Geisteswissenschaften [Split aus "Endlich wieder mal ein wenig Gerechtigkeit!"]
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volkard schrieb:
Bei mir hörte der Glaube an die Gleichrangigkeit der Wissenschaften wohl spätestens auf, als ein befreundeter Student (Germanistik und Geschichte auf Lehramt) die Kreiszahl PI in einer Prüfungssituation auf 3,12 bestimmte.
Wo genau liegt Dein Problem? Ich wäre froh, wenn der (studierte) Durchschnittsmensch die mathematischen Fähigkeiten hätte Pi ungefähr in der Nähe von 3,1 zu verorten. Wenn wir das erreicht hätten, dann wäre glaube ich dem Ansehen der Mathematik einiges Gutes getan. "Prüfungssituation" würde ich noch dazu als "mildernde Umstände" lesen.
Natürlich gibt es einen Haufen schlecht gemachter Studien von Geisteswissenschaftlern. Insbesondere das was da manchmal schnell als Hausarbeit von Studenten hingekloppt wird. Aber eigentlich lernen die auch genau die angesprochenen Dinge: Repräsentativität, Signifikanzniveaus etc. Ich hab auch schon ein paar sehr lustige Sachen bei Physiker-Ausflügen in die Informatik gesehen. Daraus leite ich ja auch nicht ab, dass Physiker nur Sachen machen, die a) eh bekannt sind und b) ihnen selbst für einfache Zusammenhänge grundlegendes Verständnis fehlt.
Ich kann nur empfehlen mal eine fachliche Diskussion mit einem guten Philosophen zu führen. Ich war bisher äußerst beeindruckt, wie präzise und exakt die argumentieren können. Normalerweise haben die auch eine wesentlich breitere logische Grundbildung als die meisten Informatiker und Mathematiker (temporale Logik, modale Logik, etc.). Wobei das in der Schule vermutlich anders aussieht.
Gerade Kritik wie die von SeppJ mit den "fehlenden Grundlagen" offenbart doch ein grundlegendes Unverständnis der Problematik von geisteswissenschaftlichen Fragestellungen. Nämlich dass es in diesem Bereich kaum Grundlagen gibt, auf die man wirklich fest bauen kann. Man kann sich jetzt natürlich hinstellen und sagen: "gut, dann erkären wir nix sondern beobachten und beschreiben nur", aber gerade das wäre doch für eine Wissenschaft und den daraus resultierenden Anspruch eigentlich zu kurz gegriffen. Was man halt stattdessen (idealerweise) macht, ist, dass man versucht auf vernünftig scheinenden Annahmen eine Theorie zu entwickeln wie bestimmte gesellschaftliche Zusammenhänge aussehen, und dann versucht die Vorhersagen des theoretischen Modells empirisch mit der Realität abzugleichen. -- Ups, das klingt ja so ähnlich wie Physik. (vielleicht also doch ne gammel-wissenschaft? :p )
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Zumal es gerade in der Vergangenheit so war, dass doch viele Wissenschaftler, die damals bahnbrechende Entdeckungen gemacht haben, doch auch geisteswissenschaftlich sehr gut ausgebildet und bewandert waren.
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hallo
aber wehe einer kommt mit den üblichen gamervoruteile oder maßt sich an, allgmeien über picklige nerdprogrammierer zu lästern. da ist der aufschrei groß...
chrische
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Jester schrieb:
...
Ich kann nur empfehlen mal eine fachliche Diskussion mit einem guten Philosophen zu führen. Ich war bisher äußerst beeindruckt, wie präzise und exakt die argumentieren können. Normalerweise haben die auch eine wesentlich breitere logische Grundbildung als die meisten Informatiker und Mathematiker (temporale Logik, modale Logik, etc.). Wobei das in der Schule vermutlich anders aussieht.
...Interessanter weise führst du als Kriterium für einen guten Philosophen (Geistwissenschaftler) an:
- eine breite Grundausbildung zu haben
- eine herausragende Fähigkeit logisch zu Argumentieren.Das ist doch genau das was SeppJ meinte.
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It0101 schrieb:
Zumal es gerade in der Vergangenheit so war, dass doch viele Wissenschaftler, die damals bahnbrechende Entdeckungen gemacht haben, doch auch geisteswissenschaftlich sehr gut ausgebildet und bewandert waren.
Nicht zu vergessen, daß es Astrologen und Alchemisten waren, fromme Christen, Betrüger und auch im antiken Griechenland schon Nerds.
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Naja, Du gibst jetzt auch ein Dünnbrettgebohre ab.
An fromme Christen glaubt doch seit 1800 Jahren keiner mehr.Der wahrscheinlich letzte Universalwissenschaftler war wohl Helmholtz, gehörte damals so dazu, daß man erstmal ein bisserl rumstudierte.
Aber mit den Bachelor/Master wasweißichnochfür Scheißtitel- Studienstraffungen haut das nimmer hin.
Alle drei Jahre verdoppelt sich das Wissen der Menschheit, aber der Einzelne verblödet in seiner Fachnische.Dafür können die selber recht wenig und ich glaube nicht, daß es notwendig ist, Schopenhauer fehlerfrei zu rezitieren, aber mal die Denkmodelle überrissen zu haben und zu wissen, wo man einen Lötkolben masochismusfrei anfaßt, schadet nicht.
Ich kann sogar noch einen Hammer weitgehend bedienungsfehlerfrei verwenden und dabei Kant rezitieren. Nur direkt dafür kaufen kann ich mir nix.
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Marc++us schrieb:
Daran krankt sogar die Medizin, immerhin noch relativ nahe an einer Naturwissenschaft angesiedelt. Viele medizinische Studien verletzen beim DOE bereits die notwendigen stochastischen/statistischen Grundlagen und sind am Ende falsch - in signifikanter Grössenordnung (z.B. auf die Schnelle gegoogelt):
http://www.zentrum-der-gesundheit.de/medizinische-forschung-ia.html
Bitte demnächst 5sekundn länger googeln. Das ist einee Esoterikervereinigung, in denen sich Naturheilkundler, Impfgegner, TCM-Anhänger und andere Esoteriker die Klinke in die Hand geben.
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Es leben jetzt in diesem Moment sicherlich sehr viele Leute auf der Erde, die ein mindestens eben so breites Allgemeinwissen wie Helmholtz haben. Bloß reicht das heutzutage nicht, um vorne mit dabei zu sein. Ohne die Spezialisierung kommt man eben nicht über Amateurwissen in einem Gebiet hinaus. Man spezialisiert sich heutzutage schließlich nicht aus böser Absicht oder Desinteresse, sondern aus Notwendigkeit. Wer dies nicht tut, der kann eben nicht vorne an der Forschungsfront teilhaben, sondern bloß durch Quizshowwissen glänzen. Ich wüsste jedenfalls auch gerne mehr über andere Dinge, bloß fehlt mir die Zeit. Kollegen geht es ebenso. Durch Beschäftigung mit einem Thema in der Freizeit kratzt man bloß an die Oberfläche. Schlimmer noch: Man könnte sich stattdessen auch mit einem naheliegenden Thema beschäftigen (die sind schließlich auch nicht uninteressant), statt mit einer ganz anderen Wissenschaft, was einem dann in der Praxis wesentlich mehr Vorteile bringt.
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otze schrieb:
Marc++us schrieb:
Daran krankt sogar die Medizin, immerhin noch relativ nahe an einer Naturwissenschaft angesiedelt. Viele medizinische Studien verletzen beim DOE bereits die notwendigen stochastischen/statistischen Grundlagen und sind am Ende falsch - in signifikanter Grössenordnung (z.B. auf die Schnelle gegoogelt):
http://www.zentrum-der-gesundheit.de/medizinische-forschung-ia.html
Bitte demnächst 5sekundn länger googeln. Das ist einee Esoterikervereinigung, in denen sich Naturheilkundler, Impfgegner, TCM-Anhänger und andere Esoteriker die Klinke in die Hand geben.
Nicht nötig, ich habe nicht erst gegoogelt und dann die Sache mit den Fehlern in der Medizin gesehen, sondern das in einer seriösen wissenschaftlichen Zeitung gelesen, und erst für diesen Betrag Google angeworfen. Ein anderer Treffer wird zum gleichen Ergebnis führen.
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Wie kannst Du nur sagen, dass die Mediziner keine Mathematik können. Dabei haben die doch sogar kürzlich, so Mitte der 90er das Riemann-Integral erfunden! Ein absolutes Highlight: http://care.diabetesjournals.org/content/17/2/152.abstract
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Jester: Wenn es nur dieses eine Paper wäre, wärs ja noch lustig. Wenn aber Google Scholar "Cited by 175" sagt und das Paper erfolgreich den Peer-Review-Prozess bestanden hat, find ichs eher traurig.
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Michael E. schrieb:
Jester: Wenn es nur dieses eine Paper wäre, wärs ja noch lustig. Wenn aber Google Scholar "Cited by 175" sagt und das Paper erfolgreich den Peer-Review-Prozess bestanden hat, find ichs eher traurig.
Hehe. Klar, das verfahren ist ja auch viel genauer als "andere bisher verwendete verfahren".
man fragt sich wie die das vorher gemacht haben... Und wo die zur schule gegangen sind.
Vor allem aber offenbart sich darin eine durchaus nicht unähnliche Ignoranz gegenüber anderen Fachbereichen. Ich mein, wenn ich den Eindruck hab, ich hab ne tolle Idee, die aber außerhalb meines Fachbereichsmliegt, mach ich dann a) schnell ein Paper draus oder b) recherchiere ich erstmal,im zugehörigen fachbereich und frage da ein/zwei leute? Ich finde es erschreckend, dass allzu oft option a) beschritten wird. Das liegt aber auch daran wie der wissenschaftliche ertrag einer person bewertet wird. Viel zu oft nämlich einfach nach länge der publikationsliste.
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Jester schrieb:
Wie kannst Du nur sagen, dass die Mediziner keine Mathematik können. Dabei haben die doch sogar kürzlich, so Mitte der 90er das Riemann-Integral erfunden! Ein absolutes Highlight: http://care.diabetesjournals.org/content/17/2/152.abstract
Das Highlight - und das eigentlich erchrecknde ist, dass das Paper durch das Peer-Review gekommen ist. Es passiert ja alle Nase lang, dass Dinge wiederentdeckt werden, und das dann im Peer-Review heraus kommt. Das ist auch okay, nimand kann alles wissen. Reviewer sollten aber schon etwas drauf haben, sonst ist der ganze Prozess für die Katz.
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otze schrieb:
Reviewer sollten aber schon etwas drauf haben, sonst ist der ganze Prozess für die Katz.
Reviewer sind auch einfach nur andere Wissenschaftler aus demselben Fachbereich. Ist ja nicht so, dass die Reviewer nur aus den Reihen der Top-Wissenschaftler rekrutiert werden. Sowas nun komplett den Reviewern anzulasten ist auch nicht fair. Die grundsätzliche Verantwortung für den Inhalt einer Publikation trägt, sowohl bezüglich inhaltlicher Originalität als auch Korrektheit, der Autor. Es ist klar, dass da was grundlegend schief gelaufen ist, auch im Review-Prozess. Aber das nun einfach den Reviewern, und nur denen, in die Schuhe zu schieben halte ich für falsch.
Zu so einer Veröffentlichung gehören zwei: einer ders schreibt und einer ders akzeptiert. Zumindest wenn man mal unterstellt, dass die nicht was bekanntes neu publizieren wollten, dann liegt die Verantwortung bei beiden. Klar, manchmal werden Dinge wiederentdeckt, weil es schwer war rauszufinden, wie die Dinge woanders hießen, etc. Aber in diesem Fall wäre das doch äußerst einfach gewesen. Man hätte nur, wenn man die Idee hat als Mediziner ein mathematisches Paper zu schreiben, mal irgendeinen x-beliebigen Mathematiker fragen müssen. Das ist offensichtlich nicht passiert, und imo ein großes Versäumnis der Autoren.
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hallo
so etwas kann zum glück in der physik nie passieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hendrik_Schön
chrische
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chrische5 schrieb:
hallo
so etwas kann zum glück in der physik nie passieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hendrik_Schön
chrische
Er hat gefälscht, was ganz was anderes ist, als Trivialmathematik neu zu entdecken. Seine Ergebnisse waren spektakulär neu. Der Gutachter kann nur die wissenschaftliche Relevanz und Qualität der eigentlichen Arbeit bewerten, er kann nicht das ganze Experiment im Rahmen des Gutachten erneut durchführen.
Und ganz wichtig: Die Aktion ist aufgeflogen.
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Jester schrieb:
Wie kannst Du nur sagen, dass die Mediziner keine Mathematik können. Dabei haben die doch sogar kürzlich, so Mitte der 90er das Riemann-Integral erfunden! Ein absolutes Highlight: http://care.diabetesjournals.org/content/17/2/152.abstract
Also, das ist in der Tat Fail von beiden, Reviewer und Verfasser. Obwohl der Reviewer-Fail bedeutend größer ist. Es handelt sich ja hier nich um irgendein abgehobenes mathematisches Zeug was wiederentdeckt wurde (das passiert eigentlich ziemlich oft, und ist auch überhaupt kein Problem), nein es handelt sich hier um banalen Schulstoff !.
Müssen Esotheriker zur Schule
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Ich kann mich noch an ein Beispiels eines Matheprofessors erinnern:
Es ging um Wahrscheinlichkeitsrechnung, genauer gesagt um die bedingt Wahrscheinlichkeit. Es ging darum, dass ein Arzt das Prinzip der bedingten Wahrscheinlichkeit bzw. allgemein die Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht verstanden hat und zu vielen Frauen vorsichtshalber die Brüste amputiert hat (wegen falsch interpretierten Wahrscheinlichkeiten an Brustkrebs zu erkranken).
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ScottZhang schrieb:
Obwohl der Reviewer-Fail bedeutend größer ist.
Das sehe ich anders. Meiner Meinung nach obliegt es mindestens genauso stark dem Autor sorgfältig sicher zu stellen, dass seine Arbeit einen entsprechenden Neuheitswert hat.
Stell dir nur mal vor, jemand würde ständig solche Sachen einreichen, und ab und an würden die Reviewer es nicht merken. Soll ich da wirklich hauptsächlich auf die Reviewer zeigen, denen es nicht aufgefallen ist? Wenn nein, was unterscheidet das vom Einzelfall (Einzelfail)?
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Ja, das versteh ich schon.
Aber prinzipiell kann jeder daher kommen und was einreichen. Egal welchen Hintergrund der hat. Vllt lebt ja jemand einsam inner Hütte aufm Südpol, die einzige Zeitschrift die er hat ist "Diabetisjournal" und aus Langeweile beschäftig er sich mit den Problemen die da so auftauchen ...