Was ist Informatik?



  • Tjo, den Bremsweg meines Autochens werde ich halt mal nicht relativistisch berechnen.
    Außerdem ist das nur ein Modell. So wie das STandardmodell auch nur ein Modell ist.
    Kein Physiker sagt, daß das Universum wirklich so ist. Das dürfen die Theologen und Philosphen tun.



  • Außerdem ist das nur ein Modell.

    Und deswegen meinte ich, die Mathematik ist zeitlos. Sie braucht sich nach irgendwen richten, schon gar nicht nach der Wirklichkeit wie die armen Physiker. Einziger Scharfrichter ist die Logik.

    Kein Physiker sagt, daß das Universum wirklich so ist. Das dürfen die Theologen und Philosphen tun.

    Und trotzdem suchen alle (ok, einige) fieberhaft nach der Weltformel. Nur um zu sagen: So ist es und nicht anders. 🙂

    PS: Nicht nur im relativistischen Fall sondern auch bei Stossmechanik und Turbulenzen weicht man von der klassischen Mechanik (dort betrachtet man Terme hoeherer Ordung > 2).



  • knivil schrieb:

    Willst du den Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften auch ihren Rang als Wissenschaft absprechen? Zeitunabhaengiges Wissen? Wo lebst du denn ... Zum Beispiel in der Psychologie hat sich sehr viel getan. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Physik hat sich viel getan, vieles wurde korrigiert und alte Annahmen ueber Bord geworfen. Ja sie ist eine Wissenschaft. In der Biologie sind nach 3 bis 4 Jahren die Lehrbuecher (Uni) zu 25% veraltet oder gar falsch, weil neue Erkenntnisse mit alten Hypothesen abgeloest haben. Zeitunabhaengig ist wahrscheinlich nur die Mathematik.

    marco.b schrieb:

    Über die Aussage, Informatik sei keine Wissenschaft, braucht man sich garnicht zu unterhalten, ist natürlich schlicht quatsch.

    Naja, ich habe in der Aussage von mir nicht ohne Grund das "IMHO" betont. Ich habe eine recht enge Vorstellung davon, was eine Wissenschaft ist. Mir ist durchaus bewusst, dass der Wissenschaftsbegriff heutzutage für sehr sehr viele Dinge verwendet wird und vermutlich haben die meisten Leute ungefähr die Vorstellung, dass das eine Wissenschaft ist, was an einer Universität gelehrt wird. Ich sehe das halt nicht so.

    Also erstmal möchte ich klarstellen, dass ich, wenn ich sage, die Informatik hat größtenteils nicht den Charakter einer Wissenschaft, keine Wertung vornehme. Die Informatik ist selbstverständlich in weiten Teilen höchst anspruchsvoll und auch sehr wichtig. Für mich ist die entscheidende Frage, wenn es darum geht, ob etwas eine Wissenschaft ist, was die Zielsetzungen des Arbeitens in dieser Disziplin sind und wie die Arbeitsweise aussieht. In der theoretischen Informatik geht es dabei zugegebenermaßen größtenteils um Erkenntnis. Aber im Großen und Ganzen gibt es beim informatischen Arbeiten eben ganz andere Zielsetzungen. Da geht es nicht um Erkenntnis, sondern darum, ein Produkt zu entwickeln. Das ist aus meiner Sicht eine klassische Zielsetzung einer Ingenieursdisiplin. Und ja: Ich unterscheide zwischen Wissenschaft und Ingenieursdisziplin.

    Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium und sehe, dass es dort starke Unterschiede in den Arbeitsweisen und in der Qualität des Stoffs gibt. Vielleicht kann ich diese Unterschiede nicht wirklich gut zum Ausdruck bringen. Wenn sich aber jemand zwischen Physik und Informatik entscheiden möchte, dann sollte er sich darüber im Klaren sein, dass es eben doch zwei völlig unterschiedliche Disziplinen sind und die Unterschiede nicht nur in der Thematik liegen. Ich bin bei der Betrachtung dieser Unterschiede für mich eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass man nicht beides als Wissenschaft sehen kann. Deshalb schaffe ich für mich einfach den zusätzlichen Begriff der Ingenieursdisziplin. Wie gesagt, das betrifft nicht die Wertung eines Fachs, sondern die Zielsetzungen, Arbeitsweisen und die Art des Stoffs.



  • Da geht es nicht um Erkenntnis, sondern darum, ein Produkt zu entwickeln.

    Das wuerde ich so nicht sagen. Zwar lernt man das auch in der praktischen Informatik, eben wie ein Physiker auch etwas ueber elektrische Schaltkreise und Widerstaende lernt, aber es ist nicht das primaere Anliegen.

    Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium

    Ich auch. Aber vielleicht liegt es auch an den Kursen, die bei dir angeboten werden.



  • So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich wie löst man Aufgabe X effizient bzw. wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.



  • Jester schrieb:

    So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich [...] wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.

    Was genau ist bei Dir der Unterschied zwischen einem Produkt und einem System, das entwickelt wird? Vielleicht ist der entscheidende Begriff hier "Entwicklung". Es geht darum, etwas zu entwickeln, aber es geht nicht darum, etwas zu erforschen. ...jenseits der theoretischen Informatik meine ich.

    Ok, vielleicht kommen bei einem "Produkt" noch wirtschaftliche Rahmenbedingungen hinzu. Aber selbst auf soetwas wurde bei uns eingegangen. ...in einer Vorlesung über Eingebettete Systeme. In der gesamten Vorlesung ging es natürlich darum, wie man die Entwicklung so eines Systems angeht. Ähnliches Vorgehen gab es auch in Vorlesungen der praktischen Informatik.

    knivil schrieb:

    Ich habe massive Einblicke ins Physik- und Informatikstudium

    Ich auch. Aber vielleicht liegt es auch an den Kursen, die bei dir angeboten werden.

    Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?



  • Und was machen Mathematiker? Sie entwickeln eigentlich auch nur Dinge. Forschen kann man dann auch nicht mehr sagen, da sie einzig und allein formale Methoden anwenden. Das Problem ist wohl eher, dass Geisteswissenschaftler wie Informatiker oder Mathematiker keinen Gegenstand haben, den sie erforschen oder untersuchen. Da hat es die Physik, Biologie oder Chemie einfacher.

    Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?

    Schwerpunkte an sich gibt es nicht, da ich in meinem Studium aus den Bereichen praktische, angewandte, theoretische und technische Informatik eine Mindestanzahl von Leistungspunkten erbringen mussten (Diaktik habe ich glatt mal unter den Tisch fallen lassen). Jetzt hat man natuerlich die Wahl, ob man sich nun mit Protokollen a la CSMA/CD in einer Vorlesung herumschlaegt oder aber sich mit contraint programming beschaeftigt. Ersteres wuerde in Richtung Ingenieursdisziplin gehen, letzteres ist wohl "wissenschaftlicher". (In Physik habe ich alle theoretischen Kurse: Mechanik, Elektro-, Thermodynamik Quanten 1+2, Zufallsprozess und Nichtlineare Dynamik besucht, Experimentalphysik habe ich abgelehnt :)).



  • knivil schrieb:

    Und was machen Mathematiker? Sie entwickeln eigentlich auch nur Dinge. Forschen kann man dann auch nicht mehr sagen, da sie einzig und allein formale Methoden anwenden. Das Problem ist wohl eher, dass Geisteswissenschaftler wie Informatiker oder Mathematiker keinen Gegenstand haben, den sie erforschen oder untersuchen. Da hat es die Physik, Biologie oder Chemie einfacher.

    Mathematiker haben einen Gegenstand, den sie untersuchen. Nämlich abstrakte Strukturen. Praktisch die gleiche Klasse an Gegenständen, die auch die theoretische Informatik zur Untersuchung hat. Und ich sehe die Mathematik auch als Wissenschaft. Es geht in der Mathematik darum, Aussagen über die betrachteten Strukturen zu treffen und diese zu beweisen. Da geht es IMHO eindeutig um Erkenntnisgewinn.

    Naja, also ich sehe da zumindest einen Unterschied im Vergleich zu Fragen wie "Wie entscheide ich, ob ich ein System auf einem FPGA realisiere oder doch lieber einen Standard µController dafür nehme?".



  • Mathematiker haben einen Gegenstand

    Gut, ich habe mich etwas unklar ausgedrueckt: Ich meinte einen Gegenstand aus der Natur. Deswegen ist es ja auch keine Naturwissenschaft, eher einen Geisteswissenschaft ... *duck und weg



  • knivil schrieb:

    Oh, interessant. Darf man fragen, was Du so gemacht hast und was Deine Schwerpunkte waren oder sind?

    Schwerpunkte an sich gibt es nicht, da ich in meinem Studium aus den Bereichen praktische, angewandte, theoretische und technische Informatik eine Mindestanzahl von Leistungspunkten erbringen mussten (Diaktik habe ich glatt mal unter den Tisch fallen lassen). Jetzt hat man natuerlich die Wahl, ob man sich nun mit Protokollen a la CSMA/CD in einer Vorlesung herumschlaegt oder aber sich mit contraint programming beschaeftigt. Ersteres wuerde in Richtung Ingenieursdisziplin gehen, letzteres ist wohl "wissenschaftlicher". (In Physik habe ich alle theoretischen Kurse: Mechanik, Elektro-, Thermodynamik Quanten 1+2, Zufallsprozess und Nichtlineare Dynamik besucht, Experimentalphysik habe ich abgelehnt :)).

    Was war das für ein Studium? Sieht nach einem ganz schön anspruchsvollen Programm aus.



  • Der ganze Teil Physik war freiwillig. Aber damit ich auch motiviert bin habe ich die Klausuren mitgeschrieben und die entsprechenden Leistungsscheine mit Note gemacht.



  • @Gregor: Mag sein, dass du dir selbst eine Klassifikation in Ingenieursdisziplin und Wissenschaft zurechtlegst, letztlich sollte man aber schon anerkennen, dass Informatik nunmal als Wissenschaft definiert ist. So weit sollte man über den Tellerrand schauen können.

    Dass alles außer der theoretischen Informatik rein produktentwicklungsfokusiert ist, würde ich so auch nicht sagen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel. Was sagst du zum Gebiet der Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz? Einerseits mag sich ein Expertensystem gut in ein Produkt einbinden lassen, andererseits besteht schon lange der Wunsch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich gedankliche Prozesse analog zum menschlichen Denken in irgendeiner Art abbilden lassen. Wissenschaftlich oder produktorientiert? Oder ist das für dich dann einfach theoretische Informatik?



  • marco.b schrieb:

    @Gregor: Mag sein, dass du dir selbst eine Klassifikation in Ingenieursdisziplin und Wissenschaft zurechtlegst, letztlich sollte man aber schon anerkennen, dass Informatik nunmal als Wissenschaft definiert ist. So weit sollte man über den Tellerrand schauen können.

    Pfff, was heißt da Tellerrand. Ich habe mich lange genug mit Informatik beschäftigt, um zu wissen, was man darunter alles verstehen kann. Wenn man die Informatik als Wissenschaft oder etwas anderes klassifiziert, dann ist nie wirklich passend. Die Informatik hat dazu zu viele Facetten. Aus meiner Sicht gibt es auch keine Autorität, die die Informatik einfach so als Wissenschaft definieren kann. Du sagst ja praktisch "Die Informatik ist eine Wissenschaft, weil sie so definiert ist". Das ist aus meiner Sicht eine etwas unbefriedigende Argumentation. Naja, aber wie dem auch sei: Mir ist eigentlich völlig egal, ob Du oder die anderen hier die Informatik als Wissenschaft sehen. Mir kam es darauf an, deutlich zu machen, dass sich die Informatik ganz beträchtlich von der Physik unterscheidet. Und zwar was die Qualität des Stoffs, die Zielsetzungen und die Arbeitsweisen betrifft. Ich hoffe, dass das angekommen ist. In der Informatik liegt der Fokus in weiten Bereichen darauf, wie man etwas macht. Man lernt auf verschiedenen Ebenen wie man informatische Systeme entwickelt. Angefangen bei der Entwicklungsmethodik, dann über ein breites Methoden- bzw. Werkzeugwissen und über Designaspekte hin zu Details in der Implementierung.

    Deshalb sage ich auch, dass Informatik DAS Studium ist, wenn es einem ums Programmieren geht. Man kriegt in diesem Studium unglaublich viel mit was man bei der Programmierung praktisch anwenden kann.

    marco.b schrieb:

    Dass alles außer der theoretischen Informatik rein produktentwicklungsfokusiert ist, würde ich so auch nicht sagen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel. Was sagst du zum Gebiet der Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz? Einerseits mag sich ein Expertensystem gut in ein Produkt einbinden lassen, andererseits besteht schon lange der Wunsch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich gedankliche Prozesse analog zum menschlichen Denken in irgendeiner Art abbilden lassen. Wissenschaftlich oder produktorientiert? Oder ist das für dich dann einfach theoretische Informatik?

    Ich fasse "Wissensverarbeitung / künstl. Intelligenz" mal zu KI zusammen. Letztendlich ist die KI ein sehr sehr breites Gebiet und wenn man Wikipedia anguckt, dann wird dieser Bereich dort als eigener Unterbereich der Informatik gewertet. Mir sind allerdings Universitäten bekannt, die die KI der theoretischen Informatik zuordnen und auch Universitäten, die diesen Bereich der praktischen Informatik zuordnen.

    Also ich kann nur sagen wie ich die Lehre der KI in der Uni wahrgenommen habe. Aus meiner Sicht wurden mir da Werkzeuge beigebracht. Ich begreife zum Beispiel künstliche neuronale Netze als Werkzeug, das ich bei entsprechenden Aufgabenstellungen einsetze. Ebenso sehe ich Fuzzy Logic oder Beschreibungslogiken oder die ungefähr 1000 weiteren Werkzeuge, die ich in dem Zusammenhang kennengelernt habe. Klar, hinter Werkzeugen wie den Beschreibungslogiken steckt auch eine ganze Menge strukturelles Wissen, das auch systematisch erschlossen wird, aber ehrlich gesagt kommt davon IMHO nicht wirklich viel bei den Studenten an. Der Punkt ist einfach, dass die Informatik (noch) relativ nah an der praktischen Anwendung liegt. Man sieht das ja auch in den Wunschprofilen, die man in Jobangeboten findet. Und entsprechend ist die Lehre auch größtenteils auf die praktische Anwendung ausgerichtet. Klar, die FH ist da dann noch ein bischen praktischer als die Uni, aber letztendlich sind beide größtenteils auf die praktische Anwendung ausgerichtet. Dijkstra hat mal gesagt, dass man die Informatik streng von der praktischen Anwendung trennen sollte. Wenn man das tun würde dann würde ich durchaus sagen, dass sie in erster Linie den Charakter einer Wissenschaft hat. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht. Sein Ausspruch "In der Informatik geht es genauso wenig um Computer wie in der Astronomie um Teleskope" stimmt nunmal nicht mit der Lehre an Universitäten überein. Die Informatik hat heutzutage noch unglaublich viel mit dem Arbeiten mit Computern zu tun.

    EDIT: Ich habe gerade mit Christoph über die ganzen Werkzeuge in der Informatik geredet. ...möglicherweise ist der entscheidende Punkt einfach, dass einem in der Informatik Unmengen an Werkzeugen vorgestellt werden. Man geht bei diesen Werkzeugen nicht in die Tiefe, sondern zeigt sie praktisch nur sehr kurz den Studenten und sagt, wo man sie anwenden kann.



  • Gregor schrieb:

    Jester schrieb:

    So ziemlich alles was ich bisher im Informatik-Bereich gesehen habe hat sich letztlich doch auf Erkenntnis ausgerichtet: Natürlich werden hier und da auch Systeme entwickelt, die gewisse Aufgaben gut lösen, aber bei allem was ich bis jetzt gesehen habe, stand dahinter doch immer eine Frage, nämlich [...] wie entwirft man Systeme, die gewisse Eigenschaften haben. Dass irgendjemand das Produkt ins Zentrum stellt habe ich bis jetzt nur in wirschaftsnahen Einrichtungen gesehen.

    Was genau ist bei Dir der Unterschied zwischen einem Produkt und einem System, das entwickelt wird?

    Nichts, Du mußt den Satz weiter lesen. Es steht eben nicht das Produkt/System im Vordergrund, sondern eine Fragestellung dahinter. Na klar kannst Du sagen "neuronale Netze sind für mich nur ein Werkzeug". Du verkennst dabei aber, dass so ein Werkzeug zwei Seiten hat: die einen benutzen es um Produkte zu entwickeln, während andere neue Werkzeuge schaffen bzw. sie verbessern. Der zweite Teil ist nicht wirklich produktorientiert. Allerdings spielt dort oft auch ein Produkt eine wichtige Rolle: um die Leistungsfähigkeit des neuen Ansatzes zu belegen wird eben oft ein Produkt mitentwickelt, das die Leistungsfähigkeit belegt.

    Bloß weil am Schluß auch noch ein Produkt abfällt heißt das nicht, dass die Arbeit nicht wissenschaftlich ist. Genausowenig wie man sagen kann, dass jemand offensichtlich wissenschaftlich arbeitet, weil am Ende nix rauskommt. :p



  • Gregor schrieb:

    Mir kam es darauf an, deutlich zu machen, dass sich die Informatik ganz beträchtlich von der Physik unterscheidet.

    Sicher. Deshalb ist Physik auch eine Naturwissenschaft und Informatik teils Struktur-, teils Ingenieurswissenschaft.

    Gregor schrieb:

    Klar, hinter Werkzeugen wie den Beschreibungslogiken steckt auch eine ganze Menge strukturelles Wissen, das auch systematisch erschlossen wird, aber ehrlich gesagt kommt davon IMHO nicht wirklich viel bei den Studenten an.

    Mag an vielen (Fach)hochschulen so sein, kann ich nicht sagen (kannst du es? An wie vielen Unis hast du denn studiert?)
    Aber am Gymnasium werden Physik und Mathematik auch anwendungsorientiert gelehrt, trotzdem handelt es sich bei beiden um eine Wissenschaft. Will meinen: Ich verstehe dieses Argument nicht ganz. Es gibt Einrichtungen, in denen ein bestimmter Lehrstoff nur anwendungsorientiert vermittelt wird. Also entspringt der Lehrstoff keiner Wissenschaft?



  • Man muss aber auch mal sehen, dass Wikipedia 105 Seiten zur theoretischen Informatik und 7 Seiten zur praktischen Informatik zählt. Wenn man das mal als repräsentativ ansehen würde, so müsste man also selbst nach Gregors Meinung die Informatik zu 93.75% als Wissenschaft ansehen ;).



  • life schrieb:

    Man muss aber auch mal sehen, dass Wikipedia 105 Seiten zur theoretischen Informatik und 7 Seiten zur praktischen Informatik zählt. Wenn man das mal als repräsentativ ansehen würde, so müsste man also selbst nach Gregors Meinung die Informatik zu 93.75% als Wissenschaft ansehen ;).

    Tausende von Seiten sind mit Hardware und Softwarebeschreibungen voll. http://de.wikipedia.org/wiki/Sinclair_ZX81
    Ist halt die Frage, ob der Mediamarkt-Verkäufer ein Informatiker ist.
    In meinem Studium(FH) waren Produktvorstellungen immer nur nebensächlich, die einzigen Produkte, die ganze Vorlesungen (, die halb zu Werbeveranstaltungen verkamen,) begleiteten gabs in "Client-Server-Geschmuse am Beispiel Oracle mit Corba", "Softwareentwicklung per Mausklick mit ...{Name vergessen, so unwichtig war's}", "halbherzig Programmieren mit Java". Aber da ging man auch nicht raus und hatte das Gefühl, was gelernt zu haben, das sind doch nur "Chef, gib mir Handbuch und am Montag kann ich's"-Sachen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Studienrichtungen gibt, wo es solche komischen Scheine nicht gibt.



  • marco.b schrieb:

    Gregor schrieb:

    Klar, hinter Werkzeugen wie den Beschreibungslogiken steckt auch eine ganze Menge strukturelles Wissen, das auch systematisch erschlossen wird, aber ehrlich gesagt kommt davon IMHO nicht wirklich viel bei den Studenten an.

    Mag an vielen (Fach)hochschulen so sein, kann ich nicht sagen (kannst du es? An wie vielen Unis hast du denn studiert?)
    Aber am Gymnasium werden Physik und Mathematik auch anwendungsorientiert gelehrt, trotzdem handelt es sich bei beiden um eine Wissenschaft. Will meinen: Ich verstehe dieses Argument nicht ganz. Es gibt Einrichtungen, in denen ein bestimmter Lehrstoff nur anwendungsorientiert vermittelt wird. Also entspringt der Lehrstoff keiner Wissenschaft?

    Ich habe natürlich auch nur subjektive Erfahrungen. Aber jenseits davon kenne ich natürlich auch Standardliteratur, die im Studium genutzt wird. Bleiben wir doch mal bei der Künstlichen Intelligenz. Ein absolutes Standardbuch in diesem Bereich ist "Artificial Intelligence - A Modern Approach". Das wird definitiv in vielen Universitäten als Grundlage für entsprechende Veranstaltungen genutzt. Das ist zugegebenermaßen ein höchst interessantes Buch, aber wenn man es durchblättert, sieht man eigentlich, dass es ein reiner Werkzeugkatalog ist. In dem Buch werden einem zu etlichen Problemen noch mehr Werkzeuge vorgestellt. In die Tiefe wird dabei nicht gegangen, stattdessen ist der Autor in erster Linie darum bemüht, dem Leser einfach nur einen möglichst breiten Werkzeugkasten zu vermitteln. Die ganzen Werkzeuge und Probleme hängen dabei IMHO auch nur sehr lose zusammen. Das ist genau den Eindruck, den ich fast im gesamten Informatikstudium hatte. In fast allen Veranstaltungen gab es so eine sehr oberflächliche Werkzeugschau, die darauf ausgelegt war, den Studenten in die Lage zu versetzen, entsprechende informatische Probleme in der Praxis anzugehen. Der lose Zusammenhang, den ich in der KI angesprochen habe, ist natürlich im gesamten Info-Studium vorhanden. In den Vorlesungen über theoretische Informatik ist das ganz anders. Dort lernt man zwar auch etwas über Strukturen, die als Werkzeug dienen können, aber der Stoff wird wesentlich tiefgehender behandelt.

    Klar, ihr sagt jetzt, dass hinter all diesen Werkzeugen, die man beispielsweise in der KI kennenlernt, jede Menge Struktur und Wissenschaft stecken. Aber die entscheidende Frage ist doch, was einem im Studium vermittelt wird. Es wird eben nicht vermittelt, wie man derartige Werkzeuge entwickelt oder erforscht. Stattdessen wird vermittelt, welche Werkzeuge vorhanden sind und in welchem Zusammenhang man sie nutzen kann. Vermutlich geht das im Großen und Ganzen auch gar nicht anders. Ich bezweifle, dass es dort eine einheitliche Werkzeug-Entwicklungsmethodik gibt. In der Physik ist das anders. Was in der Informatik aus meiner Sicht ein Werkzeug ist, ist in der Physik eine Formel. Da lernt man in der Schule einige Formeln kennen und wendet sie an. Im Studium lernt man hingegen die Struktur hinter den Formeln kennen und es wird einem beigebracht, wie man auf Basis der Struktur zu den Formeln kommt. Praktisch die Werkzeugentwicklungsmethodik. In der Mathematik sieht es ähnlich aus. Dort lernt man in der Schule das Rechnen. Also die Nutzung von irgendwelchen mathematischen Sätzen. Im Mathematikstudium lernt man hingegen die Methoden kennen, nach der in der Mathematik die Sätze auf Basis der darunterliegenden Struktur entwickelt und bewiesen werden.

    Übrigens: Das KI-Buch, das ich erwähnt habe, ist natürlich ein Grundlagenbuch das noch nichtmal für Schwerpunkte im Studium genutzt wird, sondern eben für Standardvorlesungen, die viele Studenten unabhängig von der speziellen Ausrichtung im Studium hören. Man sollte denken, dass es dann in Schwerpunktsvorlesungen anders aussieht. Ich habe mich im Studium auf intelligente Systeme spezialisiert. Habe also jede Menge Literatur zu Wissensverarbeitung, Bildverarbeitung, Robotik und so gelesen. Die Behandlung des Stoffs war dort qualitativ auch nicht anders. Auch dort läuft alles in erster Linie auf eine Werkzeugschau hinaus. Eigentlich ist das auch etwas sehr positives. Letztendlich ist bei der Informatik die praktische Anwendung eben doch sehr wichtig. Man hört sehr oft die Forderung, dass dieses Studium praktisch orientiert sein soll und das ist es eben auch.

    life schrieb:

    Man muss aber auch mal sehen, dass Wikipedia 105 Seiten zur theoretischen Informatik und 7 Seiten zur praktischen Informatik zählt. Wenn man das mal als repräsentativ ansehen würde, so müsste man also selbst nach Gregors Meinung die Informatik zu 93.75% als Wissenschaft ansehen ;).

    Naja, Wikipedia bildet nun nicht gerade ein entsprechendes Hochschulstudium ab. In so einem Studium ist die theoretische Informatik jenseits von entsprechenden Schwerpunkten vielleicht 30% des Stoffs.



  • Gregor schrieb:

    life schrieb:

    Man muss aber auch mal sehen, dass Wikipedia 105 Seiten zur theoretischen Informatik und 7 Seiten zur praktischen Informatik zählt. Wenn man das mal als repräsentativ ansehen würde, so müsste man also selbst nach Gregors Meinung die Informatik zu 93.75% als Wissenschaft ansehen ;).

    Naja, Wikipedia bildet nun nicht gerade ein entsprechendes Hochschulstudium ab. In so einem Studium ist die theoretische Informatik jenseits von entsprechenden Schwerpunkten vielleicht 30% des Stoffs.

    Also im Grundstudium hat mir hier etwas mehr als 50% theoretische Informatik bzw. Mathematik Vorlesungen (genauer: 50 von 98 Punkten; Studium Generale + Nebenfach nicht mitberechnet, da beliebig wählbar). Später kann man sich dann entsprechend spezialisieren.

    Mit deiner Spezialisierung auf Intelligente Systeme bist du also ein wenig selber Schuld: Ich fand die Maschinelles Lernen Vorlesung jedenfalls auch furchtbar oberflächlich und habe dementsprechend danach einen Bogen um derartige Vorlesungen gemacht ;).



  • life schrieb:

    Also im Grundstudium hat mir hier etwas mehr als 50% theoretische Informatik bzw. Mathematik Vorlesungen (genauer: 50 von 98 Punkten; Studium Generale + Nebenfach nicht mitberechnet, da beliebig wählbar). Später kann man sich dann entsprechend spezialisieren.

    Mit deiner Spezialisierung auf Intelligente Systeme bist du also ein wenig selber Schuld: Ich fand die Maschinelles Lernen Vorlesung jedenfalls auch furchtbar oberflächlich und habe dementsprechend danach einen Bogen um derartige Vorlesungen gemacht ;).

    Naja, die Mathematik habe ich jetzt nicht gerade zur Theoretischen Informatik dazugerechnet. Die fällt ja auch im späteren Studium weg. Ok, mag sein, dass mein Schwerpunkt zu so einer Werkzeugschau geführt hat. Was hältst Du denn für "wissenschaftlichere" (also in meinem Sinn jetzt) Schwerpunkte aus den Bereichen praktische oder technische Informatik? Ich meine, letztendlich gibt es IMHO die Bereiche Theoretische Informatik, Praktische Informatik, Technische Informatik und Angewandte Informatik. Zur angewandten Informatik zähle ich auch mal so Schwerpunkte, die den Einsatz von Informatiksystemen in Organisationen betreffen. Also: Wo wird man jenseits der Theoretischen Informatik nicht in erster Linie mit einer Werkzeugschau konfrontiert. Mir fällt da leider nicht wirklich etwas ein. Aber das kann natürlich auch an dem speziellen Lehrangebot liegen, das ich kennengelernt habe.

    ...im Übrigen bin ich durchaus ganz glücklich mit den Kursen, die ich im Studium mitgemacht habe. Ich sage nur, dass sich der Stoff qualitativ stark von dem eines Physikstudiums unterscheidet. Aber letztendlich habe ich durch das Informatikstudium einen riesigen Werkzeugkasten mitgekriegt, der mir eine sehr systematische Herangehensweise an informatische Probleme und Aufgabenstellungen ermöglicht. Das ist schon ziemlich geil.


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