Unzufrieden mit Studium
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Gregor schrieb:
Frag mal Christoph. Der hat Komplexitaetstheorievorlesungen in seinem Mathestudium gehoert. Und die waren selbstverstaendlich wesentlich anspruchsvoller als das, was einem dazu in einem Informatikstudium geboten wird.
Selbstverständlich... moment mal, selbstverständlich? Was ist denn daran selbstverständlich? Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. -- Ich will sehen!
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marco.b schrieb:
oder einfach ein wenig vorgeprägt bin von deinen bisherigen "Informatik ist keine Wissenschaft"-Beiträgen
Das ist eigentlich meine allgemeine Sicht auf Ingenieursfächer. Ist nichts Informatik-spezifisches und liegt sicherlich daran, dass meine persönliche Definition von "Wissenschaft" etwas eigen ist. Wenn ich so etwas sage, will ich darauf hinaus, dass die eigentliche Fragestellung eine ganz andere ist. In Ingenieursfächern fragt man "Wie kann man XYZ erreichen" oder "Wie kann man ein XYZ konstruieren", in einer Wissenschaft fragt man eher "Wie sieht Zusammenhang XYZ aus?" oder "Was ist eigentlich XYZ?". Jenseits der theoretischen Informatik findet man in der Informatik IMHO in erster Linie diese Ingenieurs-Fragestellungen.
Jester schrieb:
Gregor schrieb:
Frag mal Christoph. Der hat Komplexitaetstheorievorlesungen in seinem Mathestudium gehoert. Und die waren selbstverstaendlich wesentlich anspruchsvoller als das, was einem dazu in einem Informatikstudium geboten wird.
Selbstverständlich... moment mal, selbstverständlich? Was ist denn daran selbstverständlich? Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. -- Ich will sehen!
Ok, ist vielleicht ein etwas unfairer Vergleich gewesen. Ich habe mich daran erinnert, was ich so im Informatikstudium über Komplexitätstheorie gehört habe. Und das war praktisch nichts. Im Grundstudium ging es gerade mal so weit, dass man diverse Arten von Turingmaschinen als N-Tupel definiert hat und die Klassen P und NP definiert hat. ...grob gesagt. Wenn ich mir den Informatik-Bachelor-Studienplan ansehe, der weiter oben gepostet wurde, dann gibt es da im Bachelor auch nicht mehr. Bei uns konnte man sich zudem im Hauptstudium nicht in Richtung Komplexitätstheorie spezialisieren, wenn ich mich richtig erinnere. Allerdings gab es eine theoretische Grundlagenveranstaltung "Automaten und Komplexität". Ich habe die nicht gehört, habe aber hier das Skript dazu. Kapitel 8 von 10 hat dort den Titel "Komplexitätstheorie". Du kannst Dir überlegen, dass es in den dazugehörigen ~35 Seiten nicht sonderlich zur Sache gehen kann. Christoph hatte hingegen durch seine Schwerpunktsetzung im Mathematik-Hauptstudium eine dedizierte (oder sogar mehrere, weiß nicht?) Vorlesung zur Komplexitätstheorie, die sich wohl an einem klassischen Buch zu der Thematik, wie dem da...
Computational Complexity | ISBN: 0521424267
...orientiert hat. Du kannst ja mal auf Amazon das Inhaltsverzeichnis des Buchs durchgehen. Das wird dann wohl in etwa das sein, was er zu der Thematik gehört hat.Wie gesagt: Bei uns gab es einen Schwerpunkt "Komplexitätstheorie" damals AFAIK nicht. ...heute wohl auch nicht, wenn ich das gerade richtig sehe. Interessant eigentlich. Man sollte doch denken, dass Komplexitätstheorie derart stark in der Informatik verankert ist, dass man in dem Zusammenhang auf jeden Fall wesentlich mehr mitnimmt. Auch jenseits irgendwelcher Schwerpunktsetzungen. Warum gibt es eigentlich im Informatik-Bachelor keine eigene Veranstaltung "Komplexitätstheorie"?
Möglicherweise gibt es gar nicht DAS Informatikstudium bzw. Studienangebot. Ich sehe immer mehr, dass es da doch von Uni zu Uni eine ganze Menge Unterschiede gibt. Vor allem natürlich was die höheren Semester betrifft. In dem Fall ist die Wahl der Universität aber ähnlich wichtig wie die Wahl des Fachs.
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Gregor, du kannst davon ausgehen, dass an deiner Uni auch die Mathematiker keine tiefer gehende Komplexitätstheorie als du gehört haben, und dass an Christophs Uni die Komplexitätstheorie auch (und vor allem) für Informatiker angeboten wurde. Falls nicht wäre das ein Fall für die Hochschulpolitik...
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Bashar schrieb:
Gregor, du kannst davon ausgehen, dass an deiner Uni auch die Mathematiker keine tiefer gehende Komplexitätstheorie als du gehört haben, und dass an Christophs Uni die Komplexitätstheorie auch (und vor allem) für Informatiker angeboten wurde. Falls nicht wäre das ein Fall für die Hochschulpolitik...
Bei uns gibt es in der Tat auch in der Mathematik keinen Schwerpunkt der in Richtung Komplexitätstheorie geht.
Christoph hat glaube ich an der TU Darmstadt studiert. Wenn man sich die Fachgebiete in der Informatik dort anguckt...
https://www.informatik.tu-darmstadt.de/de/fachbereich/fachgebiete/
...dann kommt "Komplexität" nur in "Kryptographie und Komplexitätstheorie" vor. Die Kurse, die von diesem Bereich angeboten werden, befassen sich in erster Linie mit Krytographie. Wobei es dort jetzt wohl einen Kurs gibt, der entsprechend des Titels der Arbeitsgruppe beides behandelt.
Er hat allerdings innerhalb der Mathematik seinen Schwerpunkt auf Logik gesetzt. ...dann wären wir ungefähr bei den Lehrveranstaltungen da: http://www3.mathematik.tu-darmstadt.de/ags/ag-logik/lehre.html
Also: Zunächst gibt es da im Bachelor eine Vorlesung zu "Complexity theory" und dann gibt es im Masterstudium noch Veranstaltungen zu "Advanced Complexity Theory" und "Logic and Complexity".
Sieht für mich auf den ersten Blick so aus, als ob die Komplexitätstheorie dort stärker in der Mathematik vertreten ist. ...die Logik übrigens natürlich auch. Aber vielleicht habe ich bei der kurzen Suche auch etwas übersehen.
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Gregor schrieb:
Sieht für mich auf den ersten Blick so aus, als ob die Komplexitätstheorie dort stärker in der Mathematik vertreten ist. ...die Logik übrigens natürlich auch. Aber vielleicht habe ich bei der kurzen Suche auch etwas übersehen.
Natürlich... Und natürlich überträgt sich das aus Darmstadt direkt auf das Fachgebiet der Informatik im Ganzen. -- Und ich dachte immer das mit den Physikern und "alle ungeraden Zahlen sind Primzahlen: 3,5,7,..." wäre nur ein Scherz.
Das Komplexitätstheoriebuch sieht ganz nett aus, der Standardstoff halt. Wird so in der Grundvorlesung natürlich nicht komplett abgedeckt, wir haben aber zum Beispiel immer mal wieder Seminare, die solche Themen abdecken (natürlich und selbstverständlich auf niedrigstem Niveau). -- Festparameter-Komplexität scheint zu fehlen. Und hast du mal in den Anhang des Buches geschaut? mathematische Grundlagen: Mengen, lineare Algebra, Polynome etc. Nichts was nicht jeder Informatiker an jeder Feld- Wald- und Wiesenuni auch kennen würde.
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@Jester: So wie ich das sehe, gibt es hier momentan 3 Beispiele an Informatikstudien, in denen es enorm wenig Komplexitätstheorie gibt. Hamburg, Darmstadt und wohl auch Passau. Gib doch mal ein schönes Gegenbeispiel. Ich glaube ja durchaus, dass es Informatik-Studiengänge gibt, in denen sehr viel in die Richtung gemacht wird. Bei Euch scheint es so einen Studiengang zu geben?
Aber Du siehst ja selbst, dass es wohl auf die Uni ankommt. Komplexitätstheorie wird durchaus auch von einigen Mathematik-Fachbereichen aufgearbeitet. Meine Anfangsaussage war ja eigentlich, dass man bei bestimmten fokussierten Interessen innerhalb der Informatik durchaus auch mit einem anderen Studium gut fahren kann, so lange man es sehr sorgsam wählt. Eigentlich fühle ich mich darin bestätigt. Wie kommen wir Informatiker eigentlich dazu, zu behaupten, dass die Komplexitätstheorie nur der Informatik gehört bzw. zuzurechnen ist? Hier kommt noch ein Zusatz zu meiner Anfangsaussage: Wenn man sich bei so einem speziellen Interesse für ein Informatikstudium entscheidet, muss man ebenfalls sehr darauf achten, wo man studiert und was einem da wirklich geboten wird.
BTW: Du bemängelst die geringen mathematischen Anforderungen im Anhang des Buchs. ...werden da eigentlich auch irgendwelche informatischen Anforderungen erwähnt?
...aus dem Vorwort "About this Book": "We assume essentially no computational background and very minimal mathematical background, which we review in Appendix A"
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Also Komplexitätstheorie ist i.d.R. mit zwei vertiefenden 6-SWS-Vorlesungen abgefrühstückt. Eine Komplexitätstheorie III habe ich noch nie irgendwo gesehen
Hier zwei Universitäten, welche etwas mehr bieten:
Universität Würzburg (http://theoretische.informatik.uni-wuerzburg.de):
Komplexitätstheorie I
Komplexitätstheorie II
BerechenbarkeitstheorieFernuniversität in Hagen (http://www.uni-hagen.de/ak/kurse/):
Theorie der Berechenbarkeit
Komplexitätstheorie I
Komplexitätstheorie II
Parallele Algorithmen (Kurs speziell über Kompl./Ber. bei Parallelität)
Berechenbare Analysis