Bundestagswahl - Besserer Poll (mit Piraten!)



  • Grundsätzlich finde ich 1€-Jobs ja nicht so schlecht. Ob die Leute nun arbeiten oder nicht, sie liegen dem Staat so oder so auf der Tasche. Ich halte sie ehrlich gesagt gut um den Zustand der Dauerarbeitslosigkeit unattraktiv zu machen. Sie sollten aber eher als Arbeitssuchende, denn als als reguläre Arbeitnehmer angesehen werden. Von diesem Gesichtspunkt her wären die eh von einem Mindestlohn ausgenommen.

    Zugegeben es ist schwer dafür zu sorgen, dass kein Arbeitgeber dieses Konstrukt ausnutzt. Es ist schon schwer genug überhaupt eine klare theoretische Grenze zu ziehen.

    Daniel E. schrieb:

    scrub schrieb:

    Gregor schrieb:

    Ich hinterfrage eure Forderung und es ist zugegebenermaßen eine sehr naive Frage, die ich stelle. Aber durch eure Antworten habe ich das Gefühl, dass Ihr diese Forderung selbst nie hinterfragt habt.

    Ja, was passiert denn wohl, wenn diese Idee (als "Kombilohnmodell" längst keine Neuheit bei der CDU mehr) Wirklichkeit wird?
    Dann wird der Arbeitgeber die Bezahlung mit dem Wissen darum herunterfahren, daß der Staat es ja ausgleichen wird. Ist dieser Gedanke für dich nicht so naheliegend, daß du da von selbst drauf kommst?

    Aber ganz logisch ist das nicht. Angenommen, der asoziale Arbeitgeber bezahlt heute seinem Mitarbeiter einen nichtüberlebensfähigen Lohn von 3€/h. Jetzt bekommt der Mitarbeiter einen Zuschuss von, sagen wir mal, effektiv 5€/h (vermutlich irgendwie berechnet, so daß die typischen Regeln[1] erhalten bleiben). Also kürzt der Arbeitgeber den Lohn zusammen auf, sagen wir, 1€/h. -- Den letzten Schritt verstehe ich nicht. Offenbar bezahlt der Arbeitgeber die 3€ nicht deswegen, weil er nett ist und der Mitarbeiter davon überleben kann, weil das kann er ja nicht. Wieso sollte der asoziale Boss nicht vorher schon 1€/h bezahlen?

    Angebot und Nachfrage. Wenn in einer Branche auf einmal fast der doppelte effektive Lohn gezahlt wird dann wird es auch mehr Bewerber geben was den Lohn wieder drückt.



  • @Schneewittchen:

    OK, ich zitiere mal aus dem wikipedia-Artikel, den Du verlinkt hast:

    Die Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (AGH-MAE) ist nach § 16d eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse stehende Tätigkeit (Arbeitsgelegenheit) für Empfänger von Arbeitslosengeld II.

    Als zumutbare Arbeit gilt nach § 10 Abs. 1 SGB II grundsätzlich jede legale, nicht sittenwidrige Arbeit, zu der der Betreffende körperlich, geistig und seelisch in der Lage ist. Darüber hinaus muss sie im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein, also nicht normal bezahlte Lohnarbeit, die ansonsten benötigte Beschäftigte ersetzen würde (§ 16d). Es besteht deshalb bei der betreffenden Einrichtung, in der ein Zusatzjob geschaffen werden soll, ein Beteiligungsrecht der örtlichen Personalvertretung.

    Diese 1€-Jobs sind also nicht darauf ausgelegt, in Konkurrenz zu normalen Arbeitsverhältnissen zu stehen. Im Gesetz steht ausdrücklich, dass es um zusätzliche Arbeit geht. Von dem Standpunkt aus stören die 1€-Jobs das Gleichgewicht somit nicht. Allerdings steht in dem wikipedia-Artikel ja auch folgendes:

    Die Vermeidung von Verdrängungseffekten ist anscheinend zumindest in einigen Branchen in großem Umfang gescheitert – im Gegenteil: Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnete beispielsweise einen Rückgang von Stellenangeboten im Pflegebereich, der auch von einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bestätigt wird. Die Forschungsbefunde dieses Instituts der Bundesagentur für Arbeit zeigten, dass im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst würden[47]. In vier Prozent der Einrichtungen, die so genannte Ein-Euro-Jobs anbieten, waren laut der Studie Personaleinsparungen bei der regulären Beschäftigung die Folge, aufgrund weiterer Indizien wurde geschlussfolgert, dass der tatsächliche Anteil der Betriebe, in denen direkt reguläre Arbeitsplätze ersetzt würden, bei mehr als 4% liegen würde.

    Hier sehe ich definitiv Nachbesserungsbedarf. Der Punkt, dass 1€-Jobs zusätzlich sind, ist IMHO sehr wichtig und es sollte daran gearbeitet werden, eine Konkurrenz mit dem ersten Arbeitsmarkt auszuschließen.

    Aber das ist ja eher eine Detailfrage bezüglich der entsprechenden Gesetzgebung. Lücken in dem Gesetz werden sicherlich auf Dauer geschlossen werden.

    Abgesehen davon stört der Staat das Gleichgewicht natürlich vor allem durch die sozialen Sicherungssysteme. Die sind selbstverständlich sehr wichtig und müssen beibehalten werden. Ein Kombilohnmodell würde diese Störung aber etwas reduzieren, da es dazu führt, dass sich auch recht niedrig entlohnte Arbeit rechnet.



  • Ben04 schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    scrub schrieb:

    Gregor schrieb:

    Ich hinterfrage eure Forderung und es ist zugegebenermaßen eine sehr naive Frage, die ich stelle. Aber durch eure Antworten habe ich das Gefühl, dass Ihr diese Forderung selbst nie hinterfragt habt.

    Ja, was passiert denn wohl, wenn diese Idee (als "Kombilohnmodell" längst keine Neuheit bei der CDU mehr) Wirklichkeit wird?
    Dann wird der Arbeitgeber die Bezahlung mit dem Wissen darum herunterfahren, daß der Staat es ja ausgleichen wird. Ist dieser Gedanke für dich nicht so naheliegend, daß du da von selbst drauf kommst?

    Aber ganz logisch ist das nicht. Angenommen, der asoziale Arbeitgeber bezahlt heute seinem Mitarbeiter einen nichtüberlebensfähigen Lohn von 3€/h. Jetzt bekommt der Mitarbeiter einen Zuschuss von, sagen wir mal, effektiv 5€/h (vermutlich irgendwie berechnet, so daß die typischen Regeln[1] erhalten bleiben). Also kürzt der Arbeitgeber den Lohn zusammen auf, sagen wir, 1€/h. -- Den letzten Schritt verstehe ich nicht. Offenbar bezahlt der Arbeitgeber die 3€ nicht deswegen, weil er nett ist und der Mitarbeiter davon überleben kann, weil das kann er ja nicht. Wieso sollte der asoziale Boss nicht vorher schon 1€/h bezahlen?

    Angebot und Nachfrage. Wenn in einer Branche auf einmal fast der doppelte effektive Lohn gezahlt wird dann wird es auch mehr Bewerber geben was den Lohn wieder drückt.

    Die "Branche" zahlt doch genau das gleiche. Du reichst halt am Monatsende deinen Gehaltszettel beim Amt ein und bekommst dann so viel, daß Du etwas mehr hast, als wenn Du nichts arbeiten würdest, sagen wir, in einem Verhältnis, so daß effektiv von jedem Niedriglohn-Euro 50 Cent übrigbleiben oder so.

    Dieses ganze System ist interessant für Arbeitslose und Niedriglöhner, die auch heute schon die Löhne runterbieten. Wo soll die zusätzliche Nachfrage herkommen? Aus den oberen Jobklassen? Warum?

    edit: Abgesehen davon ist das ein ganz anderer Effekt, als der, den scrub beschrieben hat, wo der Arbeitgeber wissentlich den Lohn senkt und nicht der Lohn aus anderen Gründen fällt.
    Aber selbst wenn deine Aussage richtig wäre, wäre das dann nicht viel tragischer, wenn man einen Mindestlohn einführen würde? Da die zusätzlich irgendwoher kommende Nachfrage ja den Preis nicht drücken kann, landen sie alle im Sozialsystem ...



  • Gregor schrieb:

    Eure Ideologie setzt es wohl an den Anfang, dass sich ein Arbeitnehmer zu 100% selbst finanzieren können muss.

    Nicht nur das. Die Bezahlung muss auch zu 100% vom Nutzniesser der Arbeit kommen, aus verschiedenen Gründen: Es gilt das Grundkonzept des Handels: Güter werden zum Vorteil beider Geschäftspartner getauscht. Ein Geschäft kommt nur zustande, wenn es für beide Parteien sinnvoll ist. Arbeitskraft ist in dem Sinne ein Gut, dass ein Arbeitnehmer gegen Geld hergibt, daher müssen seine Arbeit [Vorteil für den Betrieb] und sein Lohn [Vorteil für den Arbeitnehmer] im angemessenen Verhältnis stehen. 👍
    Gut bezahlte Arbeit sichert sozialen Frieden. Besonders schwere oder besonders anspruchsvolle Jobs müssen besonders gut bezahlt werden. Dagegen hat wohl keiner was einzuwenden. Aber auch anspruschlose und/oder leichte Arbeit muss mindesten soviel Geld bringen, dass sich der Arbeitnehmer nicht nutzlos fühlt. Das gilt besonders, wenn es sich um eine Vollzeitstelle handelt. In anderen Worten: wer den ganzen Tag für einen Hungerlohn arbeiten soll, verliert schnell die Motivation, das führt unweigerlich dazu dass man sich mit allerlei Tricks versucht unattraktiven [weil schlecht bezahlten] Arbeit auszuweichen, viel Fehlzeiten durch vorgetäauschte Krankheiten bis hin zum absichtlich provoziertem Rausschmiss sind die Folgen, die wir im Endeffekt alle zu tragen haben. 😞
    Als Vorwand um gegen gesetzliche Mindestlöhne zu sein wird z.B. von 👎 Neo-Liberalen 👎 postuliert, dass sie zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. In WIrklichkeit ist dies jedoch bei Tätigkeiten für die heute Noedriglöhne gezahlt werden kaum möglich. In Deutschland werden auch mit einem vorgeschriebenen Mindestlohn weiterhin Briefe ausgetragen und Haare geschnitten. 😋 Zudem gibt es Beispiele [ich glaube in Irland und GB], wo die Einführung von Mindestlöhnen letztendlich zu einer Vermehrung von Arbeitsplätzen führte. 👍



  • general bacardi schrieb:

    Aber auch anspruschlose und/oder leichte Arbeit muss mindesten soviel Geld bringen, dass sich der Arbeitnehmer nicht nutzlos fühlt.

    Gedankenspiel: Ich programmiere gerne und bin auch als Programmierer angestellt. Nun bin ich aber nicht sonderlich flott, gemessen an meinen Kollegen zehn mal so langsam, konsequenterweise verdiene ich zehnmal weniger. Mein Stundenlohn liegt bei 2,50 €: Darf ich jetzt also nicht mehr als Programmierer arbeiten?



  • Badestrand schrieb:

    general bacardi schrieb:

    Aber auch anspruschlose und/oder leichte Arbeit muss mindesten soviel Geld bringen, dass sich der Arbeitnehmer nicht nutzlos fühlt.

    Gedankenspiel: Ich programmiere gerne und bin auch als Programmierer angestellt. Nun bin ich aber nicht sonderlich flott, gemessen an meinen Kollegen zehn mal so langsam, konsequenterweise verdiene ich zehnmal weniger. Mein Stundenlohn liegt bei 2,50 €: Darf ich jetzt also nicht mehr als Programmierer arbeiten?

    Du arbeitest 10 mal weniger und verlangst dafür nur 1/10. Das hört sich erstmal wie ein faires Geschäft an. Wenn beide Geschäftspartner damit einverstanden sind, spräche nichts dagegen. Allerdings solltest Du dir genau überlegen, ob Du deinen Lebensunterhalt davon bestereiten willst, oder ob es mehr auf eine ehrenamtliche Tätigkeit hinausläuft, weil Du von dem Lohn gerade mal die Fahrkarte zur Arbeitsstelle bezahlen kannst. Vielleicht siehst Du den Job auch nur als eine Möglichkeit an, deine Kenntnisse zu erweitern und lebst in der Zeit von Deinem Ersparten? Dann wäre es soweit Ok.



  • general bacardi schrieb:

    Vielleicht siehst Du den Job auch nur als eine Möglichkeit an, deine Kenntnisse zu erweitern und lebst in der Zeit von Deinem Ersparten? Dann wäre es soweit Ok.

    Genau, denkbar wäre auch eine ausreichend verdienende Partnerin, ein guter Lottogewinn/Erbschaft oder Anderes.
    Ein Mindestlohn würde hier aber meine Freiheit beschneiden, ich dürfte gar nicht mehr als Programmierer arbeiten (es sei denn es findet sich ein Wohlfahrts-Arbeitgeber aber davon sehen wir mal ab). Das soll nicht heißen, ich wäre strikt gegen einen Mindestlohn, ich denke aber, auch dieser hat Nachteile, die man ernsthaft bedenken sollte.
    Btw: Was sehen die gegenwärtigen Entwürfe eigentlich für Selbstständige vor, soll's da auch einen Mindestlohn geben? Falls ja, fände ich das bestenfalls kritisch, falls nein: Was sollte die Wirtschaft davon abhalten, Niedriglöhner als Selbstständige "anzustellen"?



  • general bacardi schrieb:

    Als Vorwand um gegen gesetzliche Mindestlöhne zu sein wird z.B. von 👎 Neo-Liberalen 👎 postuliert, dass sie zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. In WIrklichkeit ist dies jedoch bei Tätigkeiten für die heute Noedriglöhne gezahlt werden kaum möglich. In Deutschland werden auch mit einem vorgeschriebenen Mindestlohn weiterhin Briefe ausgetragen und Haare geschnitten. 😋 Zudem gibt es Beispiele [ich glaube in Irland und GB], wo die Einführung von Mindestlöhnen letztendlich zu einer Vermehrung von Arbeitsplätzen führte. 👍

    Kannst Du die Studie raussuchen?

    Das Problem bei solchen Studien ist, daß Du letztlich den Effekt des Mindestlohns extrahieren musst. Es ist absolut nichtssagend, wenn Du feststellst, "die haben einen Mindestlohn erhöht und die Arbeitslosigkeit ist im nöchsten Monat gefallen." Das geht zB. indem Du die Situation "Mindestlohn eingeführt" mit der Situation "Mindestlohn nicht eingeführt" vergleichst. Da man dieses Experiment in der realen Welt nicht machen kann, sucht man sich zwei hinreichend ähnliche, benachbarte Gegenden, in der eine den Mindestlohn einführt, die andere nicht. Ich kenne ziemlich genau eine Studie, die da eine Vermehrung von Arbeitsplätzen festgestellt hat (google: Card+Krueger), aber die Methodologie ist ziemlich umstritten und replizieren kann das auch irgendwie niemand.

    Was richtig ist, ist, daß der Effekt in der Arbeitslosigkeit bei geringen Mindestlohnerhöhungen nicht so drastisch ist. Der Arbeitgeber kann immer auf andere Art und Weise Kosten sparen (zB. die Klimaanlage abschalten) um seine Kostenerhöhung auszugleichen. Aber die Grundlogik des Mindestlohns ist, daß er Arbeit teurer macht und man damit weniger davon bekommt. Das sieht man schon daran, daß ein Mindestlohn von 1000€/h ziemlich jeden von uns arbeitslos machen würde ...

    BTW, zum "weiterhin Briefe austragen": http://en.wikipedia.org/wiki/Lump_of_labour_fallacy



  • Die Frage von Mindestlöhnen ist soweit klar. Nur, wenn die Linken Mindestlöhne von 10!!! Euro fordern ist das auf jedenfall zuviel...



  • Techniker schrieb:

    Die Frage von Mindestlöhnen ist soweit klar.

    Ja, Mindestlöhne sind schlecht. Kein Nutzen, ansehnlicher Schaden und schon wieder mehr Bürokratie. Dazu Aufpasser, Sonderregelungen und Lobbyarbeit für die Sonderregelungen und eine weitere Möglichkeit, wie betrügerische Unternehmen die ehrlichen ausstechen können.



  • Daniel E. schrieb:

    Das sieht man schon daran, daß ein Mindestlohn von 1000€/h ziemlich jeden von uns arbeitslos machen würde ...

    Das sieht man schon daran, daß ein Mindestverzehr von 1000Liter/h ziemlich jeden von uns tot machen würde ...

    Weg mit dem Wasser! Alles sozialistischer Mist!

    edit: Betrachten wir mal diese 1000 Euro/h mal von der anderen Seite. Es soll ja (eine kleine Gruppe von ) Leute(n) geben, die 1000 Euro/h und auch mehr verdienen.
    Daraus und aus deiner Aussage können wir darauf schließen, dass diese enormen Einkommensunterschiede wesentlich zur Arbeitslosigkeit beitragen. 😃 🤡

    *schnell weglauf*



  • Warum sollte diese Kurve ein Optimum haben? Was ist das theoretische Argument und wo sind die robusten empirischen Erkenntnisse? Warum sollte dieses Prinzip bei kleinen Variationen nicht gelten oder eben doch? Siehst Du den Unterschied?



  • Techniker schrieb:

    Nur, wenn die Linken Mindestlöhne von 10!!! Euro fordern ist das auf jedenfall zuviel...

    Nach Abzug von Steuern und anderen Abgaben bleiben etwa 1200€/Monat übrig. Für wen ist das zuviel? Für Dich? Verdienst Du so wenig?

    Daniel E. schrieb:

    Das Problem bei solchen Studien ist, daß Du letztlich den Effekt des Mindestlohns extrahieren musst. Es ist absolut nichtssagend, wenn Du feststellst, "die haben einen Mindestlohn erhöht und die Arbeitslosigkeit ist im nöchsten Monat gefallen." Das geht zB. indem Du die Situation "Mindestlohn eingeführt" mit der Situation "Mindestlohn nicht eingeführt" vergleichst. Da man dieses Experiment in der realen Welt nicht machen kann, sucht man sich zwei hinreichend ähnliche, benachbarte Gegenden, in der eine den Mindestlohn einführt, die andere nicht.

    Aus dem gleichen Grund kann auch niemand genau sagen, daß Mindestlohn Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben würden.

    Daniel E. schrieb:

    Der Arbeitgeber kann immer auf andere Art und Weise Kosten sparen (zB. die Klimaanlage abschalten) um seine Kostenerhöhung auszugleichen.

    Ja, Klimaanlage abschalten ist eine wirklich gute Idee, Als nächstes sind Heizung und Beleuchtung dran. Es geht ja wohl garnicht, daß das eigene Gehalt gekürzt wird. Eher melden wir Insolvenz an. Die Proleten werden schon sehen was sie davon haben!

    Daniel E. schrieb:

    Aber die Grundlogik des Mindestlohns ist, daß er Arbeit teurer macht und man damit weniger davon bekommt.

    Das kommt auf den Standpunkt an. Zur Zeit ist Arbeit für Unselbständige nicht selten sehr teuer. Es wäre nicht schlecht, wenn das Kostendeckungsprinzip auch für Arbeitnehmer gelten würde.

    Daniel E. schrieb:

    Das sieht man schon daran, daß ein Mindestlohn von 1000€/h ziemlich jeden von uns arbeitslos machen würde ...

    Davor fürchten sich nur die, die bereites 1000€/h bekommen. Aber bleib mal realistisch, 1000€/h fordert niemand, was bezweckst Du mit diesem unsinnigen Beispiel?



  • Leprechaun schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Das Problem bei solchen Studien ist, daß Du letztlich den Effekt des Mindestlohns extrahieren musst. Es ist absolut nichtssagend, wenn Du feststellst, "die haben einen Mindestlohn erhöht und die Arbeitslosigkeit ist im nöchsten Monat gefallen." Das geht zB. indem Du die Situation "Mindestlohn eingeführt" mit der Situation "Mindestlohn nicht eingeführt" vergleichst. Da man dieses Experiment in der realen Welt nicht machen kann, sucht man sich zwei hinreichend ähnliche, benachbarte Gegenden, in der eine den Mindestlohn einführt, die andere nicht.

    Aus dem gleichen Grund kann auch niemand genau sagen, daß Mindestlohn Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben würden.

    Daniel E. schrieb:

    Das sieht man schon daran, daß ein Mindestlohn von 1000€/h ziemlich jeden von uns arbeitslos machen würde ...

    Davor fürchten sich nur die, die bereites 1000€/h bekommen. Aber bleib mal realistisch, 1000€/h fordert niemand, was bezweckst Du mit diesem unsinnigen Beispiel?

    Ich illustriere ein Prinzip und es ist eigentlich recht offensichtlich, daß bei einem Mindestlohn von 1000€/h die wirtschaftliche Kapazität in Deutschland signifikant einbrechen würde. Jetzt stellt sich mir da die Frage, wieso dieses Prinzip bei 8€/h nicht gelten sollte, nur halt eben in geringerem Ausmaß.

    Wenn man sich auf deinen ersten Standpunkt stellt, dann sagst Du letztlich, daß man überhaupt nichts über die Wirtschaft wissen kann, weil man keine sauberen Laborexperimente machen und genau einen Faktor extrahieren kann. Aber das ist doch eine bizarre Meinung, man kann schließlich Prognosen über die Zukunft auf Basis der Vergangenheit machen und man kann aus der Vergangenheit mit statistischen Methoden wenigstens approximativ einzelne Faktoren extrahieren.

    Und die Sachlage sieht da für mich recht klar aus, wir haben so viele vergleichende Daten über Mindestlöhne und eigentlich jede empirische Studie außer Card&Krueger kommen zu dem Ergebnis, das eine Mindestlohnerhöhung Jobs für Leute, die nahe am Mindestlohn beschäftigt sind, vernichtet (siehe zB. hier) und die ganz einfache Logik läßt auch erwarten, daß man durch Anheben von Mindestlöhnen ein Leute aus dem Markt drängt.

    Man kann das ja trotzdem noch für eine gute Idee halten: dann stehen eben nach der Mindestlohnerhöhung vielleicht 10% der Leute 30% schlechter da, der Rest steht um 10% besser da. Man kann das für einen attraktiven Trade-Off halten. Ich tu es nicht, insbesondere weil die Kosten dafür zufällig irgendwelchen Kunden, die Produkte kaufen, die schlecht bezahlte Leute hergestellt haben, aufgehalst wird. Aber bitte.

    Daniel E. schrieb:

    Der Arbeitgeber kann immer auf andere Art und Weise Kosten sparen (zB. die Klimaanlage abschalten) um seine Kostenerhöhung auszugleichen.

    Ja, Klimaanlage abschalten ist eine wirklich gute Idee, Als nächstes sind Heizung und Beleuchtung dran. Es geht ja wohl garnicht, daß das eigene Gehalt gekürzt wird. Eher melden wir Insolvenz an. Die Proleten werden schon sehen was sie davon haben!

    Dir ist schon klar, daß seit Jahren immer größere Teile des "Gehalts" nicht in die Reallöhne fließen, sondern in Zusatzleistungen ("total compensation"), zB. in Form von attraktiveren Arbeitsplätzen? Die kann man natürlich auch kürzen. Sicher, man *kann* auch das eigene Gehalt kürzen, aber das illustriert eigentlich nur wieder meine vorherige Aussage, daß hier deskriptiv und präskriptiv von euch wieder lustig durcheinander geworfen werden.





  • Daniel E. schrieb:

    Ich illustriere ein Prinzip und es ist eigentlich recht offensichtlich, daß bei einem Mindestlohn von 1000€/h die wirtschaftliche Kapazität in Deutschland signifikant einbrechen würde.
    Jetzt stellt sich mir da die Frage, wieso dieses Prinzip bei 8€/h nicht gelten sollte, nur halt eben in geringerem Ausmaß.

    Mit dieser Argumentation könntest du gegen ALLES argumentieren. Daher ist diese Argumentation unbrauchbar.

    1000 Aspirin pro Stunde sind tödlich.
    1000 Liter Kamillentee pro Stunde sind tödlich.
    1000 Liter Milch pro Stunde sind tödlich.
    1000 <setze irgendwas ein, was in größeren Mengen schädlich ist> pro Stunde ist tödlich.

    Leprechaun schrieb:

    Techniker schrieb:

    Nur, wenn die Linken Mindestlöhne von 10!!! Euro fordern ist das auf jedenfall zuviel...

    Nach Abzug von Steuern und anderen Abgaben bleiben etwa 1200€/Monat übrig. Für wen ist das zuviel? Für Dich? Verdienst Du so wenig?

    👍 Das ist die entscheidende Frage. "Zu viel" ist es immer nur bei den anderen. Bei sich selber reicht das Gehalt kaum zum Überleben aus.

    Zugegeben, ich würde nicht unbedingt 10 euro/h anstreben, aber 7 euro/h wären doch akzeptabel. Davon kann man unabhängig von Transferleistungen leben, wenn man nicht gerade das Geld zum Fenster hinaus befördert.

    Klar, der eine oder andere Arbeitgeber würde ins Ausland gehen, wenn Mindestlöhne eingeführt werden. Das tun aber viele jetzt schon, und das ganz ohne Mindestlohn. Andere drohen sogar damit, ins Ausland zu gehen, wenn [...].

    Vielleicht sollten wir uns damit abfinden, dass Deutschland sich bei Billigprodukten kaum durchsetzen kann gegen China & co.



  • Daniel E. schrieb:

    Sicher, man *kann* auch das eigene Gehalt kürzen, aber das illustriert eigentlich nur wieder meine vorherige Aussage, daß hier deskriptiv und präskriptiv von euch wieder lustig durcheinander geworfen werden.

    Das nochmal auf deutsch bitte.

    deskriptiv = beschrieben
    präskriptiv = vorgeschrieben, Regeln zuvor festgelegt

    Richtig soweit? Aus deiner (zitierten) Aussage werde ich dennoch nicht schlau.



  • Schneewittchen schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Ich illustriere ein Prinzip und es ist eigentlich recht offensichtlich, daß bei einem Mindestlohn von 1000€/h die wirtschaftliche Kapazität in Deutschland signifikant einbrechen würde.
    Jetzt stellt sich mir da die Frage, wieso dieses Prinzip bei 8€/h nicht gelten sollte, nur halt eben in geringerem Ausmaß.

    Mit dieser Argumentation könntest du gegen ALLES argumentieren. Daher ist diese Argumentation unbrauchbar.

    1000 Aspirin pro Stunde sind tödlich.

    Okay, ich dachte, ich hätte zu diesem Einwand schon mal etwas gesagt, aber letztlich kommt das darauf an, ob das damit beschriebene System einen Tipping Point (deutsch?) hat, also irgendeinen Punkt, ab dem sich die Systemdynamik grundlegend verändert.

    In der Medizin ist es recht klar, daß es irgendeine Maximaldosis für ziemlich alles gibt, weil die Prozessgeschwindigkeiten und Zwischenspeicher endlich sind und dann die Stoffe dort landen, wo sie nicht landen sollen.

    Und es gibt natürlich auch beim Einstellungen von Leuten einen Tipping Point: man stellt ihn ein, so lange seine Produktivität höher ist als sein Gehalt, danach stellt man ihn einfach nicht mehr ein. D.h. der Mindestlohn schadet nicht, wenn er unter dem Produktivitätsniveau ist und er schafft Arbeitslosigkeit, wenn er darüber liegt. Offensichtlich diskutieren wir immer nur den Systembereich mit Mindestlohn > Produktivität, weil der Mitarbeiter ja jetzt schon sein Produktivgehalt erhält (über den Punkt werden wir uns auch nicht einig sein, aber auch dazu gibt es haufenweise Daten). Wo soll in dem System noch irgendwo die Systemdynamik kippen? Warum?

    Schneewittchen schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Sicher, man *kann* auch das eigene Gehalt kürzen, aber das illustriert eigentlich nur wieder meine vorherige Aussage, daß hier deskriptiv und präskriptiv von euch wieder lustig durcheinander geworfen werden.

    Das nochmal auf deutsch bitte.

    Wir diskutieren hier die Frage, was passiert, wenn man den Mindestlohn erhöht. Wir fragen also nach einer Beschreibung des Verhaltens von Leuten. Und dann guckt man nach und stellt fest: es passiert dies und das (deskriptiv).

    Das kann man jetzt toll oder beschissen finden und man kann es auch gerne anders haben wollen, zB. kann man wollen, daß sich die Menschen anders verhalten und der Chef sein Gehalt zusammenstreicht um einen höheren Lohn für die einfachen Beschäftigten zu ermöglichen (präskriptiv). Aber das ist eine ganz andere Baustelle.

    Wenn man es ändern wollen würde, dann sollte man aber auch wieder mal von vorne anfangen und sich fragen, welche Anreize haben die einzelnen Spieler, wie könnte man das ändern, wie verhindert man, daß sich die relativen Preise dabei stark ändern, usw.

    Aber wenn wir uns nicht mal darauf geeinigt haben, wie Mindestlöhne wirken müssen, können wir uns das schenken.





  • Daniel E. schrieb:

    Aber wenn wir uns nicht mal darauf geeinigt haben, wie Mindestlöhne wirken müssen, können wir uns das schenken.

    Wie Mindestlöhne wirken müssen ist, denke ich, den meisten klar:
    1. Ein angemessener Lohn, von dem man gut leben kann, ohne auf staatliche Subventionen angewiesen zu sein, steigert, bzw. erhält das Selbstwergefühl des Arbeitnehmers.
    2. (1) sorgt für Zufriedenheit, Loyalität und Motivation des Arbeitnehmers.
    3. (2) sorgt für Leistungsbereitschaft und Engagament des Arbeitnehmes.
    4. (3) sorgt für höheren Ertrag des Betriebes.
    5. (4) sorgt dafür, daß die Allgemeinheit davon profitiert.
    Ohne gesetzlichen Mindestlohn erzeugen wir, auf Kurz oder Lang, eine Null-Bock Mentalität, ein Klima, in dem Zukunfts- und Existenzängste dominieren, einen perfekten Nährboden für extremistische, asoziale und nihilistische Haltungen und Subkulturen. Unruhen und Kriminalität werden die Folgen sein --- when the shit hits the fan.

    Gregor schrieb:

    Ergebnis einer Umfrage auf StudiVZ:
    http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,646126,00.html

    Herzlichen Glückwunsch, Piraten. Große Klasse, obwohl auch dort 11% kurzsichtige Penner die FDP gewählt haben.


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