Was ist Informatik?
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Das einzige, was mich an dem Zitat stört, ist, dass die Informatik dort zu oft als Wissenschaft bezeichnet wird.
Informatik ist eine Wissenschaft. Warum sollte sie keine sein?
IMHO sind viele Bereiche der Informatik einfach nicht in dem Sinne wissenschaftlich. Sie haben zumindest in erster Linie einen anderen Charakter.
Bitte was? Welchen Charackter haben sie denn?
Wenn man sich hingegen die Softwaretechnik ansieht und dort meinetwegen etwas über Softwareentwicklungsmethoden lernt, dann entspricht das IMHO mehr dem aktuellen Zeitgeist.
Man lernt und lehrt formale Methoden. Wann diese eingesetzt werden und wie gut umgesetzt, das haengt von den auesseren Umstaenden ab.
Man lernt da kein hartes, zeitunabhängiges Wissen, sondern eher wie man heutzutage etwas macht
Willst du den Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften auch ihren Rang als Wissenschaft absprechen? Zeitunabhaengiges Wissen? Wo lebst du denn ... Zum Beispiel in der Psychologie hat sich sehr viel getan. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Physik hat sich viel getan, vieles wurde korrigiert und alte Annahmen ueber Bord geworfen. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Biologie sind nach 3 bis 4 Jahren die Lehrbuecher (Uni) zu 25% veraltet oder gar falsch, weil neue Erkenntnisse mit alten Hypothesen abgeloest haben. Zeitunabhaengig ist wahrscheinlich nur die Mathematik.
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100%ige Zustimmung.
Zumal es auch nicht stimmt, dass Erkenntnisse der Informatik schnell veraltern. Theorien zur Berechenbarkeit, Komplexität und Parallelisierbarkeit, Wissensverarbeitung / Deduktive Systeme, Systemtheorie von Informationssystemen, allg. Datenbanktheorie, oder Algorithmen im Allgemeinen sind beispielsweise beständiger als so manches anderes Gebiet anderer Wissenschaften.
Wenn man natürlich keinen Plan hat und Informatikstudium mit Auswendiglernen von Frameworkbefehlen gleichsetzt, hat man, das falsche Bild des Studiums als Prämisse vorausgesetzt, natürlich recht.
Über die Aussage, Informatik sei keine Wissenschaft, braucht man sich garnicht zu unterhalten, ist natürlich schlicht quatsch.
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knivil schrieb:
Willst du den Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften auch ihren Rang als Wissenschaft absprechen?
Nicht so pauschal, aber es werden dort schon erstaunlich viele dünne Bretter gebohrt. Ist nicht so knallhart wie zum Beispiel die http://de.wikipedia.org/wiki/Hippologie
knivil schrieb:
Zeitunabhaengig ist wahrscheinlich nur die Mathematik.
Wo lebst Du denn?
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volkard schrieb:
knivil schrieb:
Zeitunabhaengig ist wahrscheinlich nur die Mathematik.
Wo lebst Du denn?
Koenntest du ein Beispiel nennen. Normalerweise ist es so, dass durch neue mathematische Methoden, alte Erkenntnisse nicht falsch werden. Der Satz des Pythagoras wird bis in alle Ewigkeit im euklidischen Raum gelten.
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Die Newtonsche Physik wird auch bis in alle Ewigkeit gelten.
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Aber nur als rein mathematisches Modell und nicht als Abbild des Universums. Wenn man mit geringen Geschwindigkeiten zu tun hat, dann sind sie eine gute Naeherung an die Wirklichkeit, bei hohen Geschwindigkeiten nimmt man andere "Formel".
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Tjo, den Bremsweg meines Autochens werde ich halt mal nicht relativistisch berechnen.
Außerdem ist das nur ein Modell. So wie das STandardmodell auch nur ein Modell ist.
Kein Physiker sagt, daß das Universum wirklich so ist. Das dürfen die Theologen und Philosphen tun.
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Außerdem ist das nur ein Modell.
Und deswegen meinte ich, die Mathematik ist zeitlos. Sie braucht sich nach irgendwen richten, schon gar nicht nach der Wirklichkeit wie die armen Physiker. Einziger Scharfrichter ist die Logik.
Kein Physiker sagt, daß das Universum wirklich so ist. Das dürfen die Theologen und Philosphen tun.
Und trotzdem suchen alle (ok, einige) fieberhaft nach der Weltformel. Nur um zu sagen: So ist es und nicht anders.
PS: Nicht nur im relativistischen Fall sondern auch bei Stossmechanik und Turbulenzen weicht man von der klassischen Mechanik (dort betrachtet man Terme hoeherer Ordung > 2).
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knivil schrieb:
Willst du den Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften auch ihren Rang als Wissenschaft absprechen? Zeitunabhaengiges Wissen? Wo lebst du denn ... Zum Beispiel in der Psychologie hat sich sehr viel getan. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Physik hat sich viel getan, vieles wurde korrigiert und alte Annahmen ueber Bord geworfen. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Biologie sind nach 3 bis 4 Jahren die Lehrbuecher (Uni) zu 25% veraltet oder gar falsch, weil neue Erkenntnisse mit alten Hypothesen abgeloest haben. Zeitunabhaengig ist wahrscheinlich nur die Mathematik.
marco.b schrieb:
Über die Aussage, Informatik sei keine Wissenschaft, braucht man sich garnicht zu unterhalten, ist natürlich schlicht quatsch.
Naja, ich habe in der Aussage von mir nicht ohne Grund das "IMHO" betont. Ich habe eine recht enge Vorstellung davon, was eine Wissenschaft ist. Mir ist durchaus bewusst, dass der Wissenschaftsbegriff heutzutage für sehr sehr viele Dinge verwendet wird und vermutlich haben die meisten Leute ungefähr die Vorstellung, dass das eine Wissenschaft ist, was an einer Universität gelehrt wird. Ich sehe das halt nicht so.
Also erstmal möchte ich klarstellen, dass ich, wenn ich sage, die Informatik hat größtenteils nicht den Charakter einer Wissenschaft, keine Wertung vornehme. Die Informatik ist selbstverständlich in weiten Teilen höchst anspruchsvoll und auch sehr wichtig. Für mich ist die entscheidende Frage, wenn es darum geht, ob etwas eine Wissenschaft ist, was die Zielsetzungen des Arbeitens in dieser Disziplin sind und wie die Arbeitsweise aussieht. In der theoretischen Informatik geht es dabei zugegebenermaßen größtenteils um Erkenntnis. Aber im Großen und Ganzen gibt es beim informatischen Arbeiten eben ganz andere Zielsetzungen. Da geht es nicht um Erkenntnis, sondern darum, ein Produkt zu entwickeln. Das ist aus meiner Sicht eine klassische Zielsetzung einer Ingenieursdisiplin. Und ja: Ich unterscheide zwischen Wissenschaft und Ingenieursdisziplin.
Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium und sehe, dass es dort starke Unterschiede in den Arbeitsweisen und in der Qualität des Stoffs gibt. Vielleicht kann ich diese Unterschiede nicht wirklich gut zum Ausdruck bringen. Wenn sich aber jemand zwischen Physik und Informatik entscheiden möchte, dann sollte er sich darüber im Klaren sein, dass es eben doch zwei völlig unterschiedliche Disziplinen sind und die Unterschiede nicht nur in der Thematik liegen. Ich bin bei der Betrachtung dieser Unterschiede für mich eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass man nicht beides als Wissenschaft sehen kann. Deshalb schaffe ich für mich einfach den zusätzlichen Begriff der Ingenieursdisziplin. Wie gesagt, das betrifft nicht die Wertung eines Fachs, sondern die Zielsetzungen, Arbeitsweisen und die Art des Stoffs.
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Da geht es nicht um Erkenntnis, sondern darum, ein Produkt zu entwickeln.
Das wuerde ich so nicht sagen. Zwar lernt man das auch in der praktischen Informatik, eben wie ein Physiker auch etwas ueber elektrische Schaltkreise und Widerstaende lernt, aber es ist nicht das primaere Anliegen.
Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium
Ich auch. Aber vielleicht liegt es auch an den Kursen, die bei dir angeboten werden.
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So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich wie löst man Aufgabe X effizient bzw. wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.
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Jester schrieb:
So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich [...] wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.
Was genau ist bei Dir der Unterschied zwischen einem Produkt und einem System, das entwickelt wird? Vielleicht ist der entscheidende Begriff hier "Entwicklung". Es geht darum, etwas zu entwickeln, aber es geht nicht darum, etwas zu erforschen. ...jenseits der theoretischen Informatik meine ich.
Ok, vielleicht kommen bei einem "Produkt" noch wirtschaftliche Rahmenbedingungen hinzu. Aber selbst auf soetwas wurde bei uns eingegangen. ...in einer Vorlesung über Eingebettete Systeme. In der gesamten Vorlesung ging es natürlich darum, wie man die Entwicklung so eines Systems angeht. Ähnliches Vorgehen gab es auch in Vorlesungen der praktischen Informatik.
knivil schrieb:
Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium
Ich auch. Aber vielleicht liegt es auch an den Kursen, die bei dir angeboten werden.
Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?
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Und was machen Mathematiker? Sie entwickeln eigentlich auch nur Dinge. Forschen kann man dann auch nicht mehr sagen, da sie einzig und allein formale Methoden anwenden. Das Problem ist wohl eher, dass Geisteswissenschaftler wie Informatiker oder Mathematiker keinen Gegenstand haben, den sie erforschen oder untersuchen. Da hat es die Physik, Biologie oder Chemie einfacher.
Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?
Schwerpunkte an sich gibt es nicht, da ich in meinem Studium aus den Bereichen praktische, angewandte, theoretische und technische Informatik eine Mindestanzahl von Leistungspunkten erbringen mussten (Diaktik habe ich glatt mal unter den Tisch fallen lassen). Jetzt hat man natuerlich die Wahl, ob man sich nun mit Protokollen a la CSMA/CD in einer Vorlesung herumschlaegt oder aber sich mit contraint programming beschaeftigt. Ersteres wuerde in Richtung Ingenieursdisziplin gehen, letzteres ist wohl "wissenschaftlicher". (In Physik habe ich alle theoretischen Kurse: Mechanik, Elektro-, Thermodynamik Quanten 1+2, Zufallsprozess und Nichtlineare Dynamik besucht, Experimentalphysik habe ich abgelehnt :)).
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knivil schrieb:
Und was machen Mathematiker? Sie entwickeln eigentlich auch nur Dinge. Forschen kann man dann auch nicht mehr sagen, da sie einzig und allein formale Methoden anwenden. Das Problem ist wohl eher, dass Geisteswissenschaftler wie Informatiker oder Mathematiker keinen Gegenstand haben, den sie erforschen oder untersuchen. Da hat es die Physik, Biologie oder Chemie einfacher.
Mathematiker haben einen Gegenstand, den sie untersuchen. Nämlich abstrakte Strukturen. Praktisch die gleiche Klasse an Gegenständen, die auch die theoretische Informatik zur Untersuchung hat. Und ich sehe die Mathematik auch als Wissenschaft. Es geht in der Mathematik darum, Aussagen über die betrachteten Strukturen zu treffen und diese zu beweisen. Da geht es IMHO eindeutig um Erkenntnisgewinn.
Naja, also ich sehe da zumindest einen Unterschied im Vergleich zu Fragen wie "Wie entscheide ich, ob ich ein System auf einem FPGA realisiere oder doch lieber einen Standard µController dafür nehme?".
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Mathematiker haben einen Gegenstand
Gut, ich habe mich etwas unklar ausgedrueckt: Ich meinte einen Gegenstand aus der Natur. Deswegen ist es ja auch keine Naturwissenschaft, eher einen Geisteswissenschaft ... *duck und weg
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knivil schrieb:
Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?
Schwerpunkte an sich gibt es nicht, da ich in meinem Studium aus den Bereichen praktische, angewandte, theoretische und technische Informatik eine Mindestanzahl von Leistungspunkten erbringen mussten (Diaktik habe ich glatt mal unter den Tisch fallen lassen). Jetzt hat man natuerlich die Wahl, ob man sich nun mit Protokollen a la CSMA/CD in einer Vorlesung herumschlaegt oder aber sich mit contraint programming beschaeftigt. Ersteres wuerde in Richtung Ingenieursdisziplin gehen, letzteres ist wohl "wissenschaftlicher". (In Physik habe ich alle theoretischen Kurse: Mechanik, Elektro-, Thermodynamik Quanten 1+2, Zufallsprozess und Nichtlineare Dynamik besucht, Experimentalphysik habe ich abgelehnt :)).
Was war das für ein Studium? Sieht nach einem ganz schön anspruchsvollen Programm aus.
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Der ganze Teil Physik war freiwillig. Aber damit ich auch motiviert bin habe ich die Klausuren mitgeschrieben und die entsprechenden Leistungsscheine mit Note gemacht.
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@Gregor: Mag sein, dass du dir selbst eine Klassifikation in Ingenieursdisziplin und Wissenschaft zurechtlegst, letztlich sollte man aber schon anerkennen, dass Informatik nunmal als Wissenschaft definiert ist. So weit sollte man über den Tellerrand schauen können.
Dass alles außer der theoretischen Informatik rein produktentwicklungsfokusiert ist, würde ich so auch nicht sagen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel. Was sagst du zum Gebiet der Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz? Einerseits mag sich ein Expertensystem gut in ein Produkt einbinden lassen, andererseits besteht schon lange der Wunsch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich gedankliche Prozesse analog zum menschlichen Denken in irgendeiner Art abbilden lassen. Wissenschaftlich oder produktorientiert? Oder ist das für dich dann einfach theoretische Informatik?
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marco.b schrieb:
@Gregor: Mag sein, dass du dir selbst eine Klassifikation in Ingenieursdisziplin und Wissenschaft zurechtlegst, letztlich sollte man aber schon anerkennen, dass Informatik nunmal als Wissenschaft definiert ist. So weit sollte man über den Tellerrand schauen können.
Pfff, was heißt da Tellerrand. Ich habe mich lange genug mit Informatik beschäftigt, um zu wissen, was man darunter alles verstehen kann. Wenn man die Informatik als Wissenschaft oder etwas anderes klassifiziert, dann ist nie wirklich passend. Die Informatik hat dazu zu viele Facetten. Aus meiner Sicht gibt es auch keine Autorität, die die Informatik einfach so als Wissenschaft definieren kann. Du sagst ja praktisch "Die Informatik ist eine Wissenschaft, weil sie so definiert ist". Das ist aus meiner Sicht eine etwas unbefriedigende Argumentation. Naja, aber wie dem auch sei: Mir ist eigentlich völlig egal, ob Du oder die anderen hier die Informatik als Wissenschaft sehen. Mir kam es darauf an, deutlich zu machen, dass sich die Informatik ganz beträchtlich von der Physik unterscheidet. Und zwar was die Qualität des Stoffs, die Zielsetzungen und die Arbeitsweisen betrifft. Ich hoffe, dass das angekommen ist. In der Informatik liegt der Fokus in weiten Bereichen darauf, wie man etwas macht. Man lernt auf verschiedenen Ebenen wie man informatische Systeme entwickelt. Angefangen bei der Entwicklungsmethodik, dann über ein breites Methoden- bzw. Werkzeugwissen und über Designaspekte hin zu Details in der Implementierung.
Deshalb sage ich auch, dass Informatik DAS Studium ist, wenn es einem ums Programmieren geht. Man kriegt in diesem Studium unglaublich viel mit was man bei der Programmierung praktisch anwenden kann.
marco.b schrieb:
Dass alles außer der theoretischen Informatik rein produktentwicklungsfokusiert ist, würde ich so auch nicht sagen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel. Was sagst du zum Gebiet der Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz? Einerseits mag sich ein Expertensystem gut in ein Produkt einbinden lassen, andererseits besteht schon lange der Wunsch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich gedankliche Prozesse analog zum menschlichen Denken in irgendeiner Art abbilden lassen. Wissenschaftlich oder produktorientiert? Oder ist das für dich dann einfach theoretische Informatik?
Ich fasse "Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz" mal zu KI zusammen. Letztendlich ist die KI ein sehr sehr breites Gebiet und wenn man Wikipedia anguckt, dann wird dieser Bereich dort als eigener Unterbereich der Informatik gewertet. Mir sind allerdings Universitäten bekannt, die die KI der theoretischen Informatik zuordnen und auch Universitäten, die diesen Bereich der praktischen Informatik zuordnen.
Also ich kann nur sagen wie ich die Lehre der KI in der Uni wahrgenommen habe. Aus meiner Sicht wurden mir da Werkzeuge beigebracht. Ich begreife zum Beispiel künstliche neuronale Netze als Werkzeug, das ich bei entsprechenden Aufgabenstellungen einsetze. Ebenso sehe ich Fuzzy Logic oder Beschreibungslogiken oder die ungefähr 1000 weiteren Werkzeuge, die ich in dem Zusammenhang kennengelernt habe. Klar, hinter Werkzeugen wie den Beschreibungslogiken steckt auch eine ganze Menge strukturelles Wissen, das auch systematisch erschlossen wird, aber ehrlich gesagt kommt davon IMHO nicht wirklich viel bei den Studenten an. Der Punkt ist einfach, dass die Informatik (noch) relativ nah an der praktischen Anwendung liegt. Man sieht das ja auch in den Wunschprofilen, die man in Jobangeboten findet. Und entsprechend ist die Lehre auch größtenteils auf die praktische Anwendung ausgerichtet. Klar, die FH ist da dann noch ein bischen praktischer als die Uni, aber letztendlich sind beide größtenteils auf die praktische Anwendung ausgerichtet. Dijkstra hat mal gesagt, dass man die Informatik streng von der praktischen Anwendung trennen sollte. Wenn man das tun würde dann würde ich durchaus sagen, dass sie in erster Linie den Charakter einer Wissenschaft hat. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht. Sein Ausspruch "In der Informatik geht es genauso wenig um Computer wie in der Astronomie um Teleskope" stimmt nunmal nicht mit der Lehre an Universitäten überein. Die Informatik hat heutzutage noch unglaublich viel mit dem Arbeiten mit Computern zu tun.
EDIT: Ich habe gerade mit Christoph über die ganzen Werkzeuge in der Informatik geredet. ...möglicherweise ist der entscheidende Punkt einfach, dass einem in der Informatik Unmengen an Werkzeugen vorgestellt werden. Man geht bei diesen Werkzeugen nicht in die Tiefe, sondern zeigt sie praktisch nur sehr kurz den Studenten und sagt, wo man sie anwenden kann.
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Gregor schrieb:
Jester schrieb:
So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich [...] wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.
Was genau ist bei Dir der Unterschied zwischen einem Produkt und einem System, das entwickelt wird?
Nichts, Du mußt den Satz weiter lesen. Es steht eben nicht das Produkt/System im Vordergrund, sondern eine Fragestellung dahinter. Na klar kannst Du sagen "neuronale Netze sind für mich nur ein Werkzeug". Du verkennst dabei aber, dass so ein Werkzeug zwei Seiten hat: die einen benutzen es um Produkte zu entwickeln, während andere neue Werkzeuge schaffen bzw. sie verbessern. Der zweite Teil ist nicht wirklich produktorientiert. Allerdings spielt dort oft auch ein Produkt eine wichtige Rolle: um die Leistungsfähigkeit des neuen Ansatzes zu belegen wird eben oft ein Produkt mitentwickelt, das die Leistungsfähigkeit belegt.
Bloß weil am Schluß auch noch ein Produkt abfällt heißt das nicht, dass die Arbeit nicht wissenschaftlich ist. Genausowenig wie man sagen kann, dass jemand offensichtlich wissenschaftlich arbeitet, weil am Ende nix rauskommt. :p