Brexit - was bedeutet das für die EU?



  • dachschaden schrieb:

    Aber egal, ich bin ja zynisch ...

    Du verrennst dich manchmal in deinen eigenen Gedanken. Ist doch nicht schlimm. Schau einfach mehr auf die Fakten und vermeide zu frühe Schlussfolgerungen. Dann klappt das schon. 🙂



  • Andromeda schrieb:

    Schau einfach mehr auf die Fakten

    Was sind denn die Fakten, hm?

    Ich sag's dir: Fakt ist, dass Politik eiskalt spieltheoretisch funktioniert, schon vor den 40ern (erst danach hatten wir durch von Neumann und Morgenstern auch einen Namen dafür). Jeder ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht, egal, ob das in Deutschland passiert oder England.
    Fakt ist, dass Cameron seinen Platz in den Geschichtsbüchern drinhat. Seinen Absatz mit "2016 aktivierte er Artikel 50 des Lissaboner Vertrages ..." zu beschmutzen wollte er nicht, also hat er sich aus der Schussbahn gebracht. Meines Wissens wollte er eh nur noch bis 2020 den Premier spielen, der Verlust ist also nicht so hoch im Vergleich zu seiner (Geschichts-)Pension. Neuwahlen sollten zwar im Oktober stattfinden, aber man munkelt bereits, dass man, wenn möglich, bereits im September einen Nachfolger hätte. Bis dahin wird niemand Artikel 50 aktivieren.

    Fakt ist, dass Johnson auf den Zug "Brexit" erst dieses Jahr aufgesprungen ist, und dass er wahrscheinlich nicht einmal wusste, was dies bedeutete. Derzeit ist Johnson kein besonders beliebter Zeitgenosse - die Chance, dass er die Wahl gewinnt, ist eher gering.
    Fakt ist, dass Farage, wenn er denn doch nicht gelogen hat, dann wenigstens Wahlversprechen zurückgenommen hat (350 Millionen, die eigentlich nur 190 Millionen sind, die jetzt auch nicht in die NHS fließen). Um seine Beliebtheit steht es also auch nicht gut.
    Fakt ist, dass Johnson und Farage damit gerechnet haben, dass das Referendum Pro-Remain ausgeht. Farage's Aussage, dass ein knappes Ergebnis im Referendum an sich ungültig wäre, belegt dies - unabhängig davon, ob er jetzt pro oder kontra zweites Referendum ist. Und Johnson wird gerne mit Churchill verglichen, weil beide kein Problem damit haben, ältere Positionen aufzugeben, wenn es ihnen zum Vorteil gereicht.

    Der Spiegel schrieb:

    Aus der Abgeschiedenheit seines Landhauses verschickt Johnson nun versöhnliche Worte, die ein tief gespaltenes Volk beruhigen sollen. Ein Sieg von 52 zu 48, so Johnson, sei "nicht wirklich überwältigend". Und weiter: "Ich kann nicht oft genug betonen, dass Britannien immer ein Teil Europas ist und bleiben wird." Ansonsten sehe er "goldene Möglichkeiten für dieses Land".

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-boris-johnson-wird-meist-gehasster-mann-englands-a-1100062.html

    Die Vermutung liegt somit nahe, dass der Brexodus nicht wirklich gewollt war. Er war ein Mittel zum Zweck im Spiel der Politik. Farage sagt weiterhin, dass es Sonderkonditionen mit der EU geben wird, wo die EU nicht nur sagt "Das machen wir nicht!", sondern auch "Das können wir nicht!". Norwegen, welches von Farage immer als Beispiel für eine weitere zukünftige Kooperation mit der EU gezeigt wird, muss dafür ebenfalls "zahlen" - Freizügigkeit im Tausch gegen Zugang zum Binnenmarkt. Und das ist nur eine von (ich glaub) vier Voraussetzungen für diesen Zugang.

    Fakt ist, dass es Leute gibt, die die Bürokratie in Brüssel als etwas negatives sehen und deswegen pro Brexodus gestimmt haben. Zumindest bei Johnson bin ich mir sicher, dass seine Position opportunistischer Natur ist und er nicht wirklich einen Brexodus will.

    Fakt ist, dass das Wahlergebnis verdammt knapp ist und eine Petition existiert, um das Referendum zu wiederholen. Das Parlament ist aufgrund der hohen Anzahl an Unterschriften (100K werden auch ohne Bots geknackt worden sein) verpflichtet, darüber zu debattieren.

    Fakt ist sowieso, dass das Referendum nur beratenden Charakter besaß, keinen verpflichtenden.

    ===================================================================

    Dem gegenüber stehen welche Fakten dafür, dass es zum Brexodus kommt?

    Nun, wir haben das Wort von Johnson und Farage vor dem Referendum (welches ähnlich viel Wert war wie Cameron's Wort vor dem Referendum, dass, sollte das Volk pro Brexodus stimmen, er unverzüglich Artikel 50 genehmigen lassen würde, um dann die EU damit zu konfrontieren - es war also gar nichts wert), dass diese Artikel 50 aktivieren würden.

    Wir haben ein eindeutiges und dennoch knappes Referendum, vor dem zumindest auf der Brexodus-Seite gelogen worden ist.

    Wir haben Politiker, die sagen, sie könnten sich "nicht vorstellen, wie das Referendum zurückgenommen werden kann" - aber diese Politiker haben in der Regel einen kleineren Vorstellungsraum als einen Quadratmeter, und nein, ich übertreibe nicht.

    Falls ich etwas übersehen haben sollte, lass es mich wissen.
    Falls von dir nur wieder heiße Luft kommen sollte: spar sie dir, davon habe ich gerade mehr als genug.



  • dachschaden schrieb:

    Ich sag's dir: Fakt ist, dass Politik eiskalt spieltheoretisch funktioniert, schon vor den 40ern (erst danach hatten wir durch von Neumann und Morgenstern auch einen Namen dafür). Jeder ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht, egal, ob das in Deutschland passiert oder England.

    Da geht es schon los: eine vielfach gesehene Erscheinung (cui bono?) wird zum Grundprinzip erklärt. Empirie funktioniert aber anders, Kumpel. 😉

    Dass Parlamentarier üblicherweise 60h pro Woche arbeiten, aber nicht für sich, sondern für die Bevölkerung, und dass z.B. Merkels Handling der Flüchtlingskrise nicht nur auf Eigennutz basiert, wird dabei völlig ignoriert.

    Simple Gemüter generalisieren gern, bzw. projizieren eigene Ansichten auf andere, um sich die Welt zu erklären. Wie gehabt.



  • Andromeda schrieb:

    Dass Parlamentarier üblicherweise 60h pro Woche arbeiten, aber nicht für sich, sondern für die Bevölkerung, und dass z.B. Merkels Handling der Flüchtlingskrise nicht nur auf Eigennutz basiert, wird dabei völlig ignoriert.

    Belege?



  • Andromeda schrieb:

    Dass Parlamentarier üblicherweise 60h pro Woche arbeiten, aber nicht für sich, sondern für die Bevölkerung, und dass z.B. Merkels Handling der Flüchtlingskrise nicht nur auf Eigennutz basiert, wird dabei völlig ignoriert.

    Schwachsinn hoch drei.



  • dachschaden schrieb:

    Andromeda schrieb:

    Dass Parlamentarier üblicherweise 60h pro Woche arbeiten, aber nicht für sich, sondern für die Bevölkerung, und dass z.B. Merkels Handling der Flüchtlingskrise nicht nur auf Eigennutz basiert, wird dabei völlig ignoriert.

    Schwachsinn hoch drei.

    Seh ich nicht so.
    Ob ihr es glaubt oder nicht, es gibt auch gute Menschen auf der Welt, sogar in der Politik.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Juncker zofft sich mit britischem Abgeordneten: „Was machen Sie überhaupt hier?“

    So etwas finde ich geschmacklos! Juncker ist das Problem, nicht die Lösung.

    Die ganze Sitzung war ein großes Bashing von beiden Seiten. Ich fand Farages Beitrag noch etwas geschmackloser, als er allen MEPs unterstellt hat, sie hätten in ihrem Leben noch nie richtig gearbeitet.



  • Bengo schrieb:

    Ob ihr es glaubt oder nicht, es gibt auch gute Menschen auf der Welt, sogar in der Politik.

    Sobald man in einer gewissen Machtposition ist, kann man sich soetwas wie Moral nicht mehr leisten. Bedenke: Politiker sind da wo sie sind weil ihnen Jemand anderer dafür Geld geschenkt hat.

    Demokratie funktioniert Anhand von Lobbies. Die Lobbies mit viel Geld bekommen mehr Gesetze die ihnen passen als die Lobbies ohne Geld.



  • Ich will jetzt nicht abstreiten, dass Lobbyismus mitunter ein großes Problem ist, aber du kannst jetzt nicht alle Politiker als von Lobbyisten geschmierte Interessenvertretung der Wirtschaft sehen.



  • Provieh-Programmierer schrieb:

    Andromeda schrieb:

    Dass Parlamentarier üblicherweise 60h pro Woche arbeiten, aber nicht für sich, sondern für die Bevölkerung, und dass z.B. Merkels Handling der Flüchtlingskrise nicht nur auf Eigennutz basiert, wird dabei völlig ignoriert.

    Belege?

    Die CDU im niedersächsischen Landtag zum Beispiel. Ich kenne einige Leute davon persönlich. Sitzungen, Ausschüsse, Reden vorbereiten und anderer Papierkram, Termine mit Presse, Lobbyisten, verschiedenen Interessengruppen und Öffentlichkeitsarbeit verschlingen unglaublich viel Zeit.

    Wer nur faul in der Sonne liegt und Diäten kassiert, bekommt Druck von allen Seiten. Auch von der eigenen Fraktion.

    Das ist nur etwas für Idealisten.



  • Bengo schrieb:

    Ich will jetzt nicht abstreiten, dass Lobbyismus mitunter ein großes Problem ist, aber du kannst jetzt nicht alle Politiker als von Lobbyisten geschmierte Interessenvertretung der Wirtschaft sehen.

    Es gibt mehr Lobbies als nur Wirtschaftslobbies.
    Aber es war schon immer so und wir immer so bleiben: wer das Geld hat, hat die Macht.

    Selbst wenn es irgendwo korrekte Politiker gäbe, so würden die nicht viel zu sagen haben. Denn warum sollte man Leute in Entscheidungsplätze setzen wenn man sie nicht kontrollieren kann bzw. sich ihrer Loyalität nicht sicher ist?

    Natürlich passieren Fehler und Leute landen wo, wo man im Nachhinein einsieht dass es ein Fehler war - aber wer davon ausgeht dass Politiker das Wohl des Volkes als wichtigstes Ziel sehen, die haben etwas grundlegendes nicht verstanden.

    So handeln aber alle Menschen - das ist nicht auf die Politik beschränkt.

    In Internet Communities gibt es deshalb zB diese Daumenregel: Moderator sollte nur Jemand werden der sich nicht freiwillig meldet und den Job eigentlich nicht will.



  • Shade Of Mine schrieb:

    Selbst wenn es irgendwo korrekte Politiker gäbe, so würden die nicht viel zu sagen haben. Denn warum sollte man Leute in Entscheidungsplätze setzen wenn man sie nicht kontrollieren kann bzw. sich ihrer Loyalität nicht sicher ist?

    Das hört sich so an, als wäre der Wähler letztlich machtlos. So etwas glauben leider viele.


  • Mod

    Shade Of Mine schrieb:

    In Internet Communities gibt es deshalb zB diese Daumenregel: Moderator sollte nur Jemand werden der sich nicht freiwillig meldet und den Job eigentlich nicht will.

    Das ist bisschen älter als das Internet (auch wenn ich nicht unbedingt daran glaube, dass es von Lincoln ist):

    http://www.zitate-online.de/sprueche/historische-personen/231/willst-du-den-charakter-eines-menschen-erkennen.html



  • Shade Of Mine schrieb:

    In Internet Communities gibt es deshalb zB diese Daumenregel: Moderator sollte nur Jemand werden der sich nicht freiwillig meldet und den Job eigentlich nicht will.

    Hätte ich das mal vorher gewusst, hätt' ich mich mal beworben... 8/



  • Andromeda schrieb:

    Shade Of Mine schrieb:

    Selbst wenn es irgendwo korrekte Politiker gäbe, so würden die nicht viel zu sagen haben. Denn warum sollte man Leute in Entscheidungsplätze setzen wenn man sie nicht kontrollieren kann bzw. sich ihrer Loyalität nicht sicher ist?

    Das hört sich so an, als wäre der Wähler letztlich machtlos. So etwas glauben leider viele.

    Der Wähler ist Machtlos, aber aus einem ganz anderen Grund: öffentlicher Meinungsmache.

    Die Leute wählen das was man ihnen sagt dass sie wählen sollen. So einfach ist das.


  • Mod

    Die Machtlosigkeit des Wählers liegt auch an der Zeitdauer der "Stimmengültigkeit" - 4 Jahre, aus "Kostengründen" gerne auch mal auf 6 Jahre ausgedehnt - das ist einfach zu lange.

    Das z.B. so ein Ding wie die Einreisewelle, dafür hat niemand ein Mandat gegeben. Das war ausserhalb der Erwartungsschwelle. Wenn jemand CDU wählte, dann hatte er so bisschen Rentenpolitik, Wirtschaftsförderung und hier und da mal einen Militäreinsatz im Hinterkopf. Aber an sowas hat keiner denken können. Man weiss ja nicht mal genau welche Regierung man wählt, da man vorab nicht weiss welche Koalition es gibt. Wenn jemand CDU wählte mit "oh, wird wieder schwarz-gelb", dann hat er eigentlich mit schwarz-rot bereits was völlig anderes bekommen.

    Da wäre es schon besser man würde wirklich den Kanzler direkt wählen, dann wäre man wenigstens über die Person vorab klar.



  • Marc++us schrieb:

    Das z.B. so ein Ding wie die Einreisewelle, dafür hat niemand ein Mandat gegeben.

    Mal kurz zum Verständnis: Man wählt nicht über Themen. Man wählt Vertreter, die Themen behandeln: Erststimme. Und man wählt eine politische Verordnung: Zweitstimme.

    Und so sicher, wie ich mir bin, dass Du das weißt, so schludrig ist es, auch nur anzudenken, dass eine Wahl irgendetwas über irgendein Thema aussagt.

    Marc++us schrieb:

    Das war ausserhalb der Erwartungsschwelle. Wenn jemand CDU wählte, dann hatte er so bisschen Rentenpolitik, Wirtschaftsförderung und hier und da mal einen Militäreinsatz im Hinterkopf. Aber an sowas hat keiner denken können. Man weiss ja nicht mal genau welche Regierung man wählt, da man vorab nicht weiss welche Koalition es gibt. Wenn jemand CDU wählte mit "oh, wird wieder schwarz-gelb", dann hat er eigentlich mit schwarz-rot bereits was völlig anderes bekommen.

    Und auch hier erscheint mir die Wahl eher missverstanden zu sein. Man wählt nicht schwarz-gelb, man wählt einen (1,0) Personen und setzt Stimme für die politische Richtung im Parlament. Eine Farbe. Nicht schwarz und gelb, nur schwarz oder gelb.

    Und diese Wahl bedeutet auch nicht, dass man die Erwartung haben kann, dass diese Partei oder die gewählte Person irgendwas zu sagen hat. Es wird nur einem Vertreter des Wahlkreises das Vertrauen ausgesprochen, die Interessen für diesen gesamten Wahlkreis vorzutragen. Und mit der Zweitstimme wird eine politische Richtung angezeigt.

    Eine Wahl ist aber keine Bestellung. Wer sich schwarz-gelb wünscht und wählen geht, hat keine Bestellung aufgegeben und darf sich dann beschweren, wenn schwarz-rot geliefert wird. Weil er nicht die Regierung wählt, sondern die Leute, die dann regieren.

    Eine Wahl ist ein Verfahren, um aus einer Vielzahl von Bewerbern eine repräsentative Menge herauszufiltern. Und nochmal: Es wurde nirgendwo über ein Thema abgestimmt, sondern die repräsentative Menge soll sich anschließend mit den Themen in Vertretung zum Volk beschäftigen.
    Und das heißt, die haben das Mandat. In dieser repräsentativen Menge sitzt auch das Politiker, der Dich vertritt. Und wenn der überstimmt ist, dann gehört es auch zur Demokratie zu akzeptieren, wenn man seinen Willem dem Rest vom Volk nicht aufzwängen kann.

    Und wer glaubt, dass er mit seiner Wahl über den ein oder anderen Kriegseinsatz und ein bisschen Rentenpolitik abstimmt, der hat noch nicht verstanden, was Wahlen sind.

    Das Volk wählt die Vertreter. Das war's. Damit sind die Wahlen abgeschlossen.
    Die Vertreter sind dafür da, damit man nicht wegen jedem Kram alle fragt. Und das gilt auch für Syrienflüchtlinge. Vor allem müsste man erstmal jemanden finden, der dazu was Intelligentes zu sagen hat. Wer von uns ist Fachmann für Syrer? Für Menschenrechte? Für Wirtschaft? Für Organisation von Integration? Ich nicht. Also was sollte ich dazu Intelligentes sagen? Das Intelligenteste wäre wohl, wenn sich da ein paar Leute zusammen setzen und sich auf das Thema konzentrieren und sich mit Fachleuten da einarbeiten. Und wer macht das? Politiker.

    In einer ein parlamentarischen Demokratie werden Themen vorrangig im Parlament behandelt und der Wähler kann zuhören, dafür gibt's die Plätze da oben, es gibt die Kameras und die Übertragungen auf Phönix oder im Netz, weswegen sich alle beschweren, dass sie GEZ bezahlen müssen, obwohl sie ja gar keine ÖR gucken wollen. Da kann der Bürger erfahren, was im Parlament parliert wird.

    Und wenn es ihm nicht passt, wie die Themen besprochen werden, dann gibt beispielsweise Petitionen oder Demonstrationen oder Streiks. Der Wähler ist also auch nicht einfach machtlos - wie die Montagsdemonstrationen in der Ex-DDR zeigen.
    Aber all das findet nicht auf dem Wahlzettel statt.
    Das findet zwischen den Wahlen statt, wo der Wähler "machtlos" ist.

    Und wenn einem die gegenwärtige Demokratie nicht passt, dann möge er das sagen, sich von seinem Umfeld die Unterstützung zusichern lassen, um sich in den Bundestag wählen lassen und dort das Thema zur Sprache bringen. So funktioniert Politik und nicht "Alles scheiße, weil die nicht das tun, wie ich mir das vorstelle." oder weil das Wahlprogramm nichtig wird, weil gegenwärtige Realitäten es unmöglich machen, zum Beispiel die Tatsache, dass man in einer Koalition nicht einfach sein Wahlprogramm auf den Tisch knallt und den Partner damit überzeugt hat, das so zu unterstützen - weil der Partner nämlich ein eigenes Wahlprogramm dabei hat.

    Reduzieren wir das Mandat, brauchen wir keine Regierung mehr. Wir haben ein Jahr Wahlkampf, wo keiner mehr irgendwas Unpopuläres macht und nur Versprechungen rumgereicht werden, da Menschen mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf wählen, und ein halbes Jahr, bis sich die Koalitionen geeinigt haben, was sie nun machen wollen. Bleiben 2,5 Jahre, wo tatsächlich was Sinnvolles passiert. Verkürzen wir die Mandatszeit, verkürzen wir genau diese 2,5 Jahre.

    Wenn der Bürger sich machtlos fühlt, muss er seinen Arsch vom Sofa nehmen und das Maul aufmachen. Und zwar konstruktiv: "Isch hap volljendes Problem, deswejen bin isch hier mal in der Partei vorbeijekommen weil ich tät da was ändern wollte, kömme dat mal anspreche?".
    Und? Der Bürger geht in die Küche, holt Chips und erklärt "Man kann ja eh nichts machen." und "Dafür bin isch damals nisch wählen jewesen."

    Der Bürger ist nicht machtlos, der Bürger macht nichts. Beim Bürger ist nix los. Da müsste man ja konstruktiv an Lösungen arbeiten. Arbeiten. Und auch noch konstruktiv. Lösungsorientiert. Da müsste man Engagement zeigen, wo im Fernsehen doch die Hochzeit von Daniela Katzenberger läuft. Da ist es doch viel einfach zu sagen "Die Merkel ist schuld.", "Der Ausländer ist schuld.", "Die Muslime/Juden/... sind schuld.", "Das Jobcenter ist schuld."
    Am besten die Schule vorzeitig abgebrochen und dann beschweren, dass da keiner Schlange steht, um einen hochbezahlten Job anzubieten. Ein Buch zu lesen war zuviel verlangt, aber die Bildzeitung, da steht ja auch alles drin.
    Und wer ist das Schuld? Die Merkel. Und der Bürger ist ja machtlos.

    Und wenn man dann mal nachfragt, ob man sich vielleicht mal ein wenig mit so Kram wie Demokratie oder Bildung beschäftigen möchte, damit seine Interessen auch mal vertreten kann, weil man gehört man gleich zu dieser "Elite, die da oben" und hält sich für was Bessers.

    Ich persönlich wäre für einen Wahlführerschein. Sobald man mal verstanden hat, was man da eigentlich tut, wenn man ein Kreuz malt, darf man in echten Wahlkabinen Kreuze malen.
    Ich könnte mir vorstellen, die Briten hätten VOR der Wahl "What is the EU?" gegooglet und nicht erst am nächsten Tag.



  • Xin schrieb:

    Reduzieren wir das Mandat, brauchen wir keine Regierung mehr. Wir haben ein Jahr Wahlkampf, wo keiner mehr irgendwas Unpopuläres macht und nur Versprechungen rumgereicht werden, da Menschen mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf wählen, und ein halbes Jahr, bis sich die Koalitionen geeinigt haben, was sie nun machen wollen. Bleiben 2,5 Jahre, wo tatsächlich was Sinnvolles passiert. Verkürzen wir die Mandatszeit, verkürzen wir genau diese 2,5 Jahre.

    Unfug.

    Auf der einen Seite hätte ich nichts gegen das Modell Belgien. Die hatten jahrelang keine Regierung, weil die Flamen und die Wallonen sich nicht einigen konnten. In der Zeit hatten die halt eine Notverwaltung, da wurde nichts schlimmer.

    Auf der anderen Seite willst du mir also erzählen, dass wenn ich radikal ein Jahr auf eine Legislaturperiode setze, dass ich dann noch mal ein halbes Jahr draufpacken müsste, damit gar nichts passiert. Ähhh, bitte was?

    Wenn wir die Zeit verkürzen, wird sich ebenfalls die Zeit verkürzen, in der eine Koalitionsbildung passiert. So ein Koalitionsvertrag schließt den Zeitraum bis zur nächsten Legislaturperiode ein. Wenn dieser Zeitraum kürzer wird, muss weniger geplant werden.

    Und wenn wir dann die LP auf ein Viertel der vorherigen Zeit beschneiden, bin ich mir eigentlich sicher, dass wir dann auch diese Phase, in der keiner mehr etwas machen will, verkürzt bekommen. Verhältnismäßig. Aus einem Jahr werden drei Monate. Oder vielleicht zwei Monate.

    Hey, warte, ich habe noch eine bessere Idee. Wir legen fest, dass innerhalb von zwei Wochen nach der Wahl eine Regierung stehen muss, sonst gibt's automatisch Neuwahlen. Wenn es nie zu einer Regierungsbildung kommt - auch nicht schlecht, Modell Belgien halt. Und wenn doch, haben die Bürger mehr Kontrolle darüber, was diese marodierenden Horden da machen.

    Xin schrieb:

    Ich könnte mir vorstellen, die Briten hätten VOR der Wahl "What is the EU?" gegooglet und nicht erst am nächsten Tag.

    Meine letzte Information diesbezüglich war, dass die Zeitzonen unterschiedlich waren und so die Anfragen falsch interpretiert wurden. Was ich gelesen habe, ist dass die Briten vor der Abstimmung und nicht danach diese Fragen gestellt haben. Und es ergibt ja auch Sinn, das zu tun.

    Nö. stattdessen schimpft man lieber über den blöden unmündigen Bürger, hab's verstanden.



  • dachschaden schrieb:

    Auf der einen Seite hätte ich nichts gegen das Modell Belgien. Die hatten jahrelang keine Regierung, weil die Flamen und die Wallonen sich nicht einigen konnten. In der Zeit hatten die halt eine Notverwaltung, da wurde nichts schlimmer.

    Abgesehen davon, dass man fleißig Jodtabletten verteilt statt marode Atommeiler vom Netz zu nehmen ist das Modell Belgien total super, meinst Du sicher. Gut, wobei, das hätte auch die Notverwaltung geschafft. Hast mich überzeugt 😃 .



  • goi schrieb:

    Gut, wobei, das hätte auch die Notverwaltung geschafft.

    Ach, das schaffen die maroden Meiler von selbst. *

    Aber kaum haben die dann mal eine Regierung, denkt diese schon darüber nach, keine anonymen Zugtickets mehr zu erlauben. Den Durchsuchungsbefehl für Hausdurchsuchungen haben sie vor drei Jahren nicht mehr notwendig gemacht.

    Hacking Team hätte gerne an Belgien verkauft - aber rate mal? Da hatten die noch keine Regierung.
    Und zum Abschießen der VDS von Seiten des Verfassungsgerichts benötigt man auch keine Regierung.

    EDIT: *Da hatten die schon wieder ihre Regierung, das lasse ich als Gegenargument also nicht gelten. 😋


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