Das Ingenieursstudium - ein Martyrium ?!



  • Hallo,

    ich, 23 Jahre studiere zurzeit noch Technische Informatik (FH), nächstes Semester habe ich dann alle Klausuren rum. Wenn ich jetzt zurückblicke was bisher war und was die kommenden Klausuren bringen bekomme ich das kalte Grausen. In den meisten Klausuren geht es einfach nur darum möglichst viele Sachen auswendig zu wissen! Je höher die Semester desto weniger Hilfsmittel sind in der Klausur zugelassen. Da frag ich mich doch glatt warum man als (angehender) Ingenieur alles auswendig können muss. Ich gehe sogar soweit, dass meine Freundin (studiert katholische Theologie, Geschichte, Latein), die überhaupt kein technisches Verständnis hat in dem Studiengang ein besseres Diplom bekommen könnte, weil sie sich einfach sehr gut viel Stoff auswendig merken kann. Warum ich das behaupte? Ich habe Kommilitonen, die wirklich _keine_ Ahnung haben um was es überhaupt geht. In den Laborversuchen bekommen sie nichts auf die Reihe, bestehen aber das Labor weil sie die Lösung von anderen kopieren oder von vorhergehenden Semestern übernehmen. In die Note zählt dann das Labor natürlich _nicht_ ein, sondern nur das was in der Klausur aufs Papier gebracht wird.

    Jetzt möchte ich mal wissen wie es anderen in ihrem Ingenieursstudium ergeht/ergangen ist. 🙂



  • Es ist völlig in Ordnung, daß man viel auswendig wissen muß. (Was nicht bedeutet, daß ich das tu *ggg*)



  • Hallo Leidensgenosse, ich studiere das gleiche Fache und kann genau das gleiche berichten. Es ärgert mich ebenfalls sehr, zumal ich Auswendiglernen auch sehr langweilig finde und es auch nicht einsehe. Ich habe ein ganz gutes Verständnis des Stoffes und kam schon mit 8-jähriger Programmiererfahrung in C in das Studium, dennoch können Leute, die absolute keine Ahnung haben, ohne weiteres bessere Klausuren schreiben, weil man nur die kompletten Skripte aus den Vorlesungen runterbeten muss, was mir einfach zu blöd ist.

    Aber meinst du nicht, dies ist von Uni zu Uni unterschiedlich? Vielleicht haben wir nur nicht sehr gute Universitäten erwischt...

    Viele Grüße



  • Noten sagen nicht wirklich viel aus. Ob einer 50 oder 3 Stunden gelernt hat, um nen 2er zu bekommen steht in keinem Zeugnis und ich glaub das wissen auch die meisten Chefs..



  • Das ist vielleicht nur ein Problem der Informatik an einigen UNIs oder FHs? In anderen Ingenieurwissenschaften ist das Können "Wie löse ich eine Aufgabe?" mehr gefragt als "Auswendig lernen", also dürfen dafür auch alle Hilfsmittel mitgebracht werden. Wer keine Ahnung hat, wonach er suchen soll, findet sich auch in den Hilfsmitteln nicht zurecht. Die Fachrichtung Informatik hat möglicherweise ihre fachliche Grundlage noch immer nicht ganz gefunden? Mach das Beste daraus und kümmere Dich mehr darum, was Du mit dem Studiumabschluss anfangen willst!



  • berniebutt schrieb:

    Das ist vielleicht nur ein Problem der Informatik an einigen UNIs oder FHs? In anderen Ingenieurwissenschaften ist das Können "Wie löse ich eine Aufgabe?" mehr gefragt als "Auswendig lernen", also dürfen dafür auch alle Hilfsmittel mitgebracht werden. Wer keine Ahnung hat, wonach er suchen soll, findet sich auch in den Hilfsmitteln nicht zurecht. Die Fachrichtung Informatik hat möglicherweise ihre fachliche Grundlage noch immer nicht ganz gefunden? Mach das Beste daraus und kümmere Dich mehr darum, was Du mit dem Studiumabschluss anfangen willst!

    Definitiv nicht, denn auch in anderen Fächern in denen das Lösen einer Aufgabe von Bedeutung ist sind, sind meist keine Hilfsmittel zugelassen. Ich rede hier konkret von Mathematik (also als Studienfach nicht so eine Ingenieursvorlesung nebenher). Dort heißt es vor der Klausur auch alle Sätze und Definitionen auswendig lernen damit man in den Klausuren auch alle Voraussetzungen eines Satzes kennt und diesen somit (begründet) anwenden kann.

    In jedem Studiengang wirst du auswendig lernen müssen, aber an einer guten Uni wird nicht abgeprüft wie toll du auswendig lernen kannst, sondern ob du den Stoff verstanden hast und anwenden kannst, also ob du das auswendig gelernte Wissen umsetzen kannst.

    Wenn das bei dir nicht der Fall ist, dann bist du an einer schlechten Uni und solltest wechseln (da du offensichtlich mit deiner Situation unzufrieden bist).



  • Informatikker schrieb:

    Definitiv nicht, denn auch in anderen Fächern in denen das Lösen einer Aufgabe von Bedeutung ist sind, sind meist keine Hilfsmittel zugelassen. Ich rede hier konkret von Mathematik (also als Studienfach nicht so eine Ingenieursvorlesung nebenher). Dort heißt es vor der Klausur auch alle Sätze und Definitionen auswendig lernen damit man in den Klausuren auch alle Voraussetzungen eines Satzes kennt und diesen somit (begründet) anwenden kann.

    Bei den schriftlichen Vordiploms-Prüfungen in meinem Mathe-Studium waren immer alle gedruckten und handgeschriebenen Hilfsmittel zugelassen.

    Es gab dann auch Kommilitonen, die mehrere 30cm hohe Stapel an Unterlagen und Büchern zu den Klausuren mitgebracht haben; geholfen haben die Hilfsmittel aber halt nur, wenn man den Stoff auch verstanden hatte, denn reine Definitionen und Sätze, die man nur aus den Unterlagen abschreiben müsste, wurden dann natürlich nicht abgefragt.

    Ich fand dieses System gut, denn z.B. gerade in Statistik erscheint es mir ziemlich sinnlos, die ganzen Verteilungsfunktionen auswendig zu lernen (von den allerwichtigsten vielleicht abgesehen).



  • Eure Aussagen machen für Mitleser übrigens wesentlich mehr Sinn wenn ihr immer postet an welcher Uni bzw. FH ihr euch befindet.

    MfG SideWinder



  • zeit schrieb:

    Da frag ich mich doch glatt warum man als (angehender) Ingenieur alles auswendig können muss.

    Provokante These:

    Du musst das alles auswendig können, damit man Dir überhaupt ernsthaft abnehmen kann, dass Du Dich gedanklich mit der Materie auseinandersetzen kannst. Die meisten Leute, die das Auswendiglernen für sinnlos halten und sagen, sie lernen "auf Verständnis", können danach absolut gar nichts. Weil sie das Wissen, das zum Verständnis notwendig ist, gar nicht in sich aufgenommen haben. Sie können sich in dem jeweiligen Gebiet dann auch nicht ausdrücken: Mit den Definitionen, Sätzen usw., die man auswendig lernt, lernt man auch das entsprechende Fachvokabular. Das ist eine wichtige Grundlage, um mit anderen Leuten sinnvoll über die Thematik reden zu können.

    Natürlich ist durch das Auswendiglernen nicht automatisch auch Verständnis gegeben. Aber es ist eine sinnvolle Grundlage, auf der man aufbauen kann.



  • Es ist doch auch elementar wichtig, um eine Prüfung bestehen zu können. Es frißt einfach viel zuviel Zeit, wenn man jeden Pipikram erst nachschlagen muß, dabei natürlich vorausgesetzt, man darf überhaupt Hilfsmittel verwenden. Und selbst z.B. bei gegebener Korrespondenztabelle ist es auch einfach komfortabler, die wichtigsten Transformierten auswendig zu wissen.



  • Auswendiglernen heißt zumindest mal das der Proband lesen kann. Ist ja auch was.
    Da sich ein durchschnittliches Hirn nicht alles "nur mal so" merken kann sondern
    das auch strukturiert behalten könnenmuß, sind da gewisse Grundlagen gegeben.

    Sinn macht das trotzdem nicht. Entweder hat man ein Gefühl für das Fach oder
    halt nicht. Die Noten sagen darüber nichts aus.



  • Scheppertreiber schrieb:

    Sinn macht das trotzdem nicht. Entweder hat man ein Gefühl für das Fach oder
    halt nicht. Die Noten sagen darüber nichts aus.

    Die sagen mindestens etwas über Fleiß und Ehrgeiz aus. Wenn der Typ, der den Stoff so gut versteht, und dem alles liegt, bei einer entsprechenden Klausur schlecht abschneidet, dann kann man direkt schließen, dass er faul und nicht strebsam ist. 😉 Er müsste es ja eigentlich besonders leicht haben, sich in das Gebiet einzuarbeiten.



  • Passend zum Thema hatte ich in nem AOK-Heftchen von "Bulimie-Learning" gelesen. So ist es doch größtenteils im Studium, zumindest in den (Natur)Wissenschaftlichen Bereichen. Zumindest beim Bachelor/Master wird der Stoff mehr oder weniger auswendig gelernt, in der Prüfung runtergebetet und im nächsten Semester "hä? was war das im vorigen Semester? Wie ging das?"

    Ich studiere an einer FH Informatik und bei der Menge an Stoff hilft an sich nur mehr oder weniger auswendiglernen, wie z.B. Rechnernetze. So viele unnötige Fakten, aber es muss zur Prüfung gewusst werden. Man behält sich zwar vieles, aber das meiste wird man in späteren Modulen wahrscheinlich nicht mehr brauchen und so vergisst man recht schnell den Großteil der Fakten und das macht das ganze eigentlich recht sinnlos.
    Haben auch einen, der mal Mathe 2 Semester an ner Uni studiert hat. Er sagte, da wurde so 4 Wochen vorher angefangen, den wirklich riesigen Hefter für ein Fach auswendig zu lernen, die Definitionen etc. das ist dann doch totaler Blödsinn!



  • Erwartest Du wirklich, das ganze Wissen nachher noch abrufbereit zu haben? Das ist eine falsche Anforderung. Du beweist ganz einfach, daß Du Dir in begrenzter Zeit Wissen aneignen kannst. Wenn Du erstmal längere Zeit auf einem Spezialgebiet zubringst, dann vergißt Du zwar manche Sachen, aber das spezifische Wissen wirst Du sicher nicht verlieren, Du wendest es dann ja ständig an.
    Und wenn Du irgendwann was anderes machen mußt, frischst Du in begrenzter Zeit das Wissen dafür nochmal auf (siehe oben: Du hast ja bewiesen, daß Du das tun kannst), und dann gehts weiter im neuen Gebiet.



  • Naja, vielleicht. Aber das muß ja nicht mal schlecht sein. Im Studium geht es nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch zu einem signifikanten Teil darum, daß man Fleiß und Durchhaltevermögen demonstriert. Wenn man dann auch mal acht Prüfungen in zwei Wochen schreibt, dann sollte man auch eine halbwegs gute Lernstrategie haben und sich wesentliches Wissen schnell aneignen können.

    Die so implizit signalisierten persönliche Qualitäten eines akademischen Titels sind auf lange Sicht für den Arbeitgeber vielleicht sogar wichtiger als ein "Verständnis der Materie", was auch immer das heißt.



  • Informatikker schrieb:

    Wenn das bei dir nicht der Fall ist, dann bist du an einer schlechten Uni und solltest wechseln (da du offensichtlich mit deiner Situation unzufrieden bist).

    Ich kann die Uni nicht wechseln und bin auch nicht unzufrieden. Mein Ingenierstudium liegt schon länger zurück. Wir brauchten wirklich nichts auswendig zu lernen, sondern nur zeigen, was wir können. Die TU Hannover war wohl sehr gut.



  • scrub schrieb:

    Es ist doch auch elementar wichtig, um eine Prüfung bestehen zu können. Es frißt einfach viel zuviel Zeit, wenn man jeden Pipikram erst nachschlagen muß, dabei natürlich vorausgesetzt, man darf überhaupt Hilfsmittel verwenden.

    Jop, wir durften gerade in den mathm. und theoret. Informatik Klausuren auch immer alles mögliche an Hilfsmitteln benutzen. So viel gebracht hats aber nicht, da man die ganzen Sachen eigentlich immer parat haben musste, sonst wär man nie in der Zeit fertig geworden. Und ist doch sowieso, wenn man sich mit einem Thema auseinander setzt und es verstanden hat, dann weiß man da auch automatisch die wichtigen Dinge auswendig (zumindest für eine gewisse Zeit 😉 )



  • Diamond schrieb:

    Passend zum Thema hatte ich in nem AOK-Heftchen von "Bulimie-Learning" gelesen.

    Der Begriff bezieht sich aber eher darauf, jedes Semester ne ruhige Kugel zu schieben und dann ne Woche oder 2 vor den Klausuren alles reindrücken zu wollen.



  • Daniel E. schrieb:

    Im Studium geht es nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch zu einem signifikanten Teil darum, daß man Fleiß und Durchhaltevermögen demonstriert.

    mit dem argument kann man auch einfach ein lexikon auswendig lernen.



  • zeit schrieb:

    Da frag ich mich doch glatt warum man als (angehender) Ingenieur alles auswendig können muss.

    Man muss es nicht auswendig koennen, aber es hilft zum Bestehen mitunter ungemein. Manche Sachen kann man nicht sinnvoll "auf Verstaendnis" pruefen. Manches muss man auch anwenden koennen um Verstaendnis zu demonstrieren.


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