogel zurückzukommen, volkard hat das schon recht gut gerechnet.
    der kleine vogel wirkt wie ein kondensator im stromkreis. stell dir einen plattenkondensator vor, wobei der vogel die eine platte ist, und der erdboden die zweite. die kapazität würde ich in dem fall als kugelkondensator annähern, und da kommen bei mir auch ein paar picoFarad(pF) raus, das ist verdammt wenig(ist ungefähr die größenordnung was die ganz kleinen orangen "erbsen" in elektrischen schaltungen haben).
    Weiters handelt es sich hier um Wechselstrom, der Vogel hat also eine gewisse Impedanz, das ist der Wechselstromwiderstand, da Kondensatoren bei Wechselstrom auch einen Widerstandswert haben. Die Impedanz ist bei ein paar picoFarad so groß, dass da auch bei vielen kiloVolt kein nennenswerter Strom mehr fließen kann(ein paar µAmpere, selbst durch eine kleine LED fließen etwa 1000mal höhere Ströme!).
    Im ersten Moment wenn sich der Vogel auf die Leitung setzt muss sich das ganze erst einschwingen. Der Konsensator stellt für einen Moment lang einen Kurzschluß dar, und so ist das auch beim Vogel, ganz kurze Zeit wirkt nur der ohmsche Widerstand, da kommen dann vielleicht 400A zusammen, das ist viel, aber eigentlich auch uninteressant weil sich das ganze im Zeitraum von tau=R*C=102*10-10 s =~ nanoSekunden Bereich.

    Wie du siehst können die Vögel weiterhin geruhsam auf ihren Stromleitungen sitzen. Nur gut dass die sich da nicht solche Gedanken drüber machen müssen, ansonsten wär denen der Spaß daran wohl schon vergangen 😉



  • vogelschützer schrieb:

    jede ladung wirkt auf andere ladungen. jede ladung wird von einem E-feld umgeben. bewegt man nun eine andere ladung in das e feld hinein, so wirkt auf diese eine kraft. stell dir nun vor du verschiebst die ladung und misst, wieviel arbeit du hineinstecken musst um diese zu verschieben. die spannung ist nun definiert als die ladungsbezogene arbeit.
    wenn spannung vorhanden ist, also ein E-feld existiert, so wirken auf die ganzen ladungen eine kraft. stell dir z.b. eine nicht angeschlossene batterie vor. es wirken an den anschlüßen zwar kräfte sodass die elektronenverteilung auf den anschlüssen nicht gleichmäßig ist, aber es kann kein strom fließen.
    sobald du den kontakt schließt, können die elektronen sich bewegen, die kraft wirkt ja weiterhin, weil die spannung und somit das E-feld durch chemische prozesse aufrechterhalten wird.
    du kannst dir die spannung also als treibende kraft vorstellen, und den strom dann als das, was tatsächlich fließt.

    Die beste bildliche Beschreibung für Strom und Spannung die ich bisher gelesen hab.



  • +++ schrieb:

    Die beste bildliche Beschreibung für Strom und Spannung die ich bisher gelesen hab.[/quote]

    wenn du zu blöd dafür bist kannst ja gerne weiterhin den strom mit wasser vergleichen. am besten schaut man sich das in wikipedia an, ich kanns leider auch nicht besser erklären. aber gut, dann will ichs mal bildlich erklären: spannung entspricht sozusagen der kraft die auf die ladungen wirkt, und der strom ist dann die tatsächliche bewegung, also quasi die geschwindigkeit der ladungen.



  • Strom ist aber nicht die Geschwindigkeit der Ladungen (das wäre die Driftgeschwindigkeit) - Strom ist Ladung pro Zeit :p

    Wasser ist nach wie vor die beste Analogie für Strom. Heißt ja auch noch genauso: "Stromschnelle" etwa. Oder "Strömung". Das kann kein Zufall sein 💡



  • Hier noch etwas "anschaulicher":

    http://www.youtube.com/watch?v=Z3q9WdjD5wc



  • u_ser-l schrieb:

    Strom ist aber nicht die Geschwindigkeit der Ladungen (das wäre die Driftgeschwindigkeit) - Strom ist Ladung pro Zeit :p

    Wasser ist nach wie vor die beste Analogie für Strom. Heißt ja auch noch genauso: "Stromschnelle" etwa. Oder "Strömung". Das kann kein Zufall sein 💡

    Stimmt schon das Strom Ladung pro Zeit ist - aber da wollte jemand ja eine bildliche Erklärung davon haben. Und da bietet sich die Geschwindigkeit an. Stell dir vor du hast einen Draht bestimmter Dicke, und du schickst einmal 1A durch und das andere mal 10A. Die Geschwindigkeit der Elektronen hat sich somit ums 10fache erhöht!



  • dafür finde ich die anzahl der elektronen doch noch anschaulicher.



  • Problem mit der Driftgeschwindigkeit ist, daß sie viel geringer ist, als sich viele vorstellen, und vor allem viel geringer als bei Wasser. Wenn es nicht gerade um Starkstrom geht, oft weit unter 1 mm/s. Das stört die bildliche Vorstellung, weil es unlogisch erscheint.



  • u_ser-l schrieb:

    Problem mit der Driftgeschwindigkeit ist, daß sie viel geringer ist, als sich viele vorstellen, und vor allem viel geringer als bei Wasser. Wenn es nicht gerade um Starkstrom geht, oft weit unter 1 mm/s. Das stört die bildliche Vorstellung, weil es unlogisch erscheint.

    wieso? ich sehe grad nix unlogisches an der geschwindigkeit.

    wenn ich hinten in den vollen gartenschlauch einen tropfen wasser stecke, kommt vorne ein tropfen raus. und zwar sofort. die signalgeschwindigkeit ist also viel viel großer als die materialgeschwindigkeit.

    ich wechsle je nach anwendung mein modell zwischen gefüllten wasserleitungen und gefüllten gasleitungen. dabei ist die spannung der druck, die ladung die masse und der rest ist klar.



  • ich kenne keinen natürlichen Wasserstrom, der mit 0.1 mm/s fließt. Ansonsten habe ich nichts gegen die Analogie Stromstärke ~ Geschwindigkeit.



  • Witzig, die Analogie stört mich fast gar nicht, die "elektrische Kapazität = Kapazität eines Beckens" halte ich aber für ziemlich falsch.



  • u_ser-l schrieb:

    ich kenne keinen natürlichen Wasserstrom, der mit 0.1 mm/s fließt.

    Ich kenne keinen elektrischen Strom, der aus dem Kabel tropft, wenn es ein Loch hat.



  • Daniel E. schrieb:

    Witzig, die Analogie stört mich fast gar nicht, die "elektrische Kapazität = Kapazität eines Beckens" halte ich aber für ziemlich falsch.

    Stimmt, weil nur weil man den Druck auf einen Wasserbehälter erhöht, passt auch nicht mehr rein. Beim Kondensator kann man aber mit Erhöhen der Spannung noch mehr Ladungen "reinpumpen".

    Bei der Spule dürfte die Analogie aber wieder einigermaßen stimmen, denn nur weil man die Pumpe abstellt die das Wasser pumpt so kann das Wasser aufgrund der Trägheit nicht augenblicklich stehenbleiben.



  • l und c schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Witzig, die Analogie stört mich fast gar nicht, die "elektrische Kapazität = Kapazität eines Beckens" halte ich aber für ziemlich falsch.

    Stimmt, weil nur weil man den Druck auf einen Wasserbehälter erhöht, passt auch nicht mehr rein. Beim Kondensator kann man aber mit Erhöhen der Spannung noch mehr Ladungen "reinpumpen".

    ein wasserballon


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